Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Zwei Tage zum Wunden lecken

Bayerns B-Elf schafft nur ein 1:1 gegen Union Berlin. Trainer Hansi Flick lobt die jungen Spieler - und hat direkt nach dem Schlusspfiff nur noch das Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Paris im Kopf.

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Dass es sich nicht unbedingt um eine gewöhnliche Bundesligapartie des FC Bayern gehandelt hatte, das konnte man nach dem 1:1 gegen Union Berlin auch daran erkennen, dass Trainer Hansi Flick in der Pressekonferenz über Stani und Scotty sprach. "Stani", sagte Flick, "hat für mich ein sehr gutes Spiel gemacht". Und man dürfte "auch Scotty nicht vergessen".

Josip Stanisic, 21, Innenverteidiger der zweiten Mannschaft in der dritten Liga, hatte sein Bundesligadebüt in der Startelf als Linksverteidiger gegeben. Christopher Scott, 18, offensiver Mittelfeldspieler der Drittliga-Mannschaft, war als zweiter Debütant eingewechselt worden - für den von Benfica Lissabon ausgeliehenen Tiago Dantas, 20, der immerhin schon zum zweiten Mal mitspielte, erstmals von Beginn an. Flick lobte alle Jungen für ihren Einsatz. Und er sagte: "Wir haben heute natürlich schon den Blick für Dienstag gehabt, das hat man ja gesehen."

Der Münchner Trainer hat sich durchaus geärgert, er schrie laut "Mann!", als die Gäste in der 85. Minute noch den Ausgleich erzielten, nach einem in seiner Ausführung umstrittenen Einwurf durch ein Tor von Marcus Ingvartsen, wobei der ebenfalls erst 18 Jahre alte, eingewechselte Münchner Defensivspieler Tanguy Nianzou nicht so gut aussah. Doch trotz des Unentschiedens ist der Vorsprung in der Bundesliga für die Bayern weiterhin komfortable fünf Punkte groß, und so hat Flick nach dem Schlusspfiff nur noch den Dienstag im Blick gehabt: Das Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale bei Paris Saint-Germain, in dem der FC Bayern das 2:3 aus dem Hinspiel aufholen muss. Das wichtigste Resultat am Samstag war die Hoffnung, dass nicht noch mehr Verletzte hinzugekommen sind. "Wunden lecken", "Kräfte sammeln", "gut regenerieren", "Akku aufladen", darauf komme es nun an, sagte Flick.

Neun Spieler fehlten verletzt oder gesperrt, zudem schonte Flick in der Startelf zunächst David Alaba, Leroy Sané und Benjamin Pavard. Nach einer halben Stunde richteten sich dennoch bange Blicke von der Münchner Bank aufs Spielfeld: Flügelspieler Kingsley Coman saß auf dem Boden, ließ sich nach einem Schlag aufs Wadenbeinköpfchen untersuchen und sich zur Halbzeit auswechseln. Das sei allerdings schon vorher so geplant gewesen, sagte Flick. Er denke, dass "alles nicht so schlimm ist", auch nicht die Knieprobleme des ausgewechselten Verteidigers Jérôme Boateng. Und so dürfte der weiterhin dezimierte Kader am Dienstag vielleicht wieder ein bisschen größer sein. Bei Verteidiger Lucas Hernández (Rippenprellung) besteht immerhin genauso noch Hoffnung auf einen Einsatz wie beim mit muskulären Problemen fehlenden Leon Goretzka, wenngleich bei der Verletzung des deutschen Nationalspielers mehr Vorsicht geboten sei, wie Flick sagte.

Flick sei "der richtige Trainer für uns", und der Konflikt mit Salihamidzic "nicht von Nöten", sagt Torwart Neuer

Sollte Goretzka ausfallen, hat am Samstag ein Mittelfeldspieler für seinen Einsatz geworben, wenn auch für eine weitaus offensivere Rolle: Jamal Musiala, 18, seit März ebenfalls deutscher Nationalspieler, wirkte zwischen den vielen Jungen in der Münchner Elf erstaunlich souverän, war als Flügelspieler an den gefährlichsten Aktionen beteiligt und schoss in der 68. Minute mit seinem bereits vierten Saisontor das 1:0, nach einem blitzschnellen Haken um seinen Gegenspieler im Berliner Strafraum. Dass Musiala kurz darauf mit Wadenkrämpfen vom Platz musste, nannte Flick "legitim".

Vor dem Führungstreffer hatten die Bayern die Partie kontrolliert, ohne vollends zu überzeugen. Joshua Kimmich, zum Beispiel, spielte ungewohnt fehlerhaft. Und die jungen Spieler wie der 1,68 Meter große Dantas deuteten zwar ihr Talent an, hatten es aber auch nicht immer so schwer, wie es zu erwarten gewesen wäre. Denn die Berliner trauten sich fast etwas zu wenig zu. "Ungenügend" habe seine Mannschaft mit Ball agiert, sagte Unions Trainer Urs Fischer, der sich über "ein tolles Resultat für uns" natürlich trotzdem freute. Er wusste ja, dass sein Team zu einem ausgesprochen günstigen Zeitpunkt auf den FC Bayern getroffen war - und das wohl nicht nur wegen der vielen Verletzungen und des anstehenden Champions-League-Spiels.

In allen Interviews nach und vor der Partie wurden alle Protagonisten natürlich auf das Thema angesprochen, das beim deutschen Rekordmeister gerade täglich alles Sportliche zu verdrängen droht: Der Konflikt zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der einen möglichen Abschied des Trainers nach der Saison trotz seines Vertrags bis 2023 nicht gerade unwahrscheinlicher macht. Das Thema sei in der Mannschaft "nicht so groß, wie man sich das vorstellen kann", sagte Kapitän Manuel Neuer zwar. "Dennoch sind alle Sachen, die von außen auf uns einprasseln, natürlich nicht von Nöten." Flick sei "der richtige Trainer für uns".

Flick hatte am Freitag in der Pressekonferenz vor dem Spiel einen fünfminütigen Monolog gehalten, in dem er unter anderem gesagt hatte, die Qualität des Kaders sei in der vergangenen Saison besser gewesen als in dieser. Und er hatte angekündigt, auf Fragen nach seiner Zukunft nur noch mit "nächste Frage" zu antworten. Dieses Versprechen hielt er am Samstag - mehrmals. Ob das Thema die Mannschaft beeinflusse? "Nein, das Gefühl habe ich nicht", sagte Flick. Spätestens nach dem Spiel in Paris am Dienstag dürfte er darauf wieder angesprochen werden.

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