FC Bayern und Klinsmann:Bekenntnis zur Reibung

Internationale Trainer, ein bisschen Milanello und ein Trend zum Ganztagesprofi - Klinsmanns Verpflichtung bedeutet den Abschied von der bayerischen Vereinsfamilie.

Christof Kneer

Sicher ist: Jürgen Klinsmann wird's werden, er kommt zum FC Bayern. Sicher ist aber auch: Wenn Klinsmann kommt, ist ansonsten nicht mehr viel (vor ihm) sicher. Als er im Sommer 2004 Job und Macht beim DFB übernahm, kamen manche gar nicht mehr dazu, um ihre Pfründe zu zittern. Die Pfründe waren schon weg, bevor gezittert werden konnte. Altgediente Funktionäre wurden aus dem Umfeld der Spieler entfernt, Oliver Kahn verlor seine Kapitänsbinde, ein paar Monate später musste Sepp Maier dran glauben.

FC Bayern und Klinsmann: Neue Liaison: Jürgen Klinsmann und der FC Bayern.

Neue Liaison: Jürgen Klinsmann und der FC Bayern.

(Foto: Foto: ddp)

Klinsmann installierte einen neuen Stab - und völlig neue Regeln. In dieser Radikalität wird er sich den Bayern nicht nähern - trotzdem wird dieser so traditions- und folklorebewusste Verein nach Klinsmanns Verpflichtung nicht mehr derselbe sein. Was versprechen sich die Bayern von dem straffen Reformer? Was plant Klinsmann? Wer wird von seiner Verpflichtung profitieren? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:

Wie kam es zur Verpflichtung?

Seit der heiligen WM 2006 haben sie bei Bayern immer wieder an Klinsmann gedacht. Seitdem treibt die Münchner die Sehnsucht, dass Bayerns Fußball nicht mehr nur aus Führungsspielern, Rotation und einem 1:0 in der 87. Minute besteht. Intern fiel der Name Klinsmann immer wieder, eher spielerisch allerdings und ohne konkreten Anlass, gerade so, als wollten die Verantwortlichen mal prüfen, wie die Mauern an der Säbener Straße auf die Nennung dieses Namens reagieren - ob die Geschäftsstelle also von sich aus zusammenstürzt, weil sie weiß, dass der Besitzer dieses Namens berühmt dafür ist, Läden auseinanderzunehmen.

Die Geschäftsstelle steht noch, und so ist Uli Hoeneß keinesfalls erschrocken, als Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den Namen Klinsmann erstmals konkret ins Gespräch brachte - unmittelbar nach Ottmar Hitzfelds interner Abschiedsankündigung vor dem Uefa-Cup-Spiel gegen Saloniki. Nach Weihnachten kam es zur ersten Kontaktaufnahme mit Klinsmanns in der Schweiz ansässigem Anwalt André Gross. Praktischerweise besitzt Hoeneß eine Wohnung in Lenzerheide/Schweiz, was schon mal eine geographische Annäherung an jenen Mann ermöglichte, von dem Hoeneß einst hoffte, er müsse "nie mehr" mit ihm zusammensitzen - als Berater des Spielers Klinsmann hatte Gross die Bayern vor zwölf Jahren zur Verzweiflung getrieben.

Anschließend trafen sich die Bayern erneut mit Gross, diesmal in München, und bis zur Verkündung der Personalie haben sich die Verantwortlichen dann einen Spaß draus gemacht, die Sache geheim zu halten. Selbst im Großunternehmen FC Bayern kannten bis zum Schluss nur drei Personen diese strategische Schlüsselpersonalie: Außer Hoeneß und Rummenigge war nur Vorstandskollege Karl Hopfner informiert - zudem Klinsmann und Gross. Erst am Donnerstag, dem Tag vor der Verkündung, wurde satzungsgemäß der Aufsichtsrat in Person von Aufsichtsratschef Beckenbauer in Kenntnis gesetzt - zum spätestmöglichen Zeitpunkt, um zu verhindern, dass der Name gleich ins lichtgestaltliche Netzwerk eingespeist wird. Hat geklappt: In der Bild-Zeitung, für die Beckenbauer eifrig Kolumnen fertigen lässt, stand am Freitag keine Zeile.

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Rummenigge Klinsmann

Karl-Heinz Rummenigge war der Erste, der den Namen Klinsmann konkret ins Gespräch brachte.

(Foto: Foto: AP)

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Wie soll die Zusammenarbeit der einstigen Widersacher funktionieren?

"Keine Experimente" hatte Manager Hoeneß in der Trainerfrage verfügt, was am Ende zur großen Lösung Klinsmann führte. Abgesehen von einem lustigen Widerspruch in sich (die Großlösung Klinsmann hat weniger Trainererfahrung als die vermeintliche Kleinlösung Klopp), wagt der FCB das größte Experiment der jüngeren Vereinsgeschichte: Uli Hoeneß ist mutig genug, seinen Herzensklub einem knallharten Sanierer anzuvertrauen.

Klinsmanns Verpflichtung lässt sich durchaus als Zäsur in der Kultur des Vereins begreifen: Nicht nur, dass Hoeneß ganz gegen die Klubtradition einem Trainer vertraut, der nicht in die Reihe gestandener Herrschaften (Hitzfeld, Magath, Trapattoni, Rehhagel, Heynckes, Lattek, Csernai) passt - vor allem holt er sich einen Coach ins Haus, der schwer kompatibel scheint mit Hoeneß' Idee vom familiären, fürsorglichen Verein.

Bei der Caritas ist Klinsmann nie gewesen, und so lässt sich seine Verpflichtung ausdrücklich als Bekenntnis zur Reibung verstehen. Zuletzt ist Hoeneß immer häufiger der Meinung gewesen, dass intern (etwa im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft) so viel Harmonie herrsche, dass sie manchmal nur noch schwer von Gemütlichkeit zu unterscheiden war - nun darf man mit Spannung beobachten, ob die Formel mehr Reibung = mehr Erfolg aufgeht.

Hoeneß und Rummenigge wollen den Klub endlich wieder an der europäischen Spitze platziert sehen, und dafür sind sie auch bereit, Macht abzugeben. Aber nur mit ganz banalen Siegen wird sich die neue Reibung auch fruchtbar machen lassen - zumal sich im Promiquartett Hoeneß-Rummenigge-Beckenbauer-Klinsmann keiner findet, der einen der drei anderen von Herzen als Vertrauten bezeichnen würde. Am besten kann Klinsmann mit Hoeneß, und offenbar hat die Klinsmann-Partei auch Wert darauf gelegt, sich nur zwei Jahre zu binden - Klinsmann will die Freiheit haben abzuwarten, was nach Hoeneß' Rückzug in den Aufsichtsrat passiert.

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Rummenigge Klinsmann Hoeneß

Diese drei werden die nahe Zukunft des FC Bayern bestimmen.

(Foto: Foto: Reuters)

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Was plant Jürgen Klinsmann?

Der neue Trainer wird versuchen, so viel Nationalelf wie möglich ins Vereinsleben hinüberzuretten. Intern rechnet man damit, dass Klinsmanns international besetzter Trainerstab fünf Mann stark sein könnte - als Schlüsselpersonalie gilt dabei die Besetzung des Fußballfachmanns. Ansonsten wird mindestens ein amerikanischer Fitnesscoach erwartet, womöglich auch DFB-Physio Oliver Schmidtlein, der vor der Saison erst die Bayern verlassen hatte. Ob die von Hitzfeld im Sommer angeworbenen Experten Zvonko Komes, Riccardo Proietti und Thomas Wilhelmi bleiben, gilt als ebenso fraglich wie die Weiterbeschäftigung von Torwarttrainer Walter Junghans.

Außerdem erwarten Insider, dass sich der volksnahe FC Bayern in eine geschlossene Gesellschaft verwandeln könnte. Schon als Spieler hatte Klinsmann gelegentlich angeregt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu trainieren, und so ist nicht auszuschließen, dass die Säbener Straße zum kleinen Milanello wird - zum Geheimlabor wie die Trainingsstätte des AC Mailand, zu der nur Eingeweihte Zutritt haben.

Außerdem dürfen sich die Spieler darauf gefasst machen, Klinsmanns Vorstellungen vom Leben eines Vollprofis kennenzulernen. Sie dürften zeitlich mehr beansprucht werden - zwar hat Klinsmann mitunter gespöttelt, dass ihm bei Inter Mailand auch noch der Mittagsschlaf vorgeschrieben wurde, aber insgesamt hat er gute Erfahrungen mit dem Ganztagesprofi gemacht.

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FC Bayern Training

Noch darf jeder beim FC Bayern das Training am Zaun mitverfolgen. Unter Jürgen Klinsmann könnte sich das ändern.

(Foto: Foto: ddp)

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Wer profitiert vom neuen Trainer?

Karl Hopfner eher nicht, denn Bayerns Finanzexperte muss Klinsmann ja bezahlen. Dennoch deutet die Kürze der Verhandlungen darauf hin, dass der Anwalt Gross moderater verhandelt hat als vor zwölf Jahren. Klinsmann wird mehr verdienen als Hitzfeld, aber weniger als die Asse Ribéry und Toni, denen die internationalere Ausrichtung des Klubs gefallen wird. Auch die WM-Spieler Klose, Lahm, Schweinsteiger und Podolski gelten vorerst als Profiteure der Personalie; Schweini & Poldi könnte ihre Chance nun doch noch einmal bei Bayern suchen. Bei Werder Bremen dagegen werden sie mit gespannter Skepsis beobachten, was die Heimkehr des neuen Bayern-Trainers bedeutet: Als Klinsmanns Lieblingsspieler gilt Per Mertesacker.

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