Viele der Zuschauer in aller Welt, die das Spiel der berauschten Bayern gegen Barcelona verfolgten, haben sich wohl über das markante Transparent gewundert, das vor der Kurve der Münchner Fans hing. "Schöne heile Welt" stand darauf in roten Lettern. Offensichtlich ging es um eine Botschaft von höherer Bedeutung - bloß welche? Spielten die Fans in freier Übersetzung an auf Aldous Huxleys "Brave new world"? Das Buch handelt von der deprimierenden Vision einer Zukunftsgesellschaft, die Stabilität durch Manipulation und Indoktrination garantiert.
Diese Art von Kulturpessimismus ist ja mittlerweile typisch für die wahrhaft eingeschworenen Fans. Protestplakate mit der Titelschablone "gegen den modernen Fußball" finden sich an nahezu jedem Bundesligaspieltag in nahezu jedem Stadion. Die orthodoxe Fangruppe "Schickeria München" hat dazu eine Schrift formuliert, die sie pathetisch als "Manifest" bezeichnet. Die Fußballvereine, heißt es darin, müssten den Fans gehören und dürften nicht der Spielball und das Spekulationsobjekt von Investoren, Aktionären, Konzernen und Vermarktern sein.
Betrachtet man nun mit klarem Blick, wie weit Potentaten, Multimillionäre, Geschäftemacher und Kriminelle den Profifußball vereinnahmt haben, kann man sich des Mitgefühls für die enttäuschten Fans kaum erwehren. Dennoch hatten die deutschen Vereine, die natürlich längst Wirtschaftsbetriebe sind, nie zuvor ein so ideologisch beseeltes Publikum wie heute. Nicht nur die jungen Gläubigen, die sich in der Bewegung der "Ultras" zusammenfinden, halten verzweifelt fest an ihrer puristischen, quasi-religiösen Idee vom Verein als heimatlichem Ort - obwohl sie es eigentlich besser wissen.
Im Münchner Stadion gab es am Dienstag auch noch andere Plakate. Sie feierten einen Spieler als "Fußballgott", der noch gar nicht für die Münchner auf dem Platz gestanden hat, sondern bei der Konkurrenz in Dortmund beschäftigt ist. Mario Götze, 20, wird aber im Sommer gegen 37 Millionen Euro Ablöse zu den Bayern wechseln; das ist ein Transfer, der auf den ersten Blick obszön wirkt und die These vom brachialkapitalistischen modernen Fußball zu unterstreichen scheint: Die ohnehin übermächtigen Bayern nehmen dem einzig verbliebenen Konkurrenten im Land seinen besten Mann weg.