FC Bayern und die Elfmeter:"Dann wäre Olli Kahn noch mit seiner Frau zusammen"

Im Champions-League-Finale zwischen dem FC Bayern und dem FC Chelsea könnte es durchaus zu einem Elfmeterschießen kommen. Wäre das ein Vorteil für den FC Bayern? Ein Blick auf die Mythen und Volksweisheiten in der Geschichte des Elfmeters für den FC Bayern.

Jürgen Schmieder

Immerhin wurde der Ball nun endlich gefunden. Für sein Alter sah er wahnsinnig gut aus, was womöglich auch der artgerechten Lagerung geschuldet war. Da lag er also friedlich herum, dieser Telstar Durlast, und machte es sich im Mondkrater Daedalus gemütlich, als plötzlich ein anderer Ball direkt neben ihm einschlug: ein Finale 11, getreten vom Spanier Sergio Ramos im Halbfinale der Champions League.

FC BAYERN MÜNCHEN - VC VALENCIA

Prima Fehlschuss: Mehmet Scholl scheitert an Santiago Canizares.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Der Telstar Durlast war übrigens von Uli Hoeneß einst zum Mond gejagt worden - und es ist erstaunlich, welche Mythen und Weisheiten sich daraus entwickelt haben: 1.) Uli Hoeneß ist noch vor Gerd Müller der schlechteste Elfmeterschütze in der Geschichte des FC Bayern. 2.) Ein deutscher Fußballer kann einen Elfmeter verschießen. 3.) Eine deutsche Mannschaft kann ein Elfmeterschießen verlieren.

Natürlich sind alle drei Behauptungen falsch.

Der Elfmeter spielt natürlich eine gewichtige Rolle in der Geschichte des FC Bayern - und es wäre nicht verwunderlich, wenn am Samstag beim Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea ein weiteres Kapitel hinzukommen würde.

Denn während die Briten - ja wirklich, die Briten - vollmundig angekündigt haben, sich auf ein Elfmeterschießen vorbereitet zu haben (Trainer Roberto di Matteo: "Wir haben es simuliert, so gut es geht."), vertraut man beim FC Bayern offensichtlich der erfolgreichen Strategie des Halbfinales: Während des Spiels schnappt sich Arjen Robben den Ball, vor einem möglichen Elfmeterschießen sucht sich Jupp Heynckes spontan fünf Schützen.

Ähnlich war es auch beim Finale 2001, das der FC Bayern gegen den FC Valencia im Elfmeterschießen gewann. Während der regulären Spielzeit verschoss Mehmet Scholl, weshalb der Dribbler seitdem als schrecklicher Schütze gilt. Das stimmt allerdings ebenso wenig wie die Behauptungen über Hoeneß. Scholl nämlich traf alle Elfmeter, die er jemals in der Bundesliga für den FC Bayern schoss - und dass er im Finale nicht traf, hält Scholl mittlerweile für eine prima Sache, wie er in der Radiosendung Zündfunk auf Bayern2 erklärte.

"Die beiden Helden damals waren Kahn und Effenberg, und das auch zurecht. Ich bin angelaufen und habe den Elfmeter verschossen", sagte Scholl kürzlich im Interview, "hätte ich ihn reingeschossen, hätte ich den zweiten Elfmeter auch geschossen - den hätte ich wahrscheinlich auch reingeschossen. Dann wären nicht die beiden die Helden gewesen sondern ich - und mein Leben wäre im Eimer gewesen. Andersrum ist Olli Kahn zum Superstar mutiert. Und wenn wir's genau überlegen, dann wäre Olli Kahn heute noch mit seiner Frau zusammen."

Franz Beckenbauer, schlechter Elferschütze

Den zweiten Elfmeter schoss damals Stefan Effenberg - und der gilt seitdem als nervenstarker Anführer. Dabei hat Effenberg die zweitschlechteste Quote aller FC-Bayern-Spieler, die mehr als zehn Elfmeter für den Verein geschossen haben. Effenberg hat gerade einmal 76,47 Prozent (13 von 17) verwandelt, nur Olaf Thon schaffte mit 64,29 Prozent (neun von 14) eine noch schlechtere Quote.

Bayern - Chelsea: Die Aufstellungen

Damit sind natürlich auch die anderen beiden Volksweisheiten entkräftet: Gerd Müller ist mitnichten der schlechteste Schütze in der Geschichte des FC Bayern. Ganz im Gegenteil. Freilich verschoss Müller zwölf Bundesliga-Strafstöße - darunter alle drei Versuche in der Saison 1971/72 -, doch er traf auch 51 Mal. Von den regelmäßigen Schützen können nur Paul Breitner (27 von 33 - 81,82 Prozent) und Lothar Matthäus (27 von 29 - 93,1 Prozent) auf eine bessere Quote verweisen.

Uli Hoeneß traf übrigens 100 Prozent seiner Bundesliga-Elfmeter für den FC Bayern. Er schoss aber auch nur einen, nämlich den zum 5:0-Endstand beim Spiel in Hamburg am 4. Mai 1974.

Der geneigte Freund des Strafstoßes mag nun freilich anmerken, wo in dieser Statistik Franz Beckenbauer auftaucht - jener unfehlbare Fußballer, der nach Arjen Robbens Fehlschuss in Dortmund gewettert hatte: "Bei mir als Trainer hätte Robben nicht geschossen. Es ist Gesetz im Fußball, dass der Gefoulte nicht schießt, aber vielleicht ist das Gesetz geändert worden oder noch nicht bis nach Holland durchgedrungen."

Machen wir es kurz: Beckenbauer schoss sechs Elfmeter für den FC Bayern- nur drei Mal traf er.

Der FC Bayern darf sich dennoch nicht darauf verlassen, bei einem möglichen Elfmeterschießen gegen den britischen Verein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Zum einen haben die Münchner in dieser Saison gerade einmal vier von sieben Elfmetern in der Champions League verwandelt - zum anderen ist beim FC Chelsea John Terry gesperrt.

Der hatte vor vier Jahren einen Elfmeter im Finale gegen Manchester United an den Pfosten gedroschen. Der Ball hieß Finale 8 und er soll heute wohlbehütet im Trophäenschrank von United liegen.

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