FC Bayern:Ulreich hat genug gewartet

Dinamo Zagreb - FC Bayern München

Ein seltenes Bild: der Münchner Ersatztorhüter Sven Ulreich in Aktion. Trotzdem bleibt er wohl auch in der kommenden Saison bei den Bayern.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Bayerns Ersatztorwart Sven Ulreich dürfte gegen den FC Augsburg sein erstes Bundesligaspiel in der laufenden Saison absolvieren - er vertritt den verletzten Manuel Neuer.
  • Bei Ulreich scheint ein Sinneswandel einzusetzen - weil er häufiger spielen will, denkt er über einen Wechsel im Sommer nach.
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Von Johannes Kirchmeier

Natürlich hatte auch der Fußballtorwart Sven Ulreich einmal diesen großen Traum, der deutsche Fußballer jeden Morgen aus ihren Betten auf die Grünflächen dieses Landes zieht. Ende 2011 sprach er ihn nach einem gewonnen Pokalspiel aus: Sein Traum sei es, "für die Nationalmannschaft zu spielen."

Damals, vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine, war auf der Position hinter Manuel Neuer ja eine gewisse Vakanz entstanden. Nicht wenige trauten dem Schwaben Ulreich zu, die Lücke füllen zu können. Doch der Badener Joachim Löw, damals wie heute Bundestrainer, gab nicht ihm einen Kaderplatz, sondern, man mag es inzwischen kaum mehr glauben, dem heutigen Teilzeit-Wrestler und Hobbyfußballtorwart beim SSV Dillingen, Tim Wiese. Ron-Robert Zieler fuhr als Nummer drei zur EM.

Nun, als 28-Jähriger, ist Ulreich, der immerhin fürs deutsche U21-Team drei Spiele absolvierte, dem Nationaltorhüter so nah wie kein anderer Kollege. Das mag eine gute Nachricht sein. In den Trainingseinheiten und vor Spielen klatscht er nach seinen immer noch erstaunlichen Paraden mit Neuer ab. Er hat es vor anderthalb Jahren geschafft, die vakante Position hinter Neuer zu füllen - dummerweise jedoch nicht die im Nationalteam, sondern die beim FC Bayern München.

"Wir haben vollstes Vertrauen in ihn"

Ulreich ist seit anderthalb Jahren der Mann, der Neuer immer dann ersetzt, wenn der sich mal nicht zwischen die Torpfosten stellen mag, was nahezu nie der Fall ist, oder wenn Neuer mal verletzt ist, was eigentlich noch seltener der Fall ist. Neuers Stellvertreter zu sein, heißt vor allem, ein ewig Wartender zu sein, der die Beschaffenheit der Auswechselbänke, nicht aber die der Fußballplätze Deutschlands, testen darf. Ulreichs Vorgänger, der Spanier Pepe Reina, verließ den Verein daher nach einem Jahr schon wieder und wechselte zurück nach Neapel, wo er seitdem Stammtorhüter ist.

Nach einer Trainingsverletzung in dieser Woche wurde Neuer jedoch am Fuß operiert, es tritt der seltene Fall ein, dass er pausieren muss. Und Ulreich ist also wieder gefragt, erst einmal an diesem Samstag im bayerischen Derby gegen den FC Augsburg (15.30 Uhr) in der Münchner Arena und dann aller Voraussicht nach am Dienstag bei der TSG Hoffenheim. "Er hat diese Saison nicht viele Spiele gespielt", sagte Trainer Carlo Ancelotti am Freitag. "Nicht viele Spiele" ist in der Tat sehr vornehm ausgedrückt. Ein Pflichtspiel, sein viertes für den FCB, absolvierte Ulreich in dieser Saison. In der Champions League stand er bei der 2:3-Niederlage im November in Rostow im Tor. "Aber er ist in guter Verfassung", fügte Ancelotti noch an. "Wir haben vollstes Vertrauen in ihn."

Wie groß das Vertrauen am Ende aber wirklich ist, unterstrich Ancelotti zuvor mit seiner Aussage über den verletzten Stammtorwart Neuer: "Wir hoffen, dass er gegen Borussia Dortmund oder Real Madrid bereit ist." Die großen Spiele sollen dann wieder die des Münchner Torhüters von Weltruf sein, und nicht die des "Torhüterles" aus dem schwäbischen Schorndorf. Als Ulreich in der vergangenen Saison diese Situation annahm, als er vom VfB Stuttgart nach München wechselte, konnten viele Beobachter seinen Schritt nicht nachvollziehen.

Eine Rückkehr zum VfB Stuttgart kommt für Ulreich in Frage

Was bringt einen Stammtorhüter in der Bundesliga, noch dazu mit Mitte 20, dazu, sich aus freien Stücken zum Bankmann zu degradieren? Danach nahm ihn der FC Bayern auch noch die abgesprochene Rückennummer 23 ab und druckte sie fortan auf Arturo Vidals Leibchen. Vertrauen vom Arbeitgeber fühlt sich als Zugang anders an. Das dürfte jedoch auch nicht der Hauptgrund gewesen sein, warum er nach München gewechselt ist.

Bevor er zum FC Bayern kam, war der Gewinn der A-Jugendmeisterschaft 2005 sein größter Erfolg, nun darf er in seinem Lebenslauf vermerken: "Deutscher Meister und Pokalsieger 2016" (und vermutlich auch noch 2017). Sein Gehalt ist dem Vernehmen auch in einem ähnlichen Rahmen wie zuvor in Stuttgart, er hat zudem seine ersten beiden Spiele in der Champions League absolviert. Außerdem habe er als Ersatzmann viel von Neuer gelernt, findet Ulreich. Der Ulreich beim FC Bayern, der mehr zuschaut als spielt, sei mittlerweile ein besserer als der zuvor beim VfB. "Zu Stuttgarter Zeiten bin ich verbissener ins Spiel gegangen, verkrampfter. Ich war da oft nervöser, als ich hätte sein sollen."

Und so verwundert es nicht, dass bei Ulreich langsam wieder ein Sinneswandel einsetzt. Der ewig wartende will wieder ein spielender Torwart werden: "Wenn es die Möglichkeit gibt, im Sommer wieder regelmäßig bei einem Verein zu spielen, dann mache ich mir Gedanken", sagte er dem kicker, obwohl er eigentlich bis 2018 gebunden ist. Eine Rückkehr zum VfB, der ihm "am Herzen" liege, käme für ihn dabei auch in Frage. "Irgendwann möchte man wieder zeigen, was man draufhat." Das darf er nun erst einmal auch gegen Augsburg. Sven Ulreichs Berufsbezeichnung ist halt doch immer noch Fußballtorwart und nicht Stellvertreter eines Torwarts.

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