Natürlich hatte auch der Fußballtorwart Sven Ulreich einmal diesen großen Traum, der deutsche Fußballer jeden Morgen aus ihren Betten auf die Grünflächen dieses Landes zieht. Ende 2011 sprach er ihn nach einem gewonnen Pokalspiel aus: Sein Traum sei es, "für die Nationalmannschaft zu spielen."
Damals, vor der EM 2012 in Polen und der Ukraine, war auf der Position hinter Manuel Neuer ja eine gewisse Vakanz entstanden. Nicht wenige trauten dem Schwaben Ulreich zu, die Lücke füllen zu können. Doch der Badener Joachim Löw, damals wie heute Bundestrainer, gab nicht ihm einen Kaderplatz, sondern, man mag es inzwischen kaum mehr glauben, dem heutigen Teilzeit-Wrestler und Hobbyfußballtorwart beim SSV Dillingen, Tim Wiese. Ron-Robert Zieler fuhr als Nummer drei zur EM.
Nun, als 28-Jähriger, ist Ulreich, der immerhin fürs deutsche U21-Team drei Spiele absolvierte, dem Nationaltorhüter so nah wie kein anderer Kollege. Das mag eine gute Nachricht sein. In den Trainingseinheiten und vor Spielen klatscht er nach seinen immer noch erstaunlichen Paraden mit Neuer ab. Er hat es vor anderthalb Jahren geschafft, die vakante Position hinter Neuer zu füllen - dummerweise jedoch nicht die im Nationalteam, sondern die beim FC Bayern München.
"Wir haben vollstes Vertrauen in ihn"
Ulreich ist seit anderthalb Jahren der Mann, der Neuer immer dann ersetzt, wenn der sich mal nicht zwischen die Torpfosten stellen mag, was nahezu nie der Fall ist, oder wenn Neuer mal verletzt ist, was eigentlich noch seltener der Fall ist. Neuers Stellvertreter zu sein, heißt vor allem, ein ewig Wartender zu sein, der die Beschaffenheit der Auswechselbänke, nicht aber die der Fußballplätze Deutschlands, testen darf. Ulreichs Vorgänger, der Spanier Pepe Reina, verließ den Verein daher nach einem Jahr schon wieder und wechselte zurück nach Neapel, wo er seitdem Stammtorhüter ist.
Nach einer Trainingsverletzung in dieser Woche wurde Neuer jedoch am Fuß operiert, es tritt der seltene Fall ein, dass er pausieren muss. Und Ulreich ist also wieder gefragt, erst einmal an diesem Samstag im bayerischen Derby gegen den FC Augsburg (15.30 Uhr) in der Münchner Arena und dann aller Voraussicht nach am Dienstag bei der TSG Hoffenheim. "Er hat diese Saison nicht viele Spiele gespielt", sagte Trainer Carlo Ancelotti am Freitag. "Nicht viele Spiele" ist in der Tat sehr vornehm ausgedrückt. Ein Pflichtspiel, sein viertes für den FCB, absolvierte Ulreich in dieser Saison. In der Champions League stand er bei der 2:3-Niederlage im November in Rostow im Tor. "Aber er ist in guter Verfassung", fügte Ancelotti noch an. "Wir haben vollstes Vertrauen in ihn."
Wie groß das Vertrauen am Ende aber wirklich ist, unterstrich Ancelotti zuvor mit seiner Aussage über den verletzten Stammtorwart Neuer: "Wir hoffen, dass er gegen Borussia Dortmund oder Real Madrid bereit ist." Die großen Spiele sollen dann wieder die des Münchner Torhüters von Weltruf sein, und nicht die des "Torhüterles" aus dem schwäbischen Schorndorf. Als Ulreich in der vergangenen Saison diese Situation annahm, als er vom VfB Stuttgart nach München wechselte, konnten viele Beobachter seinen Schritt nicht nachvollziehen.