Verliehene Profis des FC Bayern:Zu wenig Platz für zu viele Talente

FC Bayern München: Joshua Zirkzee bejubelt ein Tor

Ein L für Leihe? Joshua Zirkzee, hier beim Jubel nach einem Bundesligator in der vergangenen Saison, wechselt nach Italien.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Am letzten Tag der Winter-Transferperiode verleiht der FC Bayern Stürmer Joshua Zirkzee und Verteidiger Chris Richards - sie sind nicht die einzigen Münchner, die sich anderswo versuchen.

Von Sebastian Fischer

Die Geschichte von Joshua Zirkzee beim FC Bayern, die noch vor kurzem eine beinahe ausschließlich verheißungsvolle war, könnte theoretisch mit einem Tritt zu Ende gegangen sein. Anfang Januar spielte der Stürmer in der dritten Liga für die zweite Mannschaft im Derby gegen den TSV 1860, bei einer Grätsche traf er den gegnerischen Torwart Marco Hiller im Gesicht, sah die rote Karte und wurde für drei Spiele gesperrt. Danach war er nicht mehr im Einsatz, bis ihn die Bayern am Montag, dem letzten Tag der Winter-Transferperiode, zum FC Parma in die Serie A verliehen - inklusive Kaufoption für die Italiener.

"Wir hoffen, dass er viele Tore schießt. Er war bei uns nicht zufrieden", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bei Sky. "Das war im letzten Jahr anders. Da hat er einen wichtigen Beitrag geleistet, dass wir deutscher Meister geworden sind."

Der Niederländer Zirkzee, 19, galt in der vergangenen Saison tatsächlich als ein Angreifer, der in den seltenen Momenten einspringen könnte, in denen Robert Lewandowski eine Pause braucht. Vier Bundesliga-Tore trug er zum Titel bei, zwei davon Ende 2019 in seinen ersten acht Minuten bei den Profis. Im Oktober 2020 kam dann aber der erfahrene Eric Maxim Choupo-Moting als Lewandowski-Backup. Und Trainer Hansi Flick sagte über Zirkzee, der sei ein "großes Talent" - "aber Talent alleine reicht nicht immer". Es gehe auch um "die Mentalität, die Einstellung, den unbedingten Willen".

Seitdem galt Zirkzee in der Öffentlichkeit als begabter Fußballer unter dem Verdacht, sich manchmal etwas zu schnell zufrieden zu geben. Vielleicht war die Grätsche vor dem Platzverweis gegen 1860 auch Ausdruck seiner Motivation, das Gegenteil zu beweisen. Flick hatte zuvor jedenfalls gefordert, Zirkzee müsse sich bei der U23 zeigen. In der ersten Mannschaft bekam er die Gelegenheit immer seltener. Nur in drei Bundesligaspielen stand er seit dem Sommer auf dem Platz.

Häufiger hat auch der Verteidiger Chris Richards, 20, in der Hinrunde in der Liga nicht gespielt. Auch ihn hat der FC Bayern am letzten Tag der Winter-Transferperiode verliehen, zur TSG Hoffenheim. Anders als Zirkzee hat der US-Amerikaner in den vergangenen Monaten aber für sich geworben, unter anderem auch mit einem passablen Einsatz von Beginn an gegen Hertha BSC. Von einer Kaufoption ist in seinem Fall nicht die Rede.

Gemeinsam hat er allerdings mit Zirkzee, dass für beide der Schritt von der Drittligamannschaft ohne Umweg in den Kader des Triple-Siegers etwas zu groß war. Und damit sind sie inzwischen in ziemlich zahlreicher Gesellschaft.

Ebenfalls in dieser Transferperiode ging Mittelfeldspieler Leon Dajaku aus Bayerns zweiter Mannschaft zur Leihe zu Union Berlin. Schon länger ausgeliehen sind Torwart Christian Früchtl (1. FC Nürnberg), Innenverteidiger Lars Lukas Mai (Darmstadt 98) sowie die Mittelfeldspieler Adrian Fein (PSV Eindhoven), Mickael Cuisance (Olympique Marseille) und Olivier Batista-Meier (SC Heerenveen). Mittelfeldspieler Sarpreet Singh ist aus Nürnberg gerade vorzeitig zurückgekehrt, weil er sich nicht durchsetzen konnte.

Ausleihen klappten bei Alaba und Kroos

Nun ist diese Strategie einerseits plausibel und bereits erfolgserprobt; Leihen von David Alaba (nach Hoffenheim) oder Toni Kroos (zu Bayer Leverkusen) zu Beginn ihrer Karrieren lohnten sich bekanntlich für alle Beteiligten. Andererseits deuten viele Leihen auch auf ein ausgesprochen luxuriöses Problem hin: Der Klub bildet talentierte Fußballer aus oder zumindest weiter, kann ihnen aber nicht unbedingt einen Platz anbieten.

Ungünstig ist das zuletzt im Fall des defensiven Mittelfeldspielers Angelo Stiller gelaufen. Der 19-Jährige wechselt im nächsten Sommer wie Richards nach Hoffenheim zu Trainer Sebastian Hoeneß, seinem früheren Coach bei Bayerns zweiter Mannschaft. Allerdings geht Stiller nicht zur Leihe, sondern ablösefrei. Bei einem Fußballer, der seit elf Jahren im Verein ist und als unangefochtener Stammspieler in der dritten Liga überzeugt, kann man das aus Münchner Sicht durchaus für eine bedauerliche Entwicklung halten.

Stiller hätte ein Spieler sein können, der es aus der eigenen Jugend zu den Profis des FC Bayern schafft - und damit ein Erfolgsbeispiel für die Arbeit am 2017 eröffneten, "Campus" genannten Nachwuchsleistungszentrum. Im Bayern-Kader für die anstehende Klub-WM in Katar steht in Jamal Musiala, 17, zwar ein Spieler von diesem Campus. Allerdings kam er erst im Sommer 2019 aus der Jugend des FC Chelsea.

Auch Zirkzee spielte zunächst in der Bayern-Jugend, 2017 kam er aus dem Nachwuchs von Feyenoord Rotterdam. Für die Münchner U17 schoss er in 16 Ligaspielen 15 Tore, zwölfmal in 14 Spielen traf er für die U19. Und es ist natürlich weiterhin möglich, dass seine verheißungsvolle Geschichte doch noch in München weitergeht. Parmas Kaufoption ist mit 15 Millionen Euro sehr hoch. Außerdem ist sie offenbar nur im Falle des Klassenverbleibs gültig. Und gerade ist Parma Vorletzter.

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