FC-Bayern-Trainer Guardiola:Vier Tage entscheiden über eine Saison

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Der eine geht, der andere bleibt - zumindest bis 2016 - beim FC Bayern München: Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt (links) und Trainer Pep Guardiola.

(Foto: imago/Ulmer)
  • Nach der Kündigung von Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt nimmt sich der Trainer des FC Bayern, Pep Guardiola, selbst in die Verantwortung.
  • Die nächsten Spiele - am Wochenende gegen Hoffenheim, vor allem aber am Dienstag gegen Porto - können über die Lesart seiner zweiten Saison in München entscheiden.
  • Mit einer aufgewühlten Rede macht Guardiola klar, dass es jetzt nur noch um ihn geht, um seine Taktik, um seine Ideen vom Spiel.

Von Thomas Kistner und Benedikt Warmbrunn

Auch an diesem Tag, an dem irgendwie jede Nachricht über den FC Bayern in Großbuchstaben daher kam, gab es ein paar kleine Meldungen, sie sind fast durchgerutscht bei all dem Trubel. Bei den Großbuchstaben ging es um Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, um Pep Guardiola, um das Champions-League-Rückspiel am Dienstag gegen den FC Porto, es ging um Eitelkeiten, um Ruhm, um Ehre. Bei den kleingedruckten Nachrichten ging es um Hoffenheim.

Aufregung herrschte am Freitagvormittag auf dem Vereinsgelände des FC Bayern. Im dichten Regen sagten die Fernsehmänner die großen Nachrichten durch: Dass Müller-Wohlfahrt am Donnerstagabend sein Amt als Mannschaftsarzt niedergelegt habe. Dass ein Machtkampf eskaliert sei, zwischen Müller-Wohlfahrt, dem Doktor und Guardiola, dem Trainer.

Wieviel Pep steckt im FC Bayern?

Um zwölf Uhr tritt Guardiola vor die Presse, der Termin stand lange fest, bis zum frühen Donnerstagabend waren alle davon ausgegangen, dass es um die 1:3-Niederlage in Porto gehen würde, um die Verletztensituation, vielleicht sogar um das Auswärtsspiel an diesem Wochenende bei der TSG Hoffenheim.

Dann aber war Müller-Wohlfahrt zurückgetreten; das Vertrauensverhältnis sei "beschädigt". Während im Klub helles Entsetzen ausbrach und selbst Wohlmeinende auf Distanz zum ewigen "Doc" gingen, dem sie nicht die Demission, wohl aber den Zeitpunkt als verkappte Boykottmaßnahme ankreiden, bekam der Termin mit Guardiola am Freitag eine neue Dimension. Es ging nun um die Frage, wie viel Pep im FC Bayern steckt. Und was er mit dieser neuen Macht anstellen wird.

Ein Nachfolger wird gesucht

Es ist eine undurchsichtige Gemengelage, die zu Müller-Wohlfahrts Kündigung geführt hat. Waren es Schuldzuweisungen nach dem Porto-Spiel in der Kabine? War es eine Diagnose zu Franck Ribéry, der am Donnerstag erfahren musste, dass er seine im gesamten Verein ersehnte Rückkehr doch noch länger verschieben muss? Oder war es eine Entwicklung, in der sich der FC Bayern immer stärker auf die Seite seines Trainers stellte?

Müller-Wohlfahrt hat seine Entscheidung bisher nicht näher erklärt; das könne sich aber ändern "in den nächsten Tagen", lässt er aus seiner Praxis mitteilen.

In vier Tagen wird sich womöglich die Lesart von Guardiolas zweiter Saison in München entscheiden. Verliert er mit diesem Gerippe einer Elf in Hoffenheim, kann er zwar weiter Meister werden. Gewinnt er aber am Dienstag gegen Porto nicht so hoch, dass das Team das Halbfinale erreichen kann, dann bleibt nur ein Verantwortlicher übrig: Pep Guardiola. So hat das der Trainer selbst zumindest am Freitag gesagt.

Guardiola hat da in seiner ganz eigenen Art kokettiert, aber er wollte schon, dass diese eine Botschaft bleibt. "Wenn wir verlieren", das sagte er mehrmals am Freitag, "dann ist der Trainer verantwortlich. Dann die Spieler." Ausdrücklich nicht genannt hat er: den Doktor.

Guardiola will "nächstes Jahr hier bleiben"

Guardiola hat sich mit seiner aufgewühlten Rede keine andere Wahl gelassen, als dass es jetzt nur noch um ihn geht, um seine Taktik, um seine Ideen vom Spiel - und davon, wann und wie schnell ein Spieler fit sein muss. Der Trainer hat aber auch deutlich gemacht, dass ein Rücktritt für ihn keine Option sei, egal wie die Partie gegen Porto ausgeht. "Es war eine wichtige Entscheidung, zu diesem Verein und zu diesen Spielern zu kommen", sagt Guardiola. Dann sagt er, und dabei fasst er sich an die Nase: "Ich will nächstes Jahr hier bleiben."

Eine wichtige Nachricht. Betrifft sie doch auch die Suche nach dem neuen Doktor. Vorübergehend wird Volker Braun, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Sportarzt, den Kader betreuen. Bisher war er für die U23 zuständig, er passt zumindest in einem Punkt perfekt in Guardiolas Doktorenprofil: Er hat eine Praxis am Trainingsgelände an der Säbener Straße. Den Trainer hatte es gestört, dass Spieler 20 Minuten lang in die Innenstadt fahren mussten, um sich von Müller-Wohlfahrt untersuchen zu lassen. Eine langfristige Lösung solle "zeitnah" gefunden werden, teilte der FC Bayern mit.

Lahm fällt gegen Hoffenheim aus

Mit dem eigentlichen Nachfolger wird der FC Bayern sich auch in einer medizinischen Philosophiedebatte positionieren müssen: in der Frage, wann ein Spieler wieder fit ist. Müller-Wohlfahrt hatte einen eher konservativen Ansatz, Guardiola ist es aus seiner Zeit beim FC Barcelona gewohnt, dass bis kurz vor dem Anpfiff alles unternommen wird, um einen Spieler gesund zu machen. Gesund - das heißt im Spitzenfußball: fit für 90 Minuten.

Elf Spieler, dreizehn Patienten

Die lange Verletztenliste des FC Bayern München

Am Samstag um 15.30 Uhr steht in Hoffenheim für den FC Bayern das nächste Spiel an. Vor der Bundesliga-Partie ist die Verletztenliste lang. Auch zum Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League am kommenden Dienstag gegen den FC Porto dürfte es noch keine Entspannung geben. In der Partie in München muss der FC Bayern ein 1:3 wettmachen, um weiterzukommen.

Aktuell verletzt: Arjen Robben (Bauchmuskelriss, bisher letztes Pflicht-Spiel für den FC Bayern am 22.3.) Franck Ribéry (Knöchelprobleme, 11.3.) Medhi Benatia (Muskelfaserriss, 8.4.) Javi Martínez (Kreuzbandriss, 13.8.2014) David Alaba (Innenbandriss, 22.3.) Bastian Schweinsteiger (Virusinfekt, 4.4.) Philipp Lahm (Magen-Darm-Infekt, 15.4.) Tom Starke (Außenbandriss Sprunggelenk)

Angeschlagen: Holger Badstuber (15.4.) Claudio Pizarro (14.2.)

Angeschlagen, aber in Hoffenheim dabei: Mario Götze (15.4.) Xabi Alonso (15.4.)

In diesem Spannungsfeld wird sich der neue Arzt bewegen, als Nachfolger einer Klubikone, die - abgesehen vom langjährigen Manager und Präsidenten Uli Hoeneß - die größte Vertrauensperson des Vereins war.

Zum Kreis der Vertrauenspersonen zählen naturgemäß auch einige der teilweise seit Dekaden im Klub tätigen Betreuer, Physiologen, Masseure. Zu den wichtigsten hatte auch Müller-Wohlfahrt enge Beziehungen unterhalten.

Erste Namen für die Nachfolge werden schon am Freitagmorgen genannt, viele Ärzte aus dem Spitzensport melden sich beim FC Bayern. Häufig erwähnt wird Erich Rembeck, ein Münchner Orthopäde, der unter anderem den TSV 1860 betreut hat. Definitiv nicht bewerben wird sich Jochen Hahne, Arzt der Bayern-Basketballer. Hahne arbeitet in der Praxis von Müller-Wohlfahrt, anders als seine drei Kollegen beim FC Bayern hat er das Schreiben vom Donnerstag nicht unterzeichnet. Er findet, dass seine Aufgabe getrennt werden müsse - seine Zuständigkeit soll bei den Basketballern bleiben.

Aber wird in einer möglichen dritten Guardiola-Saison nicht auch der Coach selbst mitreden wollen bei dieser Frage? Dann ist da die Frage nach den Verletzten, es sind an diesem Tag die Antworten im Kleingedruckten. Philipp Lahm fällt in Hoffenheim mit einem Magen-Darm-Infekt aus. Bastian Schweinsteiger wird nicht spielen, auch Ribéry nicht. Dafür stehen Xabi Alonso und Mario Götze im Kader, obwohl sie gegen Porto Schläge auf die Knochen abbekommen hatten. All die Fragen nach den Verletzten beantwortet Guardiola mit kurzen Sätzen. Früher hatte er noch gerne gesagt, dass er nicht wisse, wann der Spieler fit sei. Und dass der Doktor befragt werden müsse.

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