Süddeutsche Zeitung

Thomas Müller beim FC Bayern:Jetzt offiziell Ersatzspieler

Aus dem Stadion von Lisa Sonnabend

Thomas Müller hatte es eilig. Kaum eine Viertelstunde nach Abpfiff verließ er als erster Bayern-Spieler das Stadion. Gewöhnlich plaudert der 30-Jährige gerne, doch diesmal sagte er lediglich zu den Reportern: "Nothing to say, wie der Engländer sagt." Es war ein kurzer Auftritt - wie schon zuvor auf dem Platz bei der 1:2-Niederlage gegen die TSG Hoffenheim.

Wieder hatte Trainer Niko Kovac am Samstagnachmittag Müller keinen Startelf-Einsatz gegönnt, stattdessen hatte er vor Beginn seinem Spieler am Fernsehmikrofon noch ein paar Worte mitgegeben: "Thomas ist sehr wichtig, aber die anderen Spieler auch", sagte Kovac. Und schob noch hinterher: "Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen." Müller war nun offiziell zum Ersatzspieler degradiert worden. Zum fünften Mal in Serie nahm er am Samstag auf der Bank Platz, in den vergangenen vier Partien hatte er insgesamt lediglich 36 Minuten spielen dürfen. Seit Philippe Coutinho zu Saisonbeginn zu den Bayern gestoßen ist und schon bald überzeugt hat, sieht Kovac für Müller nur noch die Rolle des Reservisten vor.

In der Partie gegen Hoffenheim herrschte dann allerdings bald akute Not. Nachdem die Bayern in Rückstand geraten waren, wurde Müller in der 60. Minute für den unscheinbar gebliebenen Kingsley Coman eingewechselt. Die Folge? Das Bayernspiel wurde gefährlicher. Das lag an der Umstellung von einer Vierer- auf eine Dreier-Abwehrkette, aber auch erheblich an dem von Kovac so oft ignorierten Müller. Dem Angreifer gelangen mehrere feine, gefährliche Zuspiele, ehe er dann Robert Lewandowski eine zielgenaue Flanke auf den Kopf servierte, so dass dieser nur noch zum zwischenzeitlichen 1:1 einköpfen musste. Müller jubelte trotzig. Dass die Partie trotzdem verloren ging, war nicht mehr die Schuld der nun emsigen Bayern-Offensivkräfte.

Nach Abpfiff drängte sich die Frage auf, ob es die richtige Entscheidung von Kovac gewesen war, die gleiche Elf aufs Feld zu schicken wie beim kräftezehrenden 7:2-Erfolg gegen Tottenham Hotspur am Dienstag. Müller lieferte mit seinem Kurzauftritt durchaus Argumente dagegen. Die meisten Spieler wollten sich nach der Partie zu dieser Frage nicht äußern, die meisten sagten noch weniger als der schnell abgerauschte Müller: nämlich gar nichts.

Müller fügt sich klaglos seinem Schicksal als Nebendarsteller

Sportdirektor Hasan Salihamidzic gab sich in der Causa Müller bemüht ausgewogen: "Ich kann es verstehen, wenn Spieler, die nicht spielen, unzufrieden sind", sagte er. "Man muss aber auch den Trainer verstehen, der eine Mannschaft sucht, die sich einspielen soll." Kovac meinte auf der Pressekonferenz nach Müllers achtbarer Vorstellung etwas diplomatischer als vor dem Anpfiff: "Thomas macht seine Sache sehr gut, wenn er auf den Platz kommt." Er ergänzte noch schwammig wie ein Wahrsager auf dem Jahrmarkt: "Mal sehen, was die Saison bringt."

Müller fügte sich in den vergangenen Tagen klaglos seinem Schicksal als Nebendarsteller. In der vergangenen Saison war der Angreifer, der damals sportlich schwierige Zeiten durchlief, noch auf Konfrontation zum Trainer gegangen. Im November 2018 hatte ein Instragram-Post seiner Ehefrau Lisa sogar für einen Eklat im Verein gesorgt, als diese, nachdem Müller eingewechselt worden war, in Richtung Kovac schrieb: "Mehr als 70 Minuten bis der mal nen Geistesblitz hat." Danach war eine öffentliche Entschuldigung fällig.

Seitdem äußerte sich Lisa Müller nicht mehr zur Aufstellung der Bayern, in den vergangen Tagen veröffentlichte sie lediglich Bilder von ihren Dressurpferden und vom Oktoberfest. Auch ihr Ehemann übt öffentlich keine Kritik, lobte stattdessen die 7:2-Mannschaft am Dienstag in den sozialen Medien ausgiebig. Als er am Samstag schnellen Schrittes das Stadion verließ, war zu spüren, dass er trotz seiner Torvorlage eines ganz und gar nicht war: zufrieden.

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