FC Bayern in der Einzelkritik:Kimmichs unsportlicher Blackout

Der Verteidiger tritt Jadon Sancho auf den Fuß, Neuer mimt lange die grüne Wand vor der gelben Wand - und Boateng gerät in den Schleudergang. Der FC Bayern beim 0:2 gegen Dortmund in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider, Dortmund

Manuel Neuer

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(Foto: AP)

Wahrscheinlich ist es ein neuer Rekord, schon in der 50. Pflichtspielsekunde der Saison die erste Weltklasse-Parade zu zeigen. Riss die linke Faust nach oben und verhinderte, dass der gerade als Fußballer des Jahres ausgezeichnete Reus nach einem Süle-Patzer aus kurzer Distanz zum 1:0 traf. Lief in der 15. Minute plötzlich zur Mittellinie, weil Paco Alacer dort den Ball hatte. Das sah auf den ersten Blick schlicht wahnsinnig aus, aber Neuer zwang Alcacer zum Torschuss - und der Ball trudelte am Tor vorbei. Manu, der Libero war zurück. Hielt kurz danach einen scharfen Raphael-Guerreiro-Schuss mit dem linken Fuß. Wurde in der ersten Halbzeit zur grünen Wand vor der gelben Wand und ist in der Form der ersten 45 Minuten wieder der alte unbezwingbare Gegner. Beim Dortmunder 1:0 übrigens auch für seine eigenen Vorderleute ein Gegner, so laut schimpfte er über die nachlässige Verteidigung. War er am ersten Tor schuldlos, könnte man beim 2:0 zumindest mal fragen, ob er die Beine nicht zubekommt.

Joshua Kimmich

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(Foto: AP)

Hätte Rot sehen müssen. Trat Jadon Sancho in der 76. Minute auf den Knöchel, weil er den Ball zum Einwurf haben wollte. Eine Tätlichkeit, ein glasklarer Platzverweis. Warum Schiedsrichter und Videoschiedsrichter das anders sahen, wird zu klären sein. Dass Kimmich sich danach auch noch ernsthaft beschwerte, machte die Sache noch unverständlicher. Ein unsportlicher Blackout. Versaute sich durch die Aktion seine ansonsten gute Leistung. Forderte die Bälle, lief seine Meter - aber musste dann feststellen, dass mit Thomas Müller auf der Seite kein richtiges Flügelspiel zu machen ist. Ihm blieb oft nur der Pass zu Thiago. Es heißt, er wolle immer mal wieder im Zentrum spielen. Muss er nicht, er läuft dort eh schon rum, auch wenn er nominell Außenverteidiger ist. Wollte in der 67. Minute mit dem Kopf durch die Wand - also wörtlich - und dribbelte einfach zentral durch die Dortmunder Abwehr. Scheiterte erst an Marwin Hitz.

Jérôme Boateng

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(Foto: AFP)

Saß bei der Meisterfeier alleine mit seinen Töchtern auf dem Podium, während seine Teamkollegen sich weißbierduschten, erhielt dann von Uli Hoeneß den Rat, sich einen neuen Verein zu suchen - es war also eher weniger absehbar, dass er im Supercup gegen Dortmund wieder in der Startelf stehen würde. Bekommt gerade aber wortgewaltige Unterstützung aus der eigenen Mannschaft von Thomas Müller, Manuel Neuer und - wie man hört - auch vom neuen Co-Trainer Hansi Flick, der ja auch dank Boateng Weltmeister-Co-Trainer ist. Im Gegensatz zu Neuer nicht wieder in Weltmeister-Form, leistete sich nach vorne vor Alcácers Riesen-Chance in der 15. Minute einen recht haarsträubenden Fehlpass. Wirkte auch bei anderen Spieleröffnungen unsicher, dabei ist das sonst seine große Stärke. Ließ sich vor dem 1:0 von Jadon Sancho nach links und nach rechts auswackeln und das einzige, was entlastend wirkt, ist die Tatsache, dass Sancho auch noch drei weitere Bayern-Spieler stehen ließ wie Trainingshütchen. Braucht nach diesem Schleudergang wohl trotzdem wortgewaltige Unterstützung.

Niklas Süle

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(Foto: AFP)

Ist der einzige Innenverteidiger des FC Bayern, der noch nie Weltmeister war - und hat seinen Stammplatz trotzdem am sichersten. Um diesen Status zu behalten, sollte er sich möglichst wenige solcher Trödeleien erlauben wie nach einer handvoll Sekunden, als ihm Alcácer den Ball stibitzte und der Weg für Guerreiro zu Neuer frei war. Wie Boateng in der Spieleröffnung nicht fehlerfrei und bei den ultraschallschnellen Dortmunder Kontern unsicher. Aber das geht wohl vielen Verteidigern auf der Welt so.

David Alaba

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(Foto: AFP)

Geht in die erste Saison ohne seinen "Bruder" Franck Ribéry, könnte aber bald mit diesem Spieler von Manchester City, von dem gerade vereinzelt zu lesen ist, die linke Seite runterwirbeln. In den ersten Minuten sehr aktiv und ganz oft am Ball, weil auf der anderen Seite kein Flügelspiel stattfand (siehe Kimmich/Müller). Knallte nach gut einer halben Stunde nach einem Kopfballduell mit Lukasz Piszczek ungebremst mit der Hüfte auf den Boden und musste lange behandelt werden. Bejamin Pavard, sein neuer Links-Verteidiger-Backup machte sich schon warm, doch Alaba konnte weitermachen. Ging in der 70. Minute, weil Trainer Kovac mit Renato Sanches nochmal Betrieb machen wollte.

Thiago

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(Foto: dpa)

Klingt wie "Dortmund spielt in Königsblau", aber es ist wahr: Thiago leitete nicht ein, nein, zwei Gegentore mit Fehlpässen ein. Wusste kurz nach Wiederanpfiff nicht wohin mit dem Ball (was auch quasi nie vorkommt) und spielte ihn zurück in die Dortmunder Füße. Ein Fehlpass von Thiago ist eigentlich wie der Supercup: Findet nur einmal im Jahr statt. Dachte man. Dann versuchte er in der 70. Minute in den gegnerischen Strafraum durchzustecken und blieb wieder hängen. Konter, Sancho, 2:0. Die Kamera zeigte ihn dann mal in Großaufnahme und er sah so aus, als könne er das selbst nicht fassen. Ausgerechnet die Passmaschine patzt beim Passen.

Corentin Tolisso

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(Foto: AFP)

Einzige kleine Überraschung in der Bayern-Startelf, weil Renato Sanches in den bisherigen Testkicks einen ganz guten Eindruck hinterlassen hatte. Sorgte nicht unbedingt dafür, dass ein Startelf-Einsatz von ihm keine Überraschung mehr ist. War zwar im Zentrum präsent, aber nicht prägend.

Leon Goretzka

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ging so motiviert in die Partie, als sei das hier der Supersuper-Cup. War vielleicht auch sauer, weil ihn Jadon Sancho in der 8. Minute auf einem Brinkhoff-Bierdeckel ausspielte, wie man in Dortmund sagt. Stürmte immer wieder energischst nach vorne, beteiligte sich wie kein Zweiter am Pressing, litt aber darunter, dass andere seinen Enthusiasmus im Nach-vorne-Ackern nicht teilten. Sprang in der 36. Minute Marwin Hitz mit dem Kopf in die Fäuste, weil er dachte, den Ball noch zu erreichen und musste sich wegen diesem übermotivierten Einsteigen mit der halben Dortmunder Abwehr anlegen - dabei war die Aktion halb so wild.

Thomas Müller

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(Foto: REUTERS)

Im Schach gibt es den Spruch: "Springer am Rand, des Spielers Schand" - weil man der Figur ihre Stärken nimmt, wenn sie sich nicht frei bewegen kann. So ist das auch bei Thomas Müller. Wenn er einen Flügelspieler vertreten muss, kann er nicht frei über das Feld springen, wie er das für seine Müller-Momente braucht. Blieb ohne entscheidende Aktion und ging in der 66. Minute für Alphonso Davies.

Kingsley Coman

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Verließ noch am Mittwoch die Arena in München mit einem bandagierten Knie, aber eine Schonung war offenbar nicht notwendig. Hatte die besten Chancen der ersten Hälfte, als er in der 23. Minute zweimal knapp an BVB-Torhüter Hitz scheiterte. Auch in der zweiten Hälfte mit einem Kopfball kurz vorm Treffer - wieder war Hitz da. Sorgte auch sonst auf der linken Seite für so viel Betrieb, dass Lukasz Piszczek sich seinen alten Lieblingsfeind Franck Ribéry zurückwünschte. Der wurde mit der Zeit nämlich immer langsamer, Coman ist noch nicht in dem Alter. Muss den Wettbewerb mit diesem Spieler von Manchester City, von dem gerade ab und an zu lesen ist, nicht scheuen.

Robert Lewandowski

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(Foto: AFP)

Völlig gebrauchter Tag für den Polen. Der Ball war ständig um ihn herum, aber fast nie bei ihm. Rieb sich in den Zweikämpfen mit Manuel Akanji und Ömer Toprak auf oder musste zugucken, wie Marwin Hitz einen Ball fängt. Reagierte in der 60. Minute zu spät, rutschte mit den Füßen voran in den Dortmunder Torhüter und sah dafür Gelb. Wirkte mit zunehmender Spieldauer immer frustrierter, verkniff sich aber Unsportlichkeiten. Das konnte nicht jeder Bayern-Spieler an diesem Tag von sich behaupten.

Alphonso Davies, Renato Sanches und Benjamin Pavard

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(Foto: AP)

Alphonso Davies darf stolz auf sich sein, dass Tainer Niko Kovac ihm zutraut, ein Spiel in Dortmund für die Bayern zu drehen. Spielt eine starke Vorbereitung und bleibt ein Gewinner dieser Monate. Benjamin Pavard und Renato Sanches dürfen registrieren, dass sie derzeit nicht erste Elf sind.

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