Sieg gegen VfB Stuttgart:Kovac fordert mehr von seinen Bayern

Bundesliga - Niko Kovac beim Spiel des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart in der Saison 2018/19

Niko Kovac war nicht ganz zufrieden mit seinem FC Bayern.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Bayern zeigen beim 4:1 gegen Stuttgart ein durchwachsenes Spiel - es zeigt sich, dass längst noch nicht alles klappt.
  • Für anstehenden wichtigen Spiele braucht das Team eine Steigerung, findet auch Trainer Niko Kovac.

Aus dem Stadion von Tim Brack

Am bayerischen Selbstbewusstsein zu rütteln, ist keine einfache Herausforderung. Meistens braucht es schon gigantische Mannschaften wie Real Madrid, den FC Barcelona oder alle paar Jahre Borussia Dortmund, um das ausgeprägte Bayern-Gen zu erschüttern. Am Sonntagnachmittag genügten aber ein gut aufgelegter Anastasios Donis und zehn Stuttgarter, "die jetzt auch nicht gerade einen Lauf haben", wie Joshua Kimmich bemerkte. Gut, es war nur eine kurze Phase, in der die Münchner angreifbar wirkten und am Ende stand es 4:1 (1:1). Aber ein bisschen wild sah das schon aus, was die Bayern da gegen den Tabellensechzehnten boten.

Der Winkelschuss von Donis zum zwischenzeitlichen 1:1 (26.) hatte den FC Bayern wie ein Eisbad gelähmt. Vor nicht all zu langer Zeit hätte so ein Gegentor nicht einmal einen Kratzer am prallen Selbstbewusstsein hinterlassen, doch die Mannschaft von Trainer Niko Kovac ließ sich nach der Führung durch Thiago (5.) von dem Gegentreffer aus dem Flow bringen, sie wäre sogar fast durch ein zweites Tor von Donis in Rückstand geraten. Selbst als die Führung in der zweiten Hälfte zurückerobert war, verhinderte nur der Pfosten den Ausgleich.

Die Bayern entgingen der Peinlichkeit dank einer Leistungssteigerung und den Treffern von Leon Goretzka (71.) und Robert Lewandowski (84.). Trainer Niko Kovac sah deswegen keinen Anlass, lange zu hadern. "Es heißt abhaken: Spiel gewonnen, drangeblieben und weiter geht's", resümierte er. Die teilweise chaotischen Zustände auf dem Platz zeigten aber, dass seine Mannschaft trotz einer Serie von sieben Siegen noch nicht ganz gefestigt ist.

Geht die Entwicklung schnell genug voran?

Das war schon vergangene Woche in Hoffenheim zu beobachten gewesen, als nach einer 2:0 Halbzeit-Führung die Partie zu kippen drohte. "Da sind wir einfach noch nicht souverän genug, dass wir das über 90 Minuten durchziehen", sagte Kimmich und auch sein Trainer räumte ein, dass ihm die Konstanz zu kurz gekommen war: "Wir wollen Meister werden, da muss man sich über 90 Minuten gut präsentieren, nicht immer nur 60 Minuten."

Der Trainer fordert mehr von seiner Mannschaft, auch wenn er wissen dürfte, dass diese im Moment in einem Entwicklungsprozess steckt, der nicht ohne gewisse Wellenbewegungen vonstatten geht. Das zeigen auch die Gedankengänge von Goretzka zum 1:1. "Uns sind dann schon ein paar Szenarien aus der Hinrunde durch den Kopf gegangen, glücklicherweise haben wir uns in der Halbzeit dann noch mal gefangen", sagte der Mann, der erneut als Zehner agierte. "Ich denke, dass man das positiv festhalten muss."

Etwas überspitzt gesagt: Die Bayern sind froh, dass sie sich so weit entwickelt haben, nach einem Ausgleich durch einen Abstiegskandidaten nicht den Kopf zu verlieren. Die Fragen, die sich nun stellen, sind: Geht diese Entwicklung des FC Bayern schnell genug voran? Und wann erreichen sie ihre maximale Leistungsfähigkeit? Denn gegen den VfB können sich die Münchner durchwursteln, aber es warten schon bald größere Aufgaben auf den Rekordmeister. Ein gewisser Zeitdruck ist nicht abzustreiten.

Bayern verinnerlicht die Jägerrolle

Am 19. Februar gastieren die Münchner bei den Powerfußballern von Jürgen Klopp in Liverpool. "Wir haben noch drei Wochen bis zu diesem Spiel, das ist im Fußball viel Zeit", findet Robert Lewandowski. Der Stürmer hofft, dass bis dahin alles geschmeidig läuft, was jetzt noch ein bisschen ruckelt und sieht in der Unvollkommenheit sogar einen Vorteil. "Manchmal war es so, dass wir in den ersten Spielen im neuen Jahr richtig gut gespielt haben", sagte der Pole, "dann haben wir ein bisschen Probleme gehabt. Jetzt hoffe ich, dass unsere Form in den richtigen Spielen kommt."

Die Münchner krankten in den vergangenen Jahren ja häufig daran, dass sie ihr bestes Selbst gefühlt in Ligaspielen verschleuderten, die sie vermutlich auch mit halber Kraft gewonnen hätten. Bis zu den Alles-oder-Nichts-Spielen in der Champions League war der saisonale Zenit dann überschritten.

Wann diese richtigen Spiele in der Bundesliga kommen, ist noch ungewiss. Es wird der Zeitpunkt sein, an dem der flott aufspielende Tabellenführer aus Dortmund nicht siegt. "Wir müssen im Moment jedes Spiel gewinnen, von daher glaube ich nicht, dass irgendjemand irgendein Spiel unterschätzt. Wenn wir noch einmal Punkte liegen lassen", sagte Kimmich, "ist es so gut wie vorbei." Die Jägerrolle ist also bei allen eingebrannt. Woran es aber genau lahmt in den weniger guten Phasen, konnten die Münchner nicht so richtig beantworten. "Es ist schwierig zu erklären", meinte Goretzka und Kimmich antwortete auf eine Frage zur Passivität: "Kann ich nicht erklären."

Es ist ein Rätsel für eine Mannschaft, die in den vergangen sechs Jahren nicht so viel nachdenken musste, weil sie eine Antwort immer schon reflexartig parat hatte. Das dürfte die wichtigste Aufgabe für Niko Kovac sein für die nächsten Wochen: seinen Spielern wieder Lösungsmöglichkeiten an die Hand zu geben, wenn einem Außenseiter wie Stuttgart wieder irgendein blödes Traumtor gelingt. Will der deutsche Rekordmeister gegen den FC Liverpool bestehen und da sein, sollte der BVB patzen, braucht er Automatismen, die in chaotischen Phasen wie Baldrian wirken. Mehr Souveränität ist nötig, zudem sollten sich Figuren herauskristallisieren, die eine wilde Partie auch mal zähmen können.

Mit Bayer Leverkusen wartet im nächsten Spiel schon ein gewichtiger Gradmesser. Dass die Münchner nach einem durchwachsenen Spiel gegen den Abstiegskandidaten Stuttgart aber Bescheidenheit anstelle des Mia san Mia in die Vereinssatzung aufnehmen, braucht nun auch niemand glauben. "Leverkusen hat jetzt gewonnen, die haben eine ganz gute Geschwindigkeit nach vorne, aber verstecken brauchen wir uns vor keinem", sagte Kimmich zum Abschluss den Reportern, bevor er seinen Weg nach Hause antrat.

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