Er freue sich auf das „eklige Spiel“, das es wohl werden wird, sagt Markus Schwabl. Der zweikampfstarke Rechtsverteidiger der SpVgg Unterhaching meint damit eigentlich das Wetter, aber es geht an diesem Samstag im Grünwalder Stadion (14 Uhr) für beide Vereine um weit mehr als um Klima oder Prestige. Weil Markus Schwabl auch der Sportdirektor der Spielvereinigung ist, kennt er die finanzielle Dimension dieses Spiels beim TSV 1860 München genau, auch wenn es sich nur um das Viertelfinale im Verbandspokal handelt. Dem Sieger winkt eine Teilnahme im DFB-Pokal, und beide Kontrahenten können zurzeit sehr gute Argumente anführen, warum sie die Einnahmen besonders dringend brauchen.
Schwabls Vater Manni ist eine der ganz wenigen Figuren im Münchner Fußball, die es sich qua ihrer Standfestigkeit leisten konnten, für den TSV 1860 München und den FC Bayern gespielt zu haben. Wobei der 58-Jährige in den Augen vieler heute eher ein ehemaliger Blauer ist als ein ehemaliger Roter. Seit zwölf Jahren ist er Präsident der SpVgg Unterhaching, er pflegt von der Vorstadt aus gute Beziehungen zu beiden Klubs, das muss man auch erst mal schaffen. Die Beziehungen zu den Roten sind es nun aber, die wegweisende Maßnahmen einläuten. Manche sagen sogar: die der Spielvereinigung die Existenz sichern.
Die Idee für eine enge Kooperation ist schon fast ein Jahr alt, praktiziert wurde sie auch bereits. Zumindest hatte Unterhaching in Maurice Krattenmacher sein aktuell wohl größtes Talent an die Bayern verkauft, damit der, sogleich verliehen, beim SSV Ulm Zweitliga-Erfahrung sammeln kann. Umgekehrt stehen der Ex-Bayer Lenn Jastremski und der verliehene Maximilian Hennig in Haching regelmäßig auf dem Platz.
Mindestens eine Unterschrift steht bereits unter dem Kooperationsvertrag
Nach SZ-Informationen planen der FC Bayern und Haching nun, in der kommenden Woche die Kooperation offiziell zu machen. Am Donnerstag standen noch nicht alle Unterschriften unter dem Vertrag, mindestens aber eine. Wenn man sich umhört, warum das Ganze so lange dauerte, heißt es, dass viele Passagen juristisch ausführlich geprüft werden mussten. Was den Schluss nahelegt, dass hier neue Wege im deutschen Fußball beschritten werden. Voluminös ist sie auf jeden Fall: Die Zusammenarbeit wird zunächst für drei Jahre fixiert, in dieser Zeit erhält Unterhaching dem Vernehmen nach zehn Millionen Euro von den Bayern.
Aktuell steht Haching auf einem Abstiegsplatz in Liga drei. Es ist möglich, dass die Vorstädter kommende Saison wieder in der Regionalliga kicken müssen, vielleicht steigt die U23 der Bayern gleichzeitig sogar auf. Für die Zusammenarbeit ist das aber nicht entscheidend, sie gilt sozusagen unabhängig von der Spielklasse. Natürlich ist die Hauptidee, dass Talente individuell besser gefördert werden sollen, sprich: ihrem Leistungsstand entsprechend eingeteilt werden. Im Idealfall stünden den Vereinen dann vier Teams in vier verschiedenen Ligen zur Verfügung, mit der ersten Mannschaft der Hachinger in Liga zwei. Angesichts der aktuellen sportlichen Situation kann dies aber nicht das realistische Hauptziel sein.
Der achtstellige Betrag suggeriert es schon: Es geht nicht nur um Vorgriffsrechte auf einzelne Spieler, sondern auch um eine strukturelle Zusammenarbeit, und zwar im Jugendbereich. Den Münchnern ist das so viel wert, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass es für die Entwicklung vieler Kinder nicht förderlich ist, zu früh das Bayern-Emblem zu tragen. Gerade jene Talente, die im Freistaat aufwachsen, können sich erst einmal in Ruhe bei der sehr bayerisch daherkommenden SpVgg entwickeln. Und Schwabls große Stärke ist die Bodenständigkeit, die ein FC Bayern in vielerlei Hinsicht nicht mehr liefern kann.
Unterhaching erhält also Geld dafür, gute Kontakte zu Spielereltern zu pflegen, und auch mitzuentscheiden, wann ein Talent reif genug ist, ins Leistungszentrum der Bayern zu wechseln. Umgekehrt hoffen sie in Haching darauf, als Partner der Bayern im Konkurrenzkampf mit vielen anderen Nachwuchs-Leistungszentren (1860!), noch mehr Talente binden zu können. Die dann entweder mit ihrer Qualität oder ihrem Marktwert helfen, den Verein im Profifußball zu halten.
Der von der Gemeinde angebotene Stadiondeal dürfte für den Verein zu kurzfristig anberaumt sein
Aktuell steht Unterhaching sportlich aber auch deswegen so schlecht da, weil man „Qualität nicht eins zu eins ersetzen“ konnte, wie Trainer Marc Unterberger es formuliert. Im Sturm zum Beispiel fehlt ein echter Knipser. Auch ist bekannt, dass Unterhaching vor knapp zwei Jahren schon einmal zwei Monate lang keine Gehälter an seine Mitarbeiter zahlen konnte, weil der Verein von der Hand in den Mund lebt. Erhebliche finanzielle Engpässe, so ist zu hören, soll es gerade jetzt auch wieder geben. Da tut jede Finanzspritze gut, etwa eine Teilnahme am DFB-Pokal. Oder, noch schneller, eine Überweisung von der Säbener Straße.
In Unterhaching gibt es noch eine andere Baustelle: Der Verein will der Gemeinde das Stadion abkaufen, mitsamt anliegendem Areal für 7,56 Millionen Euro. Der Deal hierfür soll nicht mit dem Geld aus der Kooperation bezahlt werden und dürfte deshalb nur mit einem zusätzlichen Investor zu stemmen sein. Die Gemeinde hat einen notariell unkomplizierten Verkauf bis zum 30. November angeboten. Das allerdings dürfte für den gerade viel beschäftigten Verein zu früh kommen. Was aber nicht bedeuten muss, dass der Kauf danach nicht doch noch über die Bühne geht.