FC Bayern siegt gegen Lille:Nur dank eines Elfmetertores

Ein schmeichelhafter Strafstoß, den Thomas Müller lässig verwandelt - viel mehr zeigt der FC Bayern beim 1:0-Pflichtsieg in Lille nicht. In der zweiten Halbzeit offenbart die Mannschaft von Jupp Heynckes vor allem in der Defensive viele Schwächen. Und hat am Ende sogar Glück.

Salomon Kalou ist ein schlaksiger Typ, der mit dem Ball ganz ordentlich umgehen kann, aber das wussten die Spieler des FC Bayern schon vor dieser Partie am Dienstagabend. Als Salomon Kalou noch das blaue Trikot des FC Chelsea trug, war er Teil eines Final-Albtraumes, der schon allzu oft ausreichend detailreich geschildert wurde; inzwischen trägt Kalou das weinrote Trikot des OSC Lille, und als sich Salomon Kalou und die Münchner nun wiederbegegneten, ergaben sich zwei Gemeinsamkeiten zwischen damals und heute.

Beide Male war Salomon Kalou ziemlich unauffällig, und beide Male fiel die Entscheidung am Elfmeterpunkt. Dank eines Elfmetertores von Thomas Müller gewann der FC Bayern am Dienstagabend am dritten Spieltag der Champions-League-Vorrunde 1:0 (1:0) gegen Lille, der Korrektheit halber sei allerdings hinzugefügt: Nur dank dieses Elfmetertores.

Der Dienstagabend war einer der anstrengendsten in der jüngeren Geschichte des FC Bayern, und daran war vor allem der FC Bayern Schuld. Es war, als habe das Spiel nicht im Frühstadium der Saison 2012/13 stattgefunden, sondern irgendwann in dieser Saison 2011/12, die sie in München eigentlich schon erfolgreich verdrängt hatten, die es aber tatsächlich gegeben haben soll.

Jene unheilvolle Saison, in der die Münchner von Demütigungen geprügelt wurden, von Männern in blauen und schwarzgelben Trikots, Männern wie ebenjenem unauffälligen Kalou; eine Saison, die inzwischen doch so weit weg zu sein schien. In den vergangenen Wochen hatten die Münchner ja die neue Saison demonstrativ zur Spaß-Saison erklärt, sie haben das so nie gesagt, aber es war nicht zu übersehen: Sie waren wie kleine Kinder, deren Lust am Spiel durch nichts zu bremsen war. Von elf Pflichtspielen gewannen sie zehn, sie erzielten 33 Tore und kassierten nur sechs. Aber einmal verloren sie eben auch, und sie wären wohl völlig unbekümmert nach Lille gereist, wäre diese eine Niederlage nicht ausgerechnet in der Champions League passiert. 1:3 gegen einen weißrussischen Klub namens Bate Borissow, das war ein Schock für das Münchner Selbstverständnis.

Die Forderungen vor diesem Abend klangen deshalb, als ginge es schon wieder gegen Blaue oder mindestens Schwarzgelbe. Man müsse gewinnen, ganz klar, sagten die Münchner unisono, Thomas Müller sprach gar von "unmenschlichem Druck", und man mag das nun als Erklärung für diesen unschönen Abend nehmen. Die Münchner spielten nervös, verkrampft, sie fanden nur selten den Weg zum Tor des Gegners, und wäre Philipp Lahm nicht nach 20 Minuten im Strafraum gefallen, wäre so ziemlich alles möglich gewesen.

Es war eine der wenigen Aktionen, in denen, die Münchner Offensive als solche auftrat, am Ende eines geschickten Spielzuges drang Lahm in den Sechzehnmeterraum ein, Lilles Abwehrspieler Lucas Digne rempelte Lahm ein wenig von hinten, Lahm fiel, der englische Schiedsrichter Martin Atkinson erkannte ein Foul und entschied auf Elfmeter.

"Auch solche Spiele muss man gewinnen"

Es ist noch nicht so lange her, dass Bastian Schweinsteiger ankündigte, man könne sich auf ein Spektakel gefasst machen, wenn Thomas Müller zum Elfmeter antrete, er habe "eine gewöhnungsbedürftige Art und Weise, Elfmeter zu schießen", weshalb die Spannung kaum auszuhalten war, in dieser 20. Minute, als sich Thomas Müller den Ball zurechtlegte.

Lille's Digne fights for the ball with  Bayern Munich's Muller during their Champion's League Group F soccer match at the Lille Grand Stade stadium in Villeneuve d'Ascq

Elfmeter verwandelt, aber dennoch ohne Glanzmomente: Thomas Müller (2.v.r.) im Spiel gegen den OSC Lille.

(Foto: REUTERS)

Müller lief an, das Spektakel rückte näher, Müller fixierte den Torhüter, er senkte den Blick keinen Moment, bis zum Schluss nicht, es war beeindruckend, und dann - schob Müller den Ball humorlos und flach in die rechte Ecke, Lilles Torhüter Mickael Landreau sprang in die linke. Selten starren Schützen derart konzentriert, nahezu verbissen und erbarmungslos auf den Torhüter - aber selten auch war ein Elfmeter langweiliger anzusehen, und genau das passte dann ja ganz gut zu diesem Abend.

"Auch solche Spiele muss man gewinnen", befand Trainer Jupp Heynckes nachher und bezeichnete die Partie branchenüblich korrekt als "Arbeitssieg". Lille sei eben "ein sehr schwerer Gegner" gewesen", stellte Thomas Müller fest. In der Tat: Zwar hatte Lille - das erstmals überhaupt ein Pflichtspiel gegen den FC Bayern bestritt - etwas Glück, dass den Münchnern ein zweiter Elfmeter verwehrt blieb, als Xherdan Shaqiri in der 64. Minute den Ball in den Strafraum flankte und Franck Berie den Arm etwas zu hoch hielt, um den Ball abzuwehren - noch mehr Glück aber hatten die Münchner, dass Lille kein Treffer gelang. Die beste Gelegenheit vergab Ryan Mendes in der 78. Minute, als er freistehend den Ball nicht richtig traf.

Lille, das ohne seinen Kapitän Rio Mavuba (Meniskusverletzung) und den Nationalspieler Mathieu Debuchy (Rot-Sperre) auflief, spielte nicht wie der zuletzt mäßig auftretende Tabellenelfte der französischen Liga. Sondern phasenweise frech, immerzu engagiert, Lille spielte, wie beim FC Bayern niemand spielte, nicht einmal der allerdings heftig bekämpfte Franck Ribéry.

Auch Javier Martinez, Münchens 40-Millionen-Mann, gelang es nicht, zu zeigen, was er wirklich kann. Heynckes bot Martinez statt des zuletzt formstarken Luiz Gustavo auf, aber Martinez brauchte 45 Minuten, ehe er erstmals auffallend in Erscheinung trat: Als er im Mittelkreis den Gegenspieler Nolan Roux rüde umgrätschte und dafür die gelbe Karte sah. Javier Martinez fügte sich auch danach ein in eine fahrig auftretende Mannschaft, er war, ober nun wollte oder nicht: Teil einer merkwürdigen Münchner Zeitreise.

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