In den Mundwinkeln von Niko Kovac, 47, zeichneten sich Grübchen ab, er war ein bisschen euphorisch, das ließ sich nicht verbergen. Der Trainer hatte eine Weile warten müssen, bis ihm die Kluboberen einige seiner Spielerwünsche erfüllten, ein ganzes Jahr, um genau zu sein. Am Donnerstagmittag endlich konnte Kovac auf dem Podium im Pressestüberl des FC Bayern Platz nehmen, er konnte breit grinsen und sagen: "Kompliment an die Chefs, das haben sie sehr gut gemacht."
Die entscheidenden, deutlich wichtigeren Sätze fielen ein paar Sekunden später. Kovac sprach davon, dass die "Versprechen eingehalten wurden" mit den jüngsten Transfers, er sprach auch von einem "guten Kader, sowohl von der Qualität als auch von der Quantität". Mit diesen Worten meinte er auch: Das Gerüst steht, sehr stabil sogar. Jetzt muss ich, Kovac, liefern.
Den Verantwortlichen des FC Bayern ist vor gut einer Woche ja ein erstaunliches Manöver gelungen. Kaum jemand interessierte sich plötzlich mehr für das enttäuschende 2:2 zum Bundesliga-Auftakt gegen Hertha BSC. Denn die Ankunft eines strahlenden Zugangs stand bevor, dessen strahlend-weißes Zahnpastalächeln vorübergehend zum meistpublizierten Motiv der Republik wurde. Es war die Woche des Philippe Coutinho, der Nummer 10, der neuen schöpferische Kraft im Münchner Spiel - so jedenfalls ist es gedacht, nicht weniger erhofft man sich vom Brasilianer.
Wie das im Fußball aber so ist, werden auch die größten Verheißungen schnell vom Alltag eingeholt, am Samstagabend spielen die Bayern beim FC Schalke. Seine stimmungsaufhellende Wirkung muss Coutinho, 27, dann zunächst noch neben dem Platz entfalten. Vielleicht komme Coutinho als Einwechselspieler in die Partie, sagte Kovac, er verfüge aber "mit Sicherheit nicht über das Fitnessniveau", das er für einen Startelf-Einsatz brauche.
Coutinho war bei seinem vorherigen Klub FC Barcelona verspätet ins Training eingestiegen, weil er sich bis vor kurzem noch im Copa-América-Erholungsurlaub befand. Jetzt gelte es, den Zugang behutsam zu integrieren. "Wir wollen ihn nicht verheizen", sagt Kovac. Ein Plan, mit dem dieser "Weltklasse-Fußballer" sehr einverstanden sei, weil er keine Sonderstellung verlange und auch "Glanz und Glamour" eher ablehnend gegenüberstehe. Ein Eindruck übrigens, den der Brasilianer bestätigte, bevor am Donnerstag die Pressekonferenz startete. Anders als am ersten Trainingstag in München verließ Coutinho das Klubgelände nicht etwa durch den Ausgang, an dem zahlreiche Fans auf Autogramme und Fotos warteten. Er huschte durchs Stüberl und verschwand schnellen Schrittes von der Säbener Straße.
Bei den Münchnern gibt es aber noch eine Personalie, über die zumindest ein bisschen geredet wurde nach dem Remis gegen Berlin: Renato Sanches soll sich nach der Partie über sein Reservistendasein beschwert haben, hieß es, und vom Klub mit einer Geldstrafe von 10 000 Euro belegt worden sein. Das mit der Strafzahlung sei soweit richtig, sagte Kovac, der Grund aber sei in Wahrheit ein anderer. Sanches habe nach dem Spiel nicht am angeordneten kurzen Training auf dem Rasen der Münchner Arena teilgenommen, er sei direkt in die Kabine geeilt. Ein Verhalten, das Kovac sogar ein wenig verstehen könne, "ich war ja auch mal Spieler". Abgesehen davon sei Sanches ein "super Junge", er habe ein "tolles Herz". Zu den aufgeflackerten Wechselgerüchten um den Portugiesen wollte Kovac nichts sagen. Der französische Erstligist OSC Lille soll laut der Zeitung L'Équipe an einer Leihe interessiert sein.
Kovac schwieg auch zur Zukunft von Verteidiger Jérôme Boateng, ließ aber immerhin wissen, dass dieser - ebenso wie Mittelfeldspieler Leon Goretzka und Angreifer Jann-Fiete Arp - gegen Schalke krankheitsbedingt nicht zur Verfügung stehe. Flügelspieler Ivan Perisic, kürzlich erst von Inter Mailand ausgeliehen, sei nach seiner abgesessenen Sperre gegen Berlin dagegen eine "Option von Beginn an"; für den verletzt in München eingetroffenen Rekordzugang Lucas Hernández komme ein Startelf-Einsatz indes noch zu früh.
Das wiederum dürfte bedeuten, dass gegen Schalke wieder ein Mann in der Bayern-Abwehr beginnt, der "zuletzt ein bisschen unter dem Radar" geflogen sei. Benjamin Pavard habe ja "nicht so viel gekostet", sagte Kovac, ehe er sich daran erinnerte, dass 35 Millionen Euro doch ziemlich viel Geld sind für einen Verteidiger, der in der Vorsaison noch mit dem VfB Stuttgart abgestiegen war. Kovac lobte die Vorstellung des Franzosen im ersten Saisonspiel, seine Flexibilität und die "neuen Möglichkeiten", die einem Trainer eröffnet würden.
Dann erhob er sich vom Podium, er lächelte, er war noch euphorisch. Der Trainer rief durchs Stüberl: "Wir sehen uns in Gelsenkirchen!"