FC Bayern:Im Walzenmodus
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Ehrenpräsident Uli Hoeneß spekuliert in einem Telefon-Interview munter über Transfers von Leroy Sané oder Kai Havertz. Dabei zeigt der FC Bayern unter Hansi Flick schon jetzt kaum Schwächen.
Von Martin Schneider
Am Samstag hat Uli Hoeneß mit dem Bayerischen Rundfunk telefoniert. Es ging in dem Telefonat um die nähere Zukunft des FC Bayern und der Ehrenpräsident äußerte sich recht euphorisch. "Ich glaube, wir sind an der Schwelle zu einer relativ tollen Generation. Wenn ich daran denke, Manuel (Neuer, Anm.) hat gerade unterschrieben, wir haben mit Joshua Kimmich, mit Niklas Süle, ich hoffe mit David Alaba, ich hoffe auch mit Thiago und ich hoffe auch mit Sané, mit Coman, mit Gnabry - wir haben eine junge, entwicklungsfähige Mannschaft und ich kann mir gut vorstellen, wenn alles optimal läuft, dann beginnt gerade eine neue Ära bei Bayern München." Eine neue Ära kündigt man mal nicht eben so an, gut bei Thiago und Alaba stehen noch die Vertragsverlängerungen aus und, Moment mal, hat Hoeneß da "Sané" gesagt?
Leroy Sané, 24, ist, wie eine kurze Recherche bestätigt, immer noch Spieler von Manchester City. Dort könnte er am 17. Juni auflaufen, wenn die Premier League wieder anrollt. Ein Wechsel zum FC Bayern ist, wie eine weitere kurze Recherche bestätigt, zwar vieldiskutiert, aber auch noch nicht fix. Sei's drum, aktuelle Vertragsverhältnisse hindern Hoeneß offensichtlich nicht daran, Sané zum Baustein einer bajuwarischen Zukunftsachse zu erklären. Eine Achse, in der Kai Havertz laut Hoeneß übrigens wohl keinen Platz hat. Den würde er "sportlich gern in München sehen", aber das könne er sich derzeit nicht vorstellen. Man wisse nicht, wie die "wirtschaftliche Situation des gesamten Fußballs ist". Was übersetzt so viel heißt, wie: Havertz und Sané zusammen sind auch für den FC Bayern ein bisschen teuer.
Die hoeneßschen Aussagen zu Sané und Havertz sind schon bemerkenswert, sie sorgten am Samstag aber nicht für die sonst branchenübliche Aufregung. Nur zum Vergleich: Als Ex-Trainer Niko Kovac mal seine Zuversicht über einen Sané-Transfer ausdrückte, wurde er von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge öffentlich sofort gemaßregelt. Aber das waren andere Zeiten und möglicherweise lag das auch daran, dass Rummenigge von dem Trainer Kovac, sagen wir, nicht zu Einhundertprozent überzeugt war. Das Ausbleiben der Aufregung könnte aber auch daran liegen, dass es sich immer noch falsch anfühlt, über Millionen-Transfers zu fachsimpeln, wo der Profi-Fußball doch gerade noch vor ein paar Wochen den wirtschaftlichen Überlebenskampf ausgerufen hat, die Spieler des FC Bayern bis Saisonende laut Präsident Herbert Hainer weiter auf Gehalt verzichten und auch die Saison trotz der vier erfolgreich absolvierten Spieltage noch nicht zu Ende gespielt wurde.
Vielleicht macht es aber auch einfach keinen Spaß darüber zu spekulieren, ob Sané nun kommt oder nicht, weil am Samstag jeder gesehen hat, dass die Bayern schon mit dem jetzigen Personal in einem Kannibalen-Modus angekommen sind. Die Zahlen seit Ende der Winterpause, also seitdem Flick mal Zeit hatte, mit der Mannschaft wirklich zu arbeiten, sind jedenfalls ein bisschen beängstigend. Die Mannschaft hat nur gegen Leipzig (0:0) nicht gewonnen, währenddessen in der Bundesliga ein Torverhältnis von 40:6 angehäuft. Dabei zeigt der FC Bayern wieder eine Walzenhaftigkeit, bei der man sich fragt, was schwächere Gegner eigentlich tun sollen, um nicht, naja, platt gemacht zu werden.
Das Flick-System orientiert sich grob an den Gedanken von Pep Guardiola
Düsseldorfs Erik Thommy drückte es nach dem 0:5 so aus. "Wir haben es auch nicht ganz schlecht gemacht, aber Bayern ist einfach eine andere Liga." Der Analyse konnte man folgen. Nun ist Düsseldorf natürlich Drittletzter und es kam in der Geschichte der Bundesliga nicht oft vor, dass ein Drittletzter auf Augenhöhe mit dem FC Bayern agiert hätte. Aber wenn man sich in die Lage von Düsseldorf versetzt - und damit stellvertretend für zwölf bis 13 Bundesligisten - dann fragt man sich schon, was sie eigentlich hätten besser machen sollen. Sie verteidigten ja schon mit allen Feldspielern. Und hielten trotzdem nicht stand.
Beim mittlerweile berühmten 3:3 im November 2018, als ein gewisser Dodi Lukebakio drei Treffer erzielte, konterte die Fortuna Bayern aus. Nun erstickt Flicks aggressives Gegenpressing aber nahezu jeden Gegenstoßversuch schon in der Entstehung. Und eine Bayern-Mannschaft, die nicht nur technisch besser, sondern auch noch galliger ist als der Gegner, wird schnell übermächtig. Und in dieser Sicherheit kombinieren sie auch eine solide stehende Abwehr einfach auseinander - wie beim 3:0. Das System orientiert sich grob an den Gedanken von Pep Guardiola und schon unter dem Katalanen waren Überraschungspunktgewinne von kleineren Teams gegen die Bayern mehr oder weniger abgeschafft.
Immerhin: Die nächsten Gegner der Bayern sind Leverkusen und Gladbach, denen ist zumindest Widerstand zuzutrauen und die die Hinrunden-Flick-Bayern besiegt haben. Aber selbst wenn der FC Bayern beide Spiele verlieren sollte, hätten sie ja bei optimaler Punktausbeute von Borussia Dortmund immer noch einen Zähler Vorsprung. Die neue Bundesliga-Saison, die ja wieder bei Null beginnt, soll übrigens nach ersten Meldungen im September starten. Vielleicht wird der FC Bayern mit Leroy Sané antreten, vielleicht auch nicht. Die Erkenntnis der vergangenen Wochen ist aber, dass das womöglich gar nicht so entscheidend ist.