Süddeutsche Zeitung

Niederlage gegen Tottenham:Der FC Bayern ist mehr als angespannt

  • Beim hauseigenen Testturnier des FC Bayern zeigt sich, dass der Kader der Münchner viel zu klein ist.
  • Es braucht dringend Verstärkung, vor allem Ersatz für die anfälligen Gnabry und Coman ist gefragt.
  • Doch ein Wechsel von Bailey wird dementiert, der Transfer von Leroy Sané gestaltet sich schwierig.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Es gibt sie noch in diesen Tagen, die unbeschwerten Menschen beim FC Bayern. Jann-Fiete Arp zum Beispiel hielt spät am Abend sehr glücklich das Trikot von Tottenham-Stürmer Harry Kane vor ein paar Handy-Kameras und erzählte strahlend, dass er ihn nach dem Spiel danach gefragt habe und er ein großer Fan des englischen Nationalkapitäns sei.

Arp trug das Leiberl mit einem fröhlich-kindlichen Stolz in den Mannschaftsbus, wie es bei Profifußballern eher ungewöhnlich ist, aber man muss dazu wissen, dass der 19-Jährige noch vor vier Monaten mit dem HSV II in der Regionalliga gegen SSV Jeddeloh und den SC Weiche 08 spielen musste. Da ist so ein durchgeschwitztes Starstürmer-Hemd nach einem Testkick noch was Besonderes und dass Arp nicht in erster Linie als Devotionalien-Jäger in die Arena kam, erkannte man ja daran, dass er in dem Spiel zuvor ein Tor geschossen hatte und Harry Kane nicht.

Wenn es gerade zwei gute Nachrichten beim aufgeregtesten Klub des Landes gibt, dann tragen sie die Namen Arp und Alphonso Davies. Die beiden sind die kleinen Gewinner einer turbulenten Vorbereitung, nicht nur weil sie bei der 5:6-Niederlage im Elfmeterschießen des hauseigenen Sponsorenturniers gegen Tottenham (2:2, 0:1) die beiden Tore in der regulären Spielzeit schossen. Arp überzeugte bei der USA-Reise und auch gegen die Spurs sah man in einzelnen Aktionen, dass er für einen Mittelstürmer überdurchschnittliches technisches Geschick besitzt.

Beim FC Bayern glänzt immerhin Davies

Und Davies, den sie in München schon per Rufname brutalst einbajuwarisiert haben (Thomas Müller zum Treffer: "Wie der Fonzy den mit rechts reingeschweißt hat, Reschpekt"), deutete mehrfach an, warum die Bayern-Scouts den Kanadier für eines der größten Talente der amerikanischen Liga hielten - allerdings deutete er auch an, dass seine Stärken eher in der Offensive liegen und nicht zwingend im Segment Linksverteidiger. "Ich denke, dass war heute die beste Leistung in den letzten Wochen", sagte Arp. Er wird die nach dem Sandro-Wagner-Abgang vakante Stelle des Stürmers Nummer zwei hinter Robert Lewandowski einnehmen. "Ich bin der Letzte, der schlechte Laune verbreitet, wenn er nicht in der Startelf steht", sagte Arp zur Hackordnung im Sturm.

So einfach und unkompliziert wie der Umgang mit Jann-Fiete Arp ist aber derzeit nichts beim FC Bayern. Sportdirektor Hasan Salihamidzic ging etwa grummelnd an allen Mikrofonen vorbei und raunte den Journalisten nur ein "Was ihr alle schreibt ..." zu. Zu diesem Zeitpunkt vermeldete das Portal transfermarkt.de, dass der FC Bayern sich mit dem Leverkusener Flügelspieler Leon Bailey auf einen Sommertransfer geeinigt hätte. Es handele sich um einen "Done Deal". Niko Kovac sagte dazu bei erster Gelegenheit: "Eigentlich bin ich für Transfers nicht zuständig, aber das ist nicht wahr", und beklagte anschließend, dass man so eine Nachricht einfach folgenlos in die Welt setzen könne.

Mehr noch als möglicherweise halbgare Meldungen vermieste aber Kingsley Coman den Bayern die Laune. Der verließ mit dick bandagiertem Knie die Arena, er hatte nach seiner Einwechslung nur fünf Minuten gespielt, dann stieg ihm Tottenhams Juan Marcos Foyth mit den Stollen aufs linke Knie. Coman schlug mit der flachen Hand mehrfach auf den Rasen, Thiago schimpfte Richtung Bank, es sah nach einer schweren Verletzung aus, allerdings gab es kurz vor Toreschluss zumindest eine leichte Entwarnung: Es könnte sich nur um eine Prellung handeln, vielleicht ist Coman zum Supercup gegen Dortmund am kommenden Samstag wieder fit.

München kommt jedenfalls nirgends zur Ruhe. Beim Testkick gegen Fenerbahçe am Dienstag musste ja auch Serge Gnabry mit einer (vermutlich leichten) Muskelverletzung nach nur 20 Minuten vom Platz und ausgerechnet in einer Phase, in der der Klub öffentlich um den so dringend benötigten Flügelspieler Leroy Sané ringt, verletzen sich die beiden vorhandenen Flügelspieler, was die Notwendigkeit eines neuen Flügelspielers natürlich noch dringender macht. Am späten Abend meldete dann die Bild-Zeitung, Bayern hätte Manchester City nun ein offizielles Angebot vorgelegt. Reaktion offen. Aus Manchester hört man, der Klub wolle 120 Millionen Euro haben.

Und auch nur dann, wenn es Sané ausdrücklich nach München ziehe. Joshua Kimmich bezweifelte das, er sagte am Dienstag: "Wenn Leroy wollen würde, wäre er wahrscheinlich schon längst hier." Kimmich wurde für diese Aussage vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge übrigens nicht gerüffelt, zumindest nicht öffentlich, im Gegensatz zu Niko Kovac. Der hatte sich nach Ansicht von Rummenigge zu offensiv zum Sané-Transfer geäußert. Kovac musste danach erst bei City-Trainer Pep Guardiola anrufen und sich entschuldigen und dann auch noch öffentlich erzählen, dass er sich entschuldigt habe. Den Zustand des FC Bayern als "angespannt" zu bezeichnen, wäre leicht untertrieben.

17 Feldspieler hat der FC Bayern aktuell im Kader und die Verletzung von Coman, auch wenn sie nicht so schlimm sein sollte, zeigt noch mal allerdeutlichst, dass das hinten und vorne nicht reicht. Thomas Müller meinte: "Es geht ja darum, dass wir über einen ganzen Zeitraum von englischen Wochen Spiel für Spiel drei Punkte holen und da versucht man sich natürlich bestmöglich aufzustellen mit einer guten Mischung aus Qualität und Quantität." Als ein Journalist nachfragte, ob dann 17 Spieler seiner Ansicht nach zu wenig seien, verzweifelte selbst Müller angesichts der Hypernervosität des Klubs und rief verzweifelt aus: "Ich muss seit zwei Wochen hier Fragen zu Themen beantworten, die weder meinem Aufgabenbereich entsprechen, noch eine neue Aktualität enthalten. Wir drehen uns im Kreis."

Der rote Teil Münchens wartet also weiter auf die große Vollzugsmeldung. Und wer denkt, dass sich nun ja zumindest Jann-Fiete-Arp und Alphonso Davies noch als Alternativen aufdrängen - die beiden sind bei den 17 Feldspielern schon mitgezählt.

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