Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Salihamidzic ist die kleine Lösung

Es hat lange gedauert, die Sportdirektor-Stelle beim FC Bayern zu besetzen. Der große Stratege, gar ein möglicher Nachfolger von Hoeneß und Rummenigge, ist Hasan Salihamidzic aber nicht.

Kommentar von Christof Kneer

Da wäre man übrigens sehr gerne dabei gewesen, aber gut, man kann halt nicht überall sein. Aber interessant wäre das schon gewesen: mit Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge zusammen zu einem Testspiel aufs bayerische Land zu fahren oder unsichtbar mit ihnen in einem Taxi in Singapur zu sitzen. Und einfach ein bisschen zuzuhören, wie sie da im Auto so über Philipp Lahm sprechen, über Max Eberl, Hansi Flick, Oliver Bierhoff und Oliver Kahn oder, bei einer späteren Fahrt dann, über Mark van Bommel, Miroslav Klose, Thomas Linke oder Hasan "Brazzo" Salihamidzic.

Karl-Heinz Rummenigge und er hätten zuletzt viel Zeit miteinander im Auto verbracht, hat Uli Hoeneß kürzlich gesagt, und was die leidige Sportdirektoren-Frage betreffe, sei im Auto auch etwas Gutes herausgekommen. Was einen aber noch mehr als die nackten Namen interessiert hätte: wie genau die Namen zum Amt gekommen sind, oder ob es vielleicht umgekehrt war. Haben die beiden im Auto ein Profil definiert und dann einen gesucht, der in dieses Profil passt? Oder haben sie gesagt, hm, wir haben da einen, wir kennen da einen, und jetzt schau' mer mal, was der für uns tun kann? Oder hatte der eine ein Profil und der andere einen Namen, und war das bei der nächsten Taxifahrt vielleicht schon umgekehrt?

Dafür, dass es eigentlich ein cooler Job sein sollte, beim unbesiegbaren FC Bayern irgendwas mit Sport zu machen, hat es ganz schön lange gedauert, jene Stelle nachzubesetzen, die Matthias Sammer vor ziemlich genau einem Jahr geräumt hat. Dass es am Ende auf einen anfangs eher unerwarteten Kandidaten wie Hasan Salihamidzic hinausgelaufen ist, zeigt, wie schwer es sich die Bayern bei ihrer Entscheidung gemacht haben - aber auch, wie schwer sie sich getan haben.

Der eine Kandidat zog zurück, weil er Uli Hoeneß noch zu "jung" fand (ein Spitzen-Euphemismus für zu "mächtig"); ein anderer stornierte sein Interesse, weil er sich wie ein reiner Hoeneß-Mann vorkam und nicht genau wusste, wie es so ist, mit diesem Etikett auf der Stirn über die Bayernflure zu laufen; und wieder ein anderer bekam einen Anruf von einem der beiden Autofahrer, versehen angeblich mit dem geheimen Zusatzwunsch, den anderen Autofahrer bitte erst mal nicht über diesen Anruf zu informieren.

Gewiss waren manche dieser Irritationen ebenso hausgemacht wie vermeidbar, aber im Grunde kann man schon nachvollziehen, warum die Bayern sich so angestellt haben bei ihrer Kandidatenkür. Man kann diesen wuchtigen Traditionsverein nur aus seiner eigenen Historie heraus verstehen, und große Teile dieser Historie bestehen nun mal aus den zwei Männern, die zuletzt so oft gemeinsam Auto gefahren sind. Zwar haben Hoeneß und Rummenigge auch bei der aktuellen Akquise mitunter ihre Uneinigkeiten gepflegt, aber in einem sind sie sich brutalst einig: dass zentrale Funktionärspersonalien im Moment mehr denn je gegenwarts- und zukunftstauglich sein müssen. Uli Hoeneß, 65, und Karl-Heinz Rummenigge, 61, wissen, dass sie irgendwann Leute brauchen, die Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge ersetzen.

Offenkundig haben die Autodebatten nun ergeben, dass der neue Sportdirektor nicht zwingend der Mann sein soll, der später mal den ganzen Laden verantwortet. Besetzt wurden im Grunde jene Bereiche der Stelle, die Matthias Sammer einst ausfüllte. Sammer, obwohl als Sportvorstand offiziell eine Hierarchie-Ebene höher angeordnet, hatte sich im Tagesgeschäft ja stets auf das konzentriert, was er im sehr speziellen Sammer-Slang "Organisation von Leistung" nannte.

Für einen großen Strategen ist noch Platz im Organigramm

All das soll nun auch ins Ressort des Neuen fallen: Er soll die Führungsetage in der Kabine vertreten; er soll dem Trainer die Anliegen der Spieler übermitteln und jene Spieler begleiten, die nicht so viel spielen; er soll prüfen und moderieren, ob ein angeschlagener Profi ins Teamtraining zurückkehrt oder bei den Rehatrainern bleibt; er soll am Tisch sitzen, wenn entschieden wird, ob man vielleicht doch einen neuen Rechtsverteidiger braucht; und er soll auch die Sichtbarkeit des Vereins garantieren, er soll empört auf der Bank aufspringen, wenn der Schiedsrichter so pfeift wie jüngst im Champions-League-Viertelfinale in Madrid, und er soll hinterher vor die Kameras treten und dort erfreut sein oder übel nehmen.

Der neue Sportchef soll also gut unterwegs und am besten überall sein, eine Eigenschaft, die zumindest den Spieler Salihamidzic in höchstem Maße ausgezeichnet hat. Mit ihrer Entscheidung haben die Bayern eine offene Flanke im Klub geschlossen und gleichzeitig das Organigramm nicht allzu sehr erschüttert. Für den großen Strategen, das prominente Gesicht und den möglichen Nachfolger ihrer selbst haben Hoeneß und Rummenigge noch Platz gelassen. Das dürften noch ein paar spannende Autofahrten werden.

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Quelle:
SZ vom 01.08.2017/schm
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