Lewandowski beim FC Bayern:Hochgerechnet 85 Saisontore

  • An zwei Bundesliga-Spieltagen hat Robert Lewandowski schon fünf Tore geschossen.
  • Der Stürmer ist aktuell der Hauptdarsteller der Bundesliga und der wichtigste Faktor im Spiel des FC Bayern.
  • Seinen Vertrag wird er wohl bis 2023 verlängern.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Robert Lewandowski trug eine halblange Baumwollsporthose, ein Sportshirt und Sportschuhe, als er vor die Tür des Kabinentrakts trat. Der Mittelstürmer des FC Bayern befand sich auf dem Weg zum Fernsehinterview, doch man konnte sich auch vorstellen, dass er gleich sein elegantes Riva-Boot im Hafen von Portofino entern würde, um damit in großer Gelassenheit aufs blaue Meer hinauszufahren, und er sah auch nicht aus wie ein von Entbehrungen gezeichneter Leistungssportler, sondern wie einer dieser weltbürgerlichen Geschäftsmänner, die sich nicht aufreiben müssen für ihren Reichtum.

Tatsächlich brauchte Lewandowski keine steinigen Wege zurückzulegen, um am Samstagabend in Gelsenkirchen als Hauptdarsteller der Partie zwischen Schalke 04 und dem FC Bayern gelten zu dürfen. Er hat sich zwar jederzeit tadellos engagiert, bis er die drei Tore zum 3:0-Sieg beisammen hatte, dennoch lässt sich vermuten, dass er seine intensivsten Sprints in dem Moment absolvierte, als er Richtung Fanblock lief, um zwei seiner Treffer zu bejubeln.

Robert Lewandowski, 31, hat seine Mannschaft am Wochenende besser aussehen lassen, als sie eigentlich gespielt hat. Der Sieg der Bayern war zwar selten gefährdet und seine Angemessenheit wurde von keinem Schalker Wortführer in Abrede gestellt, doch wäre es für Bayern-Gegner auch kein Problem, ein Video zusammenzuschneiden, in dem der Kommentator über die "Chaos-Bayern" spottet und immerzu ui-ui-ui ruft. Dass diese Szenen folgenlos blieben und Trainer Kovac später tiefe Zufriedenheit anzeigte ("wir waren wesentlich besser als letzte Woche"), hatte mehrere Ursachen.

Der Schiedsrichter weigerte sich beharrlich, Schalke einen Elfmeter zu geben

Eine davon besteht darin, dass den Schalkern das Toreschießen nicht leichter fällt als in der vorigen Saison, in der Schalker Tore den Raritätsstatus einer Blauen Mauritius besaßen. Ein anderer, von den Schalkern heftig beklagter Grund für das saubere Münchner Gegentor-Konto waren die Entscheidungen des Schiedsrichters Marco Fritz, der sich beharrlich weigerte, den Hausherren einen Elfmeter zuzuerkennen (zumindest in einem Fall lag er damit bemerkenswert falsch).

Der wichtigste Faktor aber war natürlich Robert Lewandowski, der nicht nur die nötigen Zutaten für den Sieg lieferte, sondern jeweils auch den richtigen Moment dafür fand: Mit dem Elfmeter zum 1:0 (20.) bestätigte er pünktlich die Münchner Rolle des Favoriten und Spielverderbers, bevor daran jemand zweifeln konnte; mit dem Freistoß zum 2:0 (49.) schädigte er effizient die just in der Pause erfrischte Gegnermoral; mit dem 3:0 (75.) brach er den immer noch hartnäckigen Schalker Widerstand. Ähnlich war es in der Woche zuvor, als Lewandowski bereits beide Tore beim 2:2 gegen Hertha BSC gelangen - ein anderer Münchner hat in dieser jungen Spielzeit noch nicht getroffen.

Alle fünf Saisontore machten den Eindruck, als seien sie eine Leichtigkeit, die jedem Fußballer gelingen könnte - vielleicht sogar Schalkes Guido Burgstaller -, dabei war jedes Exemplar eine Besonderheit und ein Ausweis von Meisterschaft. Da habe sich wieder der geborene Torjäger offenbart, meinte Kovac: "Dafür ist Robert da. Das ist das, was er am besten kann." Und wenn's gegen Schalke 04 geht, dann sowieso: In den jüngsten acht Punktspielen gegen die Königsblauen traf Lewandowski immer mindestens einmal.

Von Routine oder gar Überdruss ist ihm aber nichts anzumerken. So euphorisch wie nach seinem mit Ansage unhaltbaren Präzisionsfreistoß sieht man ihn nicht oft jubeln. Offenbar hat sich Lewandowski Außerordentliches vorgenommen. Dass er den unheimlichen Plan gefasst haben sollte, in dieser Saison sämtliche Bayern-Tore zu schießen, ist zwar nicht anzunehmen -, aber auch nicht völlig undenkbar. Bisher zumindest stimmt der Kurs. Wenn das so weiterginge, werde er am Ende 85 Tore geschossen haben, rechnete ein ZDF-Reporter vor. Lewandowski hat gelacht, aber nicht dementiert.

Seinen Vertrag wird Lewandowski wohl bald verlängern

Plausibler ist die Interpretation, dass Lewandowski nun innerlich akzeptiert hat, dass ihn seine Karriere nicht mehr zu Real Madrid oder Manchester United führen wird. Lewandowski scheint sich, wenn man so möchte, mit dem Urteil lebenslänglich abgefunden zu haben - das restliche Fußball-Leben lang beim FC Bayern zu bleiben. Zu diesem Zweck wird seit einiger Zeit ein neuer Arbeitsvertrag für ihn verhandelt, der seine bis 2021 fixierte Beschäftigung bis 2023 fortschreibt, dann wird er 35 sein, kein Alter, das Torjäger unbedingt fürchten müssen.

Eine Gehaltsaufbesserung dürfte selbstredend inbegriffen sein. Dass er als ambitionierter Wanderarbeiter eine gewisse Zeit gebraucht hat, um Frieden mit der Aussicht auf endgültige Sesshaftigkeit zu schließen, dürfte verständlich sein. Die Bayern unterstützen ihn bei diesem Prozess gern. Für Robert Lewandowski genüge beim FCB "ein Wort", sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic: "Unverzichtbar!" Weitere hymnisch lobende Worte folgten dann trotzdem noch, nicht zuletzt, weil sie der Beziehungspflege dienlich sind: Lewandowski soll ja nicht glauben, man verkenne seine Einzigartigkeit, da er nun quasi zum Inventar gehört.

Natürlich kursierten auch Verdächtigungen, Lewandowski sei auf Schalke deswegen so gut gewesen, weil er aller Welt zeigen wollte, dass die Bayern nicht erst seit der Ankunft von Philippe Coutinho über einen Weltstar verfügen. Tief in seinem stolzen Mittelstürmergemüt mag es ein paar Gedanken in diese Richtung gegeben haben, doch übersieht man seinen sportlichen Ehrgeiz, wenn man seine Eitelkeit zur bestimmenden Eigenschaft erhebt.

Ein Könner wie Coutinho kommt ihm als Mitspieler gerade recht - endlich einer auf seinem Niveau, der mit ihm die Champions League gewinnen kann. Das hatte er öffentlich gefordert. "Es sieht wirklich sehr gut aus, unser Kader ist optimal", lobte Lewandowski, bevor er freundlich auf Wiedersehen sagte. Zumindest die Schalker würden darauf gern eine Weile verzichten.

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