FC Bayern ohne Lewandowski:Ende der Unverwundbarkeit

Champions League - Round of 16 First Leg - Chelsea v Bayern Munich

Das letzte Tor vor der Verletzungspause: Robert Lewandowski stellt den 3:0-Erfolg beim FC Chelsea sicher.

(Foto: Eddie Koegh/Reuters)
  • Robert Lewandowski kehrt verletzt aus London zurück, er muss nun Gips tragen, dann geht es ins Aufbautraining.
  • Ende März steht eine Länderspielreise an, ob Lewandowski an dieser teilnehmen kann und darf, ist noch offen.
  • Hansi Flick hat nun mehrere Optionen, um den Angreifer zu ersetzen, gleichwertig ist jedoch keine.

Von Benedikt Warmbrunn

Die Schmerzen, deren Folgen der FC Bayern wochenlang spüren wird, kamen verzögert, in den frühen Morgenstunden. Der Angreifer, der sich im Laufe der Jahre einen Ruf der Unverwundbarkeit erworben hat, spielte 90 Minuten lang am Dienstag gegen den FC Chelsea, er war beim anschließenden Auslaufen dabei, auch noch beim nächtlichen Bankett; gewohnt ehrgeizig marschierte er in den Ballsaal eines Londoner Hotels an dritter Stelle, nur Kapitän Manuel Neuer und Doppeltorschütze Serge Gnabry ließ er den Vortritt. Doch in den frühen Morgenstunden endete die Wirkung des Adrenalins. Und der Schmerz kam, nicht einmal der angeblich unverwundbare Körper von Robert Lewandowski konnte ihm standhalten.

Doch wann genau der Schmerz kam, ist für die Verantwortlichen des FC Bayern nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass der Schmerz überhaupt gekommen ist. Beim einzigen Feldspieler der Mannschaft, der als unersetzlich gilt.

An diesem Samstag, beim Auswärtsspiel der Münchner bei der TSG Hoffenheim, beginnt die längste Phase des Vereins ohne Lewandowski: Voraussichtlich vier Wochen wird der 31 Jahre alte polnische Nationalstürmer ausfallen, nach dem Spiel in Hoffenheim noch bei drei weiteren Bundesligapartien, dazu am kommenden Dienstag im Pokal-Viertelfinale bei Schalke 04 sowie am 18. März im Rückspiel des Achtelfinals in der Champions League gegen Chelsea. Seit seinem Wechsel 2014 von Dortmund zum FC Bayern hat Lewandowski bislang insgesamt gerade einmal zwölf Pflichtspiele verpasst.

Joshua Zirkzee hat Trainer Flick bislang eher als Joker gesehen

Direkt nach der Landung am Mittwoch in München hatte Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt den Angreifer untersucht, die Diagnose: Anbruch der Schienbeinkante am linken Kniegelenk. Zehn Tage lang muss Lewandowski nun einen Gips tragen, dann geht es laut offiziellem Bulletin des Vereins ins Aufbautraining. Ende März steht eine Länderspielreise an, ob Lewandowski an dieser teilnehmen kann und darf, ist noch offen.

Direkt danach, Anfang April, beginnen für den FC Bayern die entscheidenden Wochen: Am 4. April spielt der Bundesliga-Tabellenführer, der aktuell einen Punkt Vorsprung vor Leipzig hat, in Dortmund; in den beiden Wochen danach stehen die Viertelfinalduelle in der Champions League an, für die der Klub nach dem 3:0 am Dienstag in London nahezu sicher qualifiziert ist.

Am Mittwochabend bedankte sich Lewandowski in den sozialen Netzwerken auf Englisch für all die aufmunternden Worte, er bat darum, ihm die Daumen zu halten. Er schrieb: "Ich werde bald zurück sein, und ich werde bereit sein zu kämpfen." Seine selbst wiederum aufmunternde Mitteilung beendete er mit zwei gegeneinanderstoßenden Fäusten.

Gnabry fühlt sich ohnehin in der Mitte am wohlsten

Wie wichtig es für die Mannschaft ist, dass Lewandowski bald zurückkehrt, das zeigen allein die Zahlen: In der Bundesliga hat er in dieser Saison 25 Tore erzielt, selbst der Uralt-Rekord von 40 Treffern von Gerd Müller aus der Saison 1971/72 schien für ihn nicht mehr unerreichbar zu sein; hinzu kommen elf Treffer in der Champions League. "Er ist in der Form seines Lebens", hatte Hansi Flick zu Wochenbeginn gesagt; hätte der Bayern-Trainer gesagt, dass Lewandowski zurzeit der beste Mittelstürmer der Welt ist, hätte ihm wohl kaum jemand widersprochen. Lewandowski hat inzwischen auch eine Führungsrolle übernommen. Er hatte stets die Bälle gefordert, überall im Angriffsdrittel, er war Zielspieler bei den Flanken, und er hat seine Mitspieler auch in kritischen Spielphasen angetrieben; eine Eigenschaft, die ihm lange gefehlt hatte.

Flick hat nun mehrere Optionen, um den Angreifer zu ersetzen, gleichwertig ist jedoch keine. Der Verein hat bewusst darauf verzichtet, einen anderen Topstürmer zu verpflichten, im Sommer holte er nicht Leipzigs Timo Werner, im Winter nicht Salzburgs Erling Braut Haaland, der nun für Dortmund spielt. Ein zweiter Topstürmer hätte das Unruhepotenzial im Kader erhöht, so gering wären seine Einsatzchancen hinter dem vermeintlich unverwundbaren Lewandowski gewesen.

Um die Champions League zu gewinnen, so hat Lewandowski gesagt, müssen alle fit sein

Joshua Zirkzee, 18, ist der letzte echte Mittelstürmer im Kader, bisher hat Flick ihn aber eher als Joker gesehen. Ivan Perisic, der im Dezember in der Champions League gegen Tottenham ganz vorne gespielt hatte, um Lewandowski zu schonen, fehlt selbst mit einem Bruch des Sprunggelenks. Thomas Müller, der auch schon als Sturmspitze gespielt hatte, ist zurzeit mit seinen Laufwegen in der Reihe dahinter wertvoller fürs Team.

Sollte Flick weiter Zirkzee als Joker sehen, dürfte daher wohl Serge Gnabry Lewandowski ersetzen. Gnabry fühlt sich ohnehin in der Mitte am wohlsten, im DFB-Trikot hat er schon in der Mitte gestürmt. Um ihn vorne einsetzen zu können, müsste Flick jedoch seine Flügelzange komplett auflösen; Kingsley Coman fehlt aufgrund einer leichten Zerrung gegen Hoffenheim.

Wie entscheidend es aber sein wird, dass Lewandowski nicht nur bald zurückkehrt, sondern auch topfit, hatte er selbst bei einem Gespräch im Herbst erzählt. "Die letzten Jahre haben doch gezeigt, dass es in der Champions League immer Kleinigkeiten sind, die entscheiden, im März, April oder Mai, wenn es ernst wird." Er erinnerte daran, dass er gegen Barcelona einmal mit einer Maske gespielt hatte, gegen Real Madrid einmal trotz einer Schulterverletzung, "da war ich höchstens bei 60 Prozent und konnte keinen Sprint machen". Um die Champions League zu gewinnen, brauche eine Mannschaft "auch viel Glück und den richtigen Moment, alle müssen fit sein, du brauchst eine gute, motivierte Bank, die Formkurve muss stimmen".

Dass nun ausgerechnet die eigene Verwundbarkeit entscheidend sein könnte, das hat sich damals selbstverständlich auch Lewandowski nicht vorstellen können.

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