FC Bayern nach dem Pokalsieg:Und jetzt noch: Europa

DFB Cup - Final - Bayer Leverkusen v Bayern Munich

Trainer des Erfolges: Hansi Flick wird von seinen Spieler in den Berliner Himmel geworfen.

(Foto: REUTERS)

Der FC Bayern zerlegt Leverkusen im Pokalfinale und schaut mit übergroßem Selbstvertrauen auf die Champions League. Trainer Flick wird auf Händen getragen und kämpft offensiv um den Verbleib von Thiago und Alaba.

Von Jonas Beckenkamp

Wer als kleiner Junge bei Vereinen wie BSC Mückenloch oder SpVgg Neckargemünd gespielt hat, muss ein erdverbundener Mensch sein. Trotzdem pappte Hans-Dieter Flick diesmal edles Gesöff aus Champagnerflaschen am Leib, als er durch das Berliner Olympiastadion flog. Flick segelte und plumpste, es wirbelte ihn dermaßen durch die Luft, dass die Lufthansa ihm Bonusmeilen ausgestellt hätte, wenn sie nicht mit ihrer Selbstrettung beschäftigt wäre.

So ist das, wenn einen als Trainer des FC Bayern die Profis hochleben lassen. Es passiert nicht oft, aber wenn es passiert, schaut's auch nicht anders aus als in Mückenloch. Natürlich ist der Doublesieger Flick dann wieder rasch back to earth gekommen, unter tätiger Mithilfe des Auffängers Jérôme Boateng. Nach dem 4:2-(2:0)-Finalsieg im Pokal gegen Bayer Leverkusen warteten schließlich ein paar Interviews mit ausgefahrenen Mikrofonarmen.

In die sprach Flick dann gewichtige Sätze, die man durchaus als Agenda werten kann. So ein Double-Sieg setzt auch beim FC Bayern immer noch Kräfte frei, das war an allen Enden zu spüren und wer Flick zuhorchte, der konnte erkennen, dass diesem bescheidenen Mann eine Emanzipation gelungen ist. Er hat den Verein, der einst als Spielerverein galt, in dem die Riberys und Robbens auch mal beim Präsidenten am Tegernsee Seelenstreichler bekamen, in eine Art Trainerle-Verein transformiert. Die Bayern spielten auch im Berliner Endspiel diese rasante Art des Hansi-Flick-Fußballs: Taktisch reif, präzise im Pressing, stets voller Überzeugung.

Und dieser Trainer sprach nun über seine Lieblinge - David Alaba, 28, und Thiago, 29 - auf die er keinesfalls verzichten will. "Ich werde mich mit allem was ich habe einsetzen, dass wir solche zwei Qualitätsspieler in den Reihen halten können", sagte Flick wild entschlossen: "Ich versuche, dass der Kader, so wie er aktuell ist, zusammenbleibt." Flicks Avancen sind verständlich, nur treffen sie in eine Zeit, in der der Verbleib der Angepriesenen nicht gewiss ist. Zumindest Alaba war diesmal wieder ein gehöriger Grund, dass es mit dem insgesamt 50. nationalen Titel (30 Meisterschaften, 20 Pokalsiege) klappte.

Der bayerischste aller Wiener kredenzte einen Freistoß mit so viel Schlagobers zum 1:0 (19. Minute) ins Tor, dass die Oberkellner am Stephansdom künftig diesen Schuss statt Marillenknödel servieren sollten. Der Defensivkapo Alaba ist eine Erfindung Flicks, er hat den Österreicher im Winter zurückbeordert und zum stabilsten Bayern dieser Saison gemacht - neben Robert Lewandowski versteht sich, der auch diesmal zwei Tore aufs Feld zauberte: eines per Fernschuss unter gütigem Zutun von Bayer-Keeper Hradecky (59.), eines per Lupfer (89.).

Dass Lewandowski trifft, gehört schon zu den Regeln eines Fußballspiels unter Beteiligung des FC Bayern. Aber als nicht minder entscheidend betrachtet Flick Alaba, dessen Vertrag wie der von Thiago 2021 ausläuft. "Ich bin nicht bekannt dafür, dass ich Spieler herausstelle", sagte Flick, um dann doch Alaba herauszustellen: "Er ist auf dieser Position zu einem ganz außergewöhnlichen Spieler gereift." Damit wies der Trainer dezent darauf hin, dass sein Händchen all dies ermöglicht hatte - und dass man so einem Spieler vonseiten des Vereins bitteschön alle Wünsche erfüllen möge.

Aber will der Österreicher überhaupt weg? "Heute mal feiern", sagte er nur, als er nach seinen weiteren Plänen befragt wurde. Er sei "sehr, sehr positiv", dass man Alaba trotz offenbar stockender Gespräche halten könne, äußerte der Coach, mit einem Verbleib könne Alaba sogar eine Ikone werden, findet Flick. "Man kann in dem Verein, in dem man ausgebildet wurde, auch die Karriere beenden. Das kommt nicht mehr allzu oft vor. Der ganze Verein weiß, was er an ihm hat, die Wertschätzung ist riesengroß."

Das gilt auch bei Thiago, dem dummerweise halt Liverpool und Barcelona im Kopf herumschwirren. Er hoffe aber, dass sich der Spanier doch noch für ein paar Jahre in München gewinnen ließe, versicherte Flick, "man hat gesehen, dass er sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziert." Das dürfte stimmen, wenn man Thiagos Ausgelassenheit beim Jubeln betrachtete. Aber hatte nicht Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge kürzlich erkannt, dass der Stratege offenbar nochmal auf Erkundungstour woanders hin gehen möchte? Im Sky-Interview ließ Rummenigge nun wissen, dass in Sachen eines Transfers noch niemand an die Bayern herangetreten sei.

Bayern ist durch mit Deutschland

Es bleibt also beim Geplänkel, aber irgendwann muss eine Entscheidung her: Wenn man mit Thiago noch Geld verdienen will, sollte ein Verkauf jetzt über die Bühne gehen. Und das Dilemma liegt darin, dass die Bayern schon auch Gefallen an der deutschen Zentral-Achse um Joshua Kimmich und Leon Goretzka finden. Gegen Leverkusen verkörperten die beiden die totale Münchner Überlegenheit, die letztlich auf allen Positionen deutlich wurde.

Hinten wie vorne, wo Torproduzent Lewandowski seine Saisontreffer 50 und 51 eintütete und laut Flick sogar Weltfußballer werden kann (wobei bekanntlich nur Menschen mit 100 oder mehr Millionen Instagram-Followern eine Chance haben). Oder in Person von Serge Gnabry, der präzise das 2:0 erzielte (24.), während sein Gegenüber Kevin Volland reihenweise Chancen versäbelte. Es gibt schlicht keine bayerische Verwundbarkeiten mehr - selbst ein Kopfball vom kernigen Oberbayern Sven Bender zum 1:3 (64.) oder Kai Havertz' Elfer zum 2:4 (94.) sind nicht mehr als Schulterzucker.

Meisterschaft, Pokal, Torschützenkönig - alles in Bayernhand. Und auch die zweite Mannschaft der Münchner wurde Erster in der 3. Liga. Mit Deutschland sind die Bayern längst durch und wenn man Lewandowski als Maßstab nimmt, darf man sich fragen, wer außer dem fiesen van Dijk aus Liverpool ihn aktuell aufhalten sollte. "Wir haben in den letzten Wochen erlebt, wie motiviert und hungrig der FC Bayern ist", erklärte Manuel Neuer. "Was wir erreicht haben, ist etwas ganz Besonderes. Wir haben jetzt eine kleine Pause, und dann werden wir uns top vorbereiten und versuchen, das Triple einzufahren." Und van Dijk spielt in der Champions League ja gar nicht mehr mit.

Die letzte Herausforderung wartet auf internationaler Ebene. Blöderweise wird die Champions League nicht morgen, sondern erst am 8. August fortgesetzt - eine halbe Ewigkeit, wenn man im Flow bleiben will. Aber Hansi Flick ist auch das zuzutrauen. Seine väterliche Bierruhe und sein Instinkt haben ihn schon jetzt in die Nähe der Heiligkeiten unter den Bayern-Trainern gebracht: Nahe an Hitzfeld und Heynckes, weit weg von Mückenloch und Neckargemünd.

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