FC Bayern:Der Schau-mer-mal-Verein

FC Bayern: Hasan Salihamidzic stellt Alvaro Odriozola vor

Der neue Rechtsverteidiger Álvaro Odriozola (r.) und Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic.

(Foto: dpa)
  • Die jüngsten Personalien des FC Bayern zeigen, dass der Verein sich in einer Phase des Übergangs befindet, die noch vor dem Umbruch kommt.
  • Mit Álvaro Odriozola ist der dritte Profi-Leihspieler in dieser Saison gekommen - ein vierter könnte noch folgen.
  • In München bereiten sie alles vor für den großen Transfersommer, der der teuerste in der Vereinsgeschichte werden könnte.

Von Christof Kneer

Bevor Álvaro Odriozola am Nachmittag bei einer Pressekonferenz persönlich vorgestellt wurde, haben ihn die Bayern schon schriftlich willkommen geheißen. Es ist in der Liga inzwischen üblich, dass neue Spieler in offiziellen Klubkommuniqués begrüßt werden, meistens ist da von "Schritten" die Rede. Der neue Spieler freut sich auf den nächsten Schritt, den er bei dem neuen Verein gehen darf, der Verein freut sich, dass der Spieler seine Schritte hier und nicht woanders geht. Meist darf ein Verantwortlicher des Klubs dann noch erläutern, mit welchen Fähigkeiten der neue Spieler die Elf verstärken wird und was man genau mit ihm vorhat. Auf jeden Fall wird meistens erkennbar, wie schrecklich man sich aufeinander freut.

In jener Mitteilung, die der FC Bayern München am Mittwoch um 11.03 Uhr versandte, wird der Sportdirektor Hasan Salihamidzic dagegen recht distanziert zitiert: Man sei "überzeugt, dass Álvaro Odriozola unserer Mannschaft mit seinen Qualitäten helfen wird". Er, Salihamidzic, sei "froh, dass wir so einen Außenverteidiger gefunden haben". Was für einen Außenverteidiger genau? Welche Qualitäten?

Und Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München AG, freut sich zwar pflichtgemäß "sehr" über die Verpflichtung und bedankt sich "bei den Verantwortlichen von Real Madrid für die sehr freundschaftlichen und partnerschaftlichen Gespräche" - aber dem Verein war es offenbar wichtig, das Zitat des Chefs so einzuleiten: "Nach internen Gesprächen haben wir beschlossen, dem Wunsch unseres Cheftrainers Hansi Flick nach Verstärkung für die Defensive zu entsprechen ..."

Okay, vielleicht war das auch nur höflich. Nachdem Flick dem Klub kürzlich einen kleinen Gruß übermittelt hat, hat der Verein ihn jetzt zurückgegrüßt. Im Subtext heißt diese Formulierung etwa: Du, Trainer, hast öffentlich einen neuen Außenverteidiger gefordert - bitte schön, da hast du einen, jetzt mach mal schön was draus.

Mit Odriozola sind die Bayern jetzt einfach einer mehr

Natürlich ist Álvaro Odriozola, 24, ein guter Spieler, auch wenn er bei Real Madrid zuletzt nur noch selten Spieler, sondern eher ein Trainierer war. Nur vier Erstligaspiele hat er in dieser Saison bestritten, aber zuvor in seiner Zeit bei Real Sociedad San Sebástian hat er schon gezeigt, wie schnell er ist, wie gut er an einem guten Tag seine rechte Seite im Griff haben kann und dass man sich alles in allem auf gar keinen Fall für ihn genieren muss. Dennoch darf man festhalten, dass es in der Geschichte des Transferwesens schon Vereine und Spieler gab, deren Sehnsucht nacheinander größer war als die zwischen Odriozola und dem FC Bayern.

Man muss es ja sagen, wie's ist: Odriozola hat dringend einen neuen Verein gebraucht, einen, bei dem er wieder zum Spielen kommt. Und der FC Bayern hat dringend einen Spieler gebraucht, einen, der gesund ist und sich ein bisschen mit Abwehr auskennt. Das ist die unromantische Idee hinter dieser Personalie: Mit Odriozola sind die Bayern jetzt einfach einer mehr.

So kann es sich Hansi Flick ab sofort leisten, Joshua Kimmich im Mittelfeld zu besetzen und Benjamin Pavard in die Innenverteidigung zu stecken - er hat dann trotzdem noch einen Rechtsverteidiger, Odriozola, immerhin einen von Real Madrid.

Selbst wenn Sané und Havertz kommen, müssten die Bayern wohl weiter investieren

Kaderplanung ist schwierig geworden im modernen Fußball, nicht nur, weil jeder Trainierer heute 20 Millionen kostet. Das Geschäft ist so schnell und verrückt geworden, dass man nur noch mit Mühe langfristige Kadervisionen entwickeln kann, keiner weiß ja, ob ein fest eingeplanter Topspieler im Winter nicht plötzlich zum Rivalen überläuft. So sind Spielerkader heute notgedrungen sehr für die Gegenwart konzipiert, aber im Bayern-Kader steckt inzwischen eine Menge an Gegenwart, die nicht ungefährlich ist. Die Münchner wähnen sich nach den Abschieden von Franck Ribéry und Arjen Robben in einem Prozess des Umbruchs, aber die jüngsten Personalien zeigen, dass der Verein sich in Wahrheit in einer Phase des Übergangs befindet, die noch weit vor dem Umbruch kommt.

Philippe Coutinho: vom FC Barcelona ausgeliehen bis Sommer, inklusive Kaufoption (angeblich 130 Millionen). Ivan Perisic: von Inter Mailand ausgeliehen bis Sommer. Álvaro Odriozola: von Real ausgeliehen bis Sommer, mutmaßlich ohne Kaufoption. Und Nicolas Kühn, 20, einer der begabtesten deutschen Jungstürmer und Inhaber der goldenen Fritz-Walter-Plakette: Auch seinen Transfer haben die Bayern am Mittwoch verkündet. Kühn, bislang Ajax Amsterdam, soll ab sofort Bayerns Drittliga-Mannschaft verstärken, natürlich mit Perspektive Profi-Elf - aber auch diese Perspektive endet erst mal im Sommer. Auch für Kühn gilt: erst mal nur ausgeliehen.

Und sollten in den nächsten Tagen noch weitere Spieler kommen, dann vermutlich ebenfalls auf Leihbasis und nur bis zum Sommer - so sind die Bayern offenbar an einer leihweisen Rückkehr von Flügelspieler Douglas Costa (Juventus Turin) interessiert, aber so wie es aussieht, geben die Italiener den Brasilianer nicht her.

In München bereiten sie alles vor für den großen Transfersommer, der der teuerste in der Vereinsgeschichte werden könnte. Sollten die Bayern sich entscheiden, Leroy Sané und Kai Havertz gemeinsam anzuwerben, könnten mit allen Nebengeräuschen 200 bis 300 Millionen Euro fällig werden, aber größer wäre der Bayern-Kader wegen der möglichen Abschiede von Coutinho und Perisic dann ja immer noch nicht. Die Bayern müssten also trotzdem noch weiter investieren, und sollten dann auch noch alternde Helden wie Jérôme Boateng oder Javi Martínez ein Jahr vor Vertragsende 2021 abgegeben werden, müssten deren Planstellen auch wieder mit neuen Spielern besetzt werden, die auch wieder Geld kosten und Geld verdienen. Und welcher Trainer das alles absegnen soll, Hansi Flick oder Thomas Tuchel oder ein anderer, ist ebenfalls offen.

Zurzeit hat man das Gefühl, die Bayern bauen nicht wirklich, sie reparieren eher. Der Mia-san-mia-Klub ist im Moment eher ein Schau-mer-mal-Verein, der sich alle Optionen offenhält. Gut genug, um in der Gegenwart Titel zu gewinnen, ist dieser Bayern-Kader natürlich trotzdem, aber nach den Titeln würde es erst richtig spannend. Denn dann kommt der Sommer.

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