FC Bayern:Nüchterne Betrachtung des exquisiten Halbjahrs

Mia san mia - Das Siegerkollektiv

Jupp Heynckes: super Hinserie.

(Foto: dapd)

Dante, Franck Ribéry, Thomas Müller und Moderator Jupp Heynckes prägten die formidable Hinrunde des FC Bayern - Verteidiger Jérôme Boateng bleibt das Sorgenkind im Kader. Ausgiebig gefeiert werden soll allerdings erst am Saisonende.

Von Andreas Burkert

Die ersten Geschenke hat der FC Bayern schon ausgeliefert, am Samstagabend wurden gut 200 Gäste mit "Rekordmeisterschlitten" aus oberbayerischem Qualitätsholz ausgestattet. Die Belegschaft samt Familien und enge Freunde der Münchner Fußballfirma hatten sich zur Weihnachtsfeier in der "Käfer-Alm" versammelt, wo im Kerzenschein Ochse und Baumkuchen kredenzt wurden.

Die Zusammenkunft besitzt Tradition bei den Bayern, und wie im richtigen Leben gab es dabei schon Partys, auf die Neugründungen von Familien zurückgehen sollen. Gegen die aktuelle Ausgabe des Festes vorm Fest wird aber kaum jemand moralische Bedenken vorbringen: Bereits gegen Mitternacht löste sich die Gesellschaft auf, wie der Tabellenführer am Sonntag vermeldete. Die Bayern finden, für ausgiebige Feierlichkeiten sei es noch ein wenig zu früh.

Wer die Münchner und ihre Stammesführer nicht kennt, den mag der vergleichsweise nüchtern begangene Hinrunden-Kehraus irritieren. Schon Freitagabend, nach dem 1:1 gegen Mönchengladbach, wirkten die Würdenträger ja vergleichsweise reserviert, als sie ihre Mannschaft zwar belobigten für eine exquisite Halbserie - und doch den Eindruck vermittelten, als drücke irgendetwas die Laune. "Total gelassen und sehr, sehr zufrieden" gehe man nun in die Ferien, sagte etwa Präsident Uli Hoeneß. Aber sein Blick kündete davon, dass er jetzt noch nicht Frieden schließen kann und will mit dem Fußballjahr 2012.

Es ist keineswegs der Punktverlust gegen die kompakt stehende Borussia gewesen, der die Bayern zurückhält. Und Jérôme Boateng dürfte nun zwar auf Bewährung spielen, nachdem ihm gegen den VfL das nächste Malheur unterlief und Hoeneß ihn mürrisch tadelte. Dem Innenverteidiger, der seine Vorgesetzten zuletzt mit rohen Einlagen verärgerte, war diesmal wenig vorzuwerfen bezüglich seines unglücklichen Handspiels, das dem Elfmeter zum 0:1 durch Thorben Marx vorausgegangen war. Hoeneß' wertete den Vorgang trotzdem als nächste Tölpelei Boatengs. "Wenn du so hingehst", fand er, "brauchst du dich nicht wundern, wenn es Elfmeter gibt."

Wenn der fehlerfreie Neuling Dante, die konstante Triebfeder Franck Ribéry, der Topscorer Thomas Müller (9 Tore, 9 Assists) und der Moderations-Gelehrte Jupp Heynckes die prägenden Köpfe der Hinrunde waren, so bleibt Boateng wegen der grassierenden Verteidigernot ein Sorgenfall.

Aber es sind natürlich andere Dinge, die die Vorbehalte der Bayern erklären, mit denen sie sich jetzt unter den Tannenbaum setzen. Genaugenommen ist es die komplette Jahresbilanz 2012. In dieser Bilanz stehen ja nicht bloß die 42 Punkte des zweiten Halbjahres und die nur sieben Gegentore - sondern ebenso jene drei zweiten Plätze, die im Mai den Verein erschütterten, die das Aus des Sportdirektors Christian Nerlinger beschleunigten und die Rekrutierung von Sportvorstand Matthias Sammer erklärten.

Gerade Sammer, der Ehrgeiz in Person, ist es jetzt, der allwöchentlich Zurückhaltung predigt. "Zufrieden sind wir nicht, aber auch nicht ganz unzufrieden", sagte er nach dem Remis gegen Gladbach. Oder auch: "Wenn wir am Dienstag gewinnen, bin ich zufrieden."

Erst Augsburg, dann feiern

Am Dienstagabend empfängt der angehende Absteiger FC Augsburg die Bayern zum Pokal-Achtelfinale. Ohne den Pflichtsieg dort bliebe von einer Hinrunde mit zahlreichen Bestmarken "ein fader Beigeschmack", findet Sammer. Auf dem Weihnachtsfest ergänzte Vorstand Karl-Heinz Rummenigge, der Klub stehe "wirtschaftlich super da", man könne mit 2012 "zufrieden sein". Aber zufrieden? Das reicht ihm eher nicht. "Konzentriert, fokussiert und mit großem Elan" müsse man in die Rückrunde gehen, mahnte er deshalb.

Ausgiebig feiern wollen die Bayern erst, wenn sie das komplette Set von 34 Spielen geprägt haben; anders als im Vorjahr, als Dortmund in 17 Partien elf Zähler gutmachte. "Wir müssen uns profihaft verhalten", sagte Manuel Neuer. Bedenken, erneut den Meistertitel zu verspielen, hat der Torwart allerdings nicht: "Der Kader ist besser geworden, die Bank hat schon oft Spiele gewonnen." Wie ja beinahe auch gegen den VfL, als der eingewechselte Xherdan Shaqiri das sechste Münchner Joker-Tor erzielte und wenigstens das 1:1 sicherte.

Was sonst bleibt von der Hinrunde der Bayern? Dass sie trotz all der erstaunlichen Zahlen wohl noch mehr zu leisten imstande sein dürften. Schließlich ist der lange verletzte Torjäger Mario Gomez erst als Teilzeitarbeiter zurückgekehrt; den größten Eindruck hat das bisher beim Stürmer-Kollegen Mario Mandzukic (9 Tore) hinterlassen: Seit Gomez wieder einsatzbereit ist, blieb der Kroate ohne Treffer.

Auch David Alaba hat lange pausieren müssen, und als Arjen Robben am Samstagabend mit güldener Krawatte zur Weihnachtsfeier erschien, erinnerte dies daran, dass der immerhin wieder trainierende Holländer ja ebenfalls noch eine Option für 2013 ist.

Über die Zwischenstation Augsburg, vor allem aber über die Ertragsbilanz der kommenden Monate wird sich der aktuelle Bayern-Jahrgang definieren. Viel früher wird auch nicht über eine mögliche Vertragsverlängerung mit Trainer Jupp Heynckes gesprochen werden. Die Münchner sind dem Vernehmen nach fest entschlossen, Pep Guardiola für sich zu gewinnen.

Doch ob der einstige Baumeister des FC Barcelona ihrem Werben erliegt, das ist wohl momentan auch für sie kaum einzuschätzen angesichts der diskreten Meinungsbildung des ein Jahr lang pausierenden Katalanen. Einstweilen bleibt also offen, ob die Bayern Heynckes, 67, zur erneuten Verschiebung des Ruhestands überreden werden.

So oder so, zunächst müssen Heynckes' Männer erst ein paar Trophäen für eine Feier heranschaffen, bei der sie dann auch ordentlich über die Stränge schlagen dürften. Der Trainer käme dann bestimmt vorbei. Samstagabend auf der Alm hat er gepasst. Grippe.

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