FC Bayern: Trainerdebatte:Notlösung Louis van Gaal

Der Trainer soll die Saison beim FC Bayern beenden, weil auf die Schnelle kein adäquater Ersatz verfügbar ist. Van Gaal ist damit einverstanden - doch die Bayern gehen ein großes Wagnis ein.

Andreas Burkert

Irgendwann wird das Ganze sicher von Marketing-Gurus als genialer PR-Coup der Automobilindustrie preisgekrönt werden, mit deren Produkten sich die Angestellten des FC Bayern durch ihre heile Welt bewegen. Viele Werbemillionen hätte sie ausgeben müssen für jene Bilder, die nun für immer und ewig mit Louis van Gaal und seinem vorzeitigen Abschied aus München in Verbindung bleiben.

Lange hatte man ja, der FC Bayern mag das sehr früh verdrängt haben, beim Gedanken an van Gaal vor allem dessen kräftige Waden im Sinn, die der Fußballlehrer bei den Partys auf dem Rathausbalkon entblößte. Aber seit Sonntagabend hat man eben eher die Limousinen jener Herren vor Augen, die lange mit sich und seiner sofortigen Entlassung rangen, ehe sie im Scheinwerferlicht der journalistischen Wegelagerer in die Nacht entschwanden.

Auf einen gemeinsamen Nenner waren die Bosse zwar gekommen, einen Sieger ergab ihre Rechnung aber nicht: Van Gaals Dienstzeit endet nun am 14. Mai, nach dem letzten Heimspiel gegen den VfB Stuttgart.

Van Gaal ist einverstanden mit der vorzeitigen Trennung zum Saisonende, der 59-jährige willigte jedenfalls ein, als ihm am Montagmittag in einem Münchner Hotel von Vorstand Karl-Heinz Rummenigge, Finanzchef Karl Hopfner und Sportdirektor Christian Nerlinger die entsprechende Offerte unterbreitet wurde. Nachmittags verschickte der Verein dann die Mitteilung mit dem erwarteten Kompromiss, mit dem eigentlich keine Partei gut leben kann.

"Louis van Gaal Trainer des FC Bayern bis Saisonende/Einvernehmliche Vertragsauflösung zum 30.6.2011", hieß es im Titel. "In beiderseitigem Einvernehmen" werde der bis 2012 gültige Vertrag aufgelöst, folgte im knapp gehaltenen Kleingedruckten. "Grund für die Auflösung des Vertrages ist die unterschiedliche Auffassung über die strategische Ausrichtung des Klubs." Eine Meisterleistung in Diplomatie angesichts eines nicht mehr reparablen Verhältnisses unter Alpha-Tieren.

An einen sofortigen Rücktritt dachte van Gaal trotz des für alle Welt erkennbaren Vertrauensentzugs nicht. Dafür geht es für ihn offenbar um zu viel Geld. Und kämpferisch hatte der Trainer bereits am Samstag nach dem 1:3 in Hannover geklungen. Es werde schwierig "für meinen Vorstand", so rasch einen Nachfolger zu finden, hatte er nach dem verstörenden Auftritt seiner Elf konstatiert. Van Gaal sagte das ausnahmsweise nicht im provokanten Tonfall. Zwei Tage später wusste er, dass er nach längerer Zeit mal wieder recht hatte mit einer Analyse.

Keine Mehrheit für Jonker

Denn die Münchner streiten jetzt keineswegs ab, dass van Gaal nur deshalb noch maximal neun Ligapartien und zumindest das Achtelfinal-Rückspiel in der Champions gegen Inter Mailand (15.3) betreut, weil sich ihre Führungscrew am Sonntag in fünfstündiger Krisensitzung nicht auf eine Nachfolgeregelung hatten einigen können - einstimmig fiel nur das Votum zur grundsätzlichen Trennung von van Gaal aus. Auf diese nicht besser vorbereitet gewesen zu sein mit einer Alternative, begründen die Bayern jetzt mit der unvorhersehbar rasanten Talfahrt in den vergangenen zehn Tagen.

Louis van Gaal bleibt bis Saisonende Trainer des FC Bayern Muenchen

Vertragsende am 30. Juni 2011: Bayern-Trainer Louis van Gaal.

(Foto: dapd)

Eine übergeordnete Sofortlösung über das Saisonende hinaus gab es auch deshalb nicht, weil die Verpflichtung eines bestimmten Kandidaten nicht zu realisieren war - und all die Namen, die im medialen Phantasialand lanciert wurden (Sammer, Jol, Laudrup usw.) intern nie als Optionen galten. Die ernsthaft diskutierte Interimslösung mit van Gaals Assistent Andries Jonker fand wiederum keine Mehrheit in den vier Wänden der Familie Rummenigge, wo - im Gegensatz zum Montagstermin mit van Gaal - auch Präsident Uli Hoeneß debattierte.

Besonders Rummenigge und Nerlinger waren wohl nicht von Jonkers Beförderung überzeugt: Littbarski in Wolfsburg oder Keller beim VfB, das seien zuletzt Beispiele gewesen, dass zum Chef ernannte Co-Trainer nicht unbedingt neue Impulse brächten, hieß es dazu. Zudem zeigte sich Jonker ehrenwert loyal gegenüber dem Vorgesetzten van Gaal und den übrigen Landsleuten im Trainerkollegium.

So gehen die Bayern nun notgedrungen das Wagnis ein, mit einer Trainer-Autorität, an der sie zuletzt verzweifelt sind, irgendwie doch noch das Minimalziel zu erreichen, die Qualifikation für die Champions League. Richtig überzeugt dürften sie davon nicht mehr sein, aber es bleibt ihnen jetzt keine andere Wahl. "Es ist ohne Frage sehr, sehr schwierig, aber wir sind uns trotz der künftigen Trennung einig, dass wir unsere Kräfte gemeinsam für unsere Ziele einsetzen", sagte Rummenigge und ließ keine Nachfragen zu.

Die Notlösung van Gaal haben sie auch deshalb mit ihrem Ego vereinbaren können, weil sich im Dialog mit Spielern nicht der Eindruck bestätigte, das Team lehne den strengen Feldherrn - der sie zuletzt mit seinen Aufstellungs-Rochaden, der Ausgrenzung von Reservisten und seinem Analysewahn überfrachtet und verunsichert habe - geschlossen ab. "Das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft ist nicht zerrüttet", betonte Nerlinger. Er und der Vorstand hoffen jetzt, dass die Spieler im Saisonfinale vor allem an ihre eigenen Ziele denken.

Immerhin haben die Bayern mit der Vertragsauflösung etwas Zeit gewonnen, sich nach einem neuen Trainer ab dem Sommer umzusehen. Wobei der Favorit längst feststeht: Jupp Heynckes (SZ vom 7.3.). Ob der einer erneuten Rückkehr nach München zustimmt, hängt vom Machtkampf in Leverkusen um die Personalie Ballack ab. Die Bayern müssen jetzt erst einmal abwarten, auch in diesem Fall.

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