FC Bayern:Süles süßer Moment

FC Bayern Muenchen v Olympique de Marseille - Friendly Match

Niklas Süle: Erste Schritte zurück ins Team

(Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Im Testspiel gegen Marseille gibt Niklas Süle sein Comeback neuneinhalb Monate nach seinem Kreuzbandriss. Trainer Flick spricht dazu warme Worte - doch der Weg zurück in die Startelf ist weit.

Von Maik Rosner, München

Niklas Süle stand an der Seitenlinie, genauso wie Michaël Cuisance und Sven Ulreich. Sie warteten in dieser 61. Minute auf Jérôme Boateng, Serge Gnabry und Manuel Neuer, um für diese das Testspiel des FC Bayern gegen Olympique Marseille fortzusetzen. Und als Süle am Freitagnachmittag bei seiner Einwechselung für Boateng auf den Platz lief, passierte: so gut wie nichts.

Ein paar Anfeuerungsrufe durch die Kollegen waren zwar zu vernehmen und auch manch ein Klatschen von der Tribüne, auf der die Vereinsführung des FC Bayern und ein paar weitere Zuschauer der Münchner von Amts wegen saßen. Doch im Vergleich zu jenen gefühlt schon sehr fernen Zeiten, als lang erwartete Comebacks vom Publikum mindestens so euphorisch bejubelt wurden wie Tore, kam Süles Rückkehr auf den Rasen neuneinhalb Monate nach seinem Kreuzbandriss unscheinbar daher.

Es war einer dieser Momente, die durch die sogenannten Geisterspiele sehr klein wirken. Für Süle, 24, und alle, die sich mit ihm freuten, war es aber ein sehr großer Moment. Größer jedenfalls als jene seltenen, in denen der Innenverteidiger vor seiner schweren Knieverletzung Tore erzielt hatte. "Ich bin unheimlich froh, mit meinen Kollegen wieder auf dem Platz zu stehen", sagte Süle später.

Seit dem 19. Oktober 2019 oder 286 Tage hatte er darauf warten müssen. Damals hatte er in der Anfangsphase des Bundesligaspiels beim FC Augsburg (2:2) die Ruptur des vorderen Kreuzbandes erlitten. In einem Sprint und ohne gegnerische Einwirkung war er plötzlich zusammengesackt. Die Sorgen beim FC Bayern und DFB um den deutschen Nationalspieler waren nach der umgehenden Operation damals auch deshalb besonders groß, weil sich Süle bereits zum zweiten Mal einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen hatte. Beim ersten Mal im Dezember 2014 hatte er noch für Hoffenheim gespielt. Damals benötigte er deutlich mehr als ein halbes Jahr, um seinem Beruf wieder nachgehen zu können. Diesmal dauerte es noch länger, nachdem Süle im Aufbautraining im April von einem Ödem im Knie zurückgeworfen worden war.

Auch deshalb verlieh Hansi Flick nun der Freude besonderen Nachdruck. "Was Niklas betrifft, sind wir alle, sind wir alle sehr zufrieden", sagte der Trainer, "ich denke, der ganze Verein hat aufgeatmet." Und weil Süle sehr hart für diesen Moment der Rückkehr gearbeitet habe in der langen Reha, auch zuletzt während des Urlaubs der Kollegen, "hat er es sich mehr als verdient, dass er wieder auf dem Platz steht." Es sei "für ihn und uns ein schöner Tag", befand Flick.

Die besonders gute Nachricht für den Trainer und alle Münchner dabei war, dass Süle gleich wieder die gewohnte Präsenz und Präzision in seinem Spiel ausstrahlte. Statistiker hatten 41 Pässe von ihm gezählt, nur einer davon kam nicht beim Adressaten an. Und auch sonst wirkte der wuchtige Innenverteidiger abgesehen von einem missratenen Zweikampf schon wieder sehr wettkampftauglich, wenngleich er in seiner halben Stunde Spielzeit beim souveränen 1:0 (1:0)-Sieg gegen Marseille durch Serge Gnabrys Tor aus der 19. Minute nicht wirklich voll gefordert worden war. Wenn es nach Süle geht, darf sich das aber bald ändern.

Süle kann sich die EM zum Ziel setzen

"Ich brauche Spielzeit, um zu alter Stärke zurückzufinden", sagte er. Körperlich sei er "topfit", ihm fehle nur Rhythmus sowie noch ein wenig Abstimmung und Spritzigkeit, aber: "Wenn ich gebraucht werde, bin ich da." Man werde sehen, "wie ich der Mannschaft helfen kann, vielleicht sogar schon am Samstag gegen Chelsea." Dann geht es für die Bayern im Rückspiel des Achtelfinals der Champions League darum, die Zulassung fürs Viertelfinale zu erwerben, wovon nach dem 3:0-Sieg aus dem Hinspiel in London wohl ausgegangen werden darf. Danach soll es nach Portugal in ein Kurztrainingslager an die Algarve gehen, ehe der Titel in Lissabon im Turnierformat ausgespielt wird.

Eine besondere Note für Süle hat diese Veranstaltung auch deshalb, weil sie mit ihren K.o.-Spielen wie eine Klub-EM daherkommt und damit an jenes Ziel erinnert, auf das Süle lange Zeit eigentlich hingearbeitet hatte. Dass er die EM der Nationalmannschaften unbedingt erreichen wolle, hatte er schon bald nach seiner Verletzung gesagt. Doch dann kamen Corona und die EM-Absage, was für Süle immerhin den Vorteil hatte, dass er Zeit für seine Reha gewann. Denn wegen seines Rückschlags im April durch die Flüssigkeit im Knie wäre es wohl nichts geworden mit der Berufung durch Bundestrainer Joachim Löw.

So aber kann sich Süle die EM wieder zum Ziel setzen, weil diese im kommenden Sommer nachgeholt werden soll. Vielleicht kann er sogar schon Anfang September in den Länderspielen gegen Spanien und gegen die Schweiz Spielpraxis beim DFB sammeln. Und zuvor könnte er bereits zum erhofften Titelgewinn in der Champions League und damit zum zweiten Triple in der Geschichte des FC Bayern nach 2013 beitragen.

Übergeordnet strebt Süle sogar noch mehr an, beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft. Bereits Anfang Mai sagte er: "Ich möchte in den nächsten zwei, drei Jahren den nächsten großen Schritt machen. Und wenn die Leute dann sagen, ich gehöre zu den Besten der Welt, freue ich mich." Sein hohes Ziel, "einer der besten Innenverteidiger der Welt" zu werden, dürfte er aber wohl erst mittelfristig angehen können.

Vorerst ist jedenfalls damit zu rechnen, dass Flick weiter auf David Alaba und Jérôme Boateng als eingespieltes und bewährtes Innenverteidiger-Duo vertraut. Und obwohl Süle nun sagte, er habe "unheimlich viel investiert", um am Turnier der Champions League teilnehmen zu können, weiß er, dass es für ihn erst einmal darum gehen wird, "in den nächsten Wochen den nächsten Schritt nach vorne zu machen".

Als Ergänzung mit der Aussicht auf Spielminuten, wie erstmals bei seiner Rückkehr gegen Marseille, ist Süle für den Kader der Champions League aber fest vorgesehen, das hatte Flick bereits vor einiger Zeit angekündigt. Nun sprach der Trainer davon, dass Süle "eine weitere Option" sei. Gut möglich also, dass sich Süles kleiner, großer Moment vom Freitag bei seiner Einwechselung für Boateng bald schon in einem Pflichtspiel auf der größten Bühne des europäischen Vereins-Fußballs wiederholt. Zwar erneut mit nur sehr wenig Publikum im Stadion, aber dafür mit umso mehr Beachtung.

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