Die gleiche Frage, zwei Antworten. Die eine Antwort ist die eines Mannes, der auch immer ein Getriebener ist. Die andere Antwort ist die eines Mannes, der auch immer ein Gelassener ist.
Frage an Trainer Pep Guardiola: Ob er auch in der nächsten Saison beim FC Bayern sein werde? "Heute habe ich keine Antwort. Nächste Woche werdet Ihr die Antwort kennen."
Frage an den Mittelfeldstrategen Xabi Alonso: Ob er auch in der nächsten Saison beim FC Bayern sein werde?
"Wir haben keine Eile." Die gleiche Frage, zwei Antworten. Die eine Antwort treibt nun den gesamten Verein und dessen nervöses Umfeld vor sich her. Die andere, die gelassene, geht darin ein bisschen unter. Dabei wird auch sie für die nähere Zukunft des Vereins entscheidend sein.
Dienstagabend, der FC Bayern München hatte gerade den SV Darmstadt 98 im Achtelfinale des DFB-Pokals 1:0 besiegt, der Verein hatte direkt nach dem Spiel eine Lasershow aufgeführt, und direkt nach der Lasershow waren beides, Spiel und Lasershow, schon wieder nebensächlich. Dann zählte nur noch die Frage nach der Zukunft von Pep Guardiola.
Im Sommer endet der Dreijahresvertrag des Katalanen beim FC Bayern, seit inzwischen fast einem Jahr stellen ihm Reporter und Vereinsmitarbeiter die Frage, was danach sein wird. Aber nie hatte Guardiola eine Antwort. Zumindest nicht vor dem kommenden Wochenende.
Dann, so kommunizieren sie das bisher im Verein, werde sich Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge mit dem Trainer zusammensetzen. Und kurz danach, so hat das ja am Dienstagabend auch erstmals Guardiola selbst kommuniziert, soll die Entscheidung über seine Zukunft verkündet werden. Kaum hatte er so konkret wie nie zuvor das Ende der Unsicherheit angesprochen, fing das Geraune und Getuschel an; am Mittwoch meldete zum Beispiel in Spanien die Zeitung Marca Guardiolas Abschied als definitiv, sie verzichtete allerdings darauf, eine Quelle zu nennen.
Der Trainer selbst war am Dienstagabend ausgesprochen entspannt, in der Pressekonferenz witzelte er, dass er mit Alonso dessen Kunstschuss zum Endstand gegen Darmstadt am Tag zuvor trainiert habe; er fragte: "War okay, oder?" Später lief er noch einmal an den wartenden Journalisten vorbei, Kameralichter wurden schnell angeschaltet, Guardiola lächelte, hob die Augenbrauen, dann war er schon wieder aus dem Kameralicht herausgelaufen. Wenige Schritte später hatte er Zeit für eine kleine Plauderei.
Er wirkte also überhaupt nicht wie ein Mensch, der eine schwere Frage mit sich herumschleppt, der womöglich nicht weiß, was er machen wird. Im Sommer dagegen, vor dem ersten Spieltag, als die Diskussionen über die Vertragsgespräche erstmals lauter und auch schärfer geworden waren, als alle auf eine Ansage Guardiolas warteten, war er selbst dünnhäutig, angespannt, manchmal sogar mit den Gedanken abwesend. Damals wirkte er wie ein Mann, den das Thema durchaus belastet, der womöglich selbst noch die richtige Antwort sucht.
Jungs, sagte er dann auf Nachfragen, es sei doch erst Juli. Dann wurde es August, es wurde Herbst, es kam der Advent. Weiter keine Antwort. Ob er mit einer Überraschung noch vor Weihnachten rechne, wurde Sportvorstand Matthias Sammer am vergangenen Wochenende gefragt. "Eine Überraschung wäre es ja nur, wenn er nicht bleibt", sagte Sammer. Es war die deutlichste Antwort der vergangenen Wochen, aber auch sie blieb undeutlich, weil Sammer eine ganz eigene Rhetorik eingeführt hat, in der er selbst dann verschleiert, wenn er eigentlich nur die Wahrheit sagen will. Am Dienstagabend lief Sammer lächelnd, aber auch schweigend zum Ausgang. Auch er lief wie einer, der sich keine allzu großen Gedanken vor dem kommenden Wochenende macht.
Sie sind beim FC Bayern ja schon länger vorbereitet auf beide Fälle. Sie würden dem Trainer gerne einen neuen Vertrag geben, sie wissen, dass er der Mannschaft eine fußballerische Idee gegeben hat, dass er das internationale Ansehen des Vereins noch einmal gesteigert hat. Rummenigge hat allerdings schon vor Monaten auch angekündigt, die Welt gehe nicht unter, falls Guardiola sich verabschieden werde. Sie wissen, dass das Niveau des Kaders inzwischen so hoch ist, dass er auch ohne Guardiola nicht auseinanderfallen wird.
Xabi Alonso, der Meister der inneren Ruhe, steht für diese Qualität ganz besonders. Als er Ende August 2014 kam, rettete er mit seinen langen Bällen das Team durch das Post-WM-Loch. Als im Frühjahr zeitweise die halbe Mannschaft ausfiel, steuerte er die Verbliebenen durch kräfteraubende Wochen. Zum Ende des Jahres ist er nun erneut der Überbrückungsspieler, gegen Darmstadt strukturierte vor allem er den Spielaufbau. Seine Grandezza bleibt unerreicht; am vergangenen Samstag scheiterte Arturo Vidal etwa gegen Ingolstadt daran, das Spiel zu ordnen wie nun der Baske.
Aber ob Xabi Alonso bleibt oder nicht, auch diese wichtige Frage wird zumindest bis Weihnachten verdrängt werden vom Warten auf eine Antwort, die wohl nur noch wenige überraschen wird. Außer vielleicht Matthias Sammer.