Niklas Süle beim FC Bayern:Der Dichtmacher ist zurück

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Ein Herz für Süle: Der Verteidiger nach dem 5:0 gegen Kiew im Kreise der Kollegen Alphonso Davies, Serge Gnabry und Leon Goretzka (v.l.). (Foto: MiS/imago)

An der Abwehr des FC Bayern zeigt sich der Einfluss von Trainer Julian Nagelsmann besonders. Innenverteidiger Niklas Süle ist einer der Gewinner des Saisonstarts - und beinahe nicht mehr wiederzuerkennen.

Von Sebastian Fischer, München

Als der FC Bayern zum bisher letzten Mal auf Eintracht Frankfurt traf, hatte Niklas Süle ein Problem. Die Münchner verloren im Februar mit 1:2, und beim Gegentor durch den kleinen und flinken Amin Younes befand sich der große und wuchtige Verteidiger auf verhängnisvolle Weise in der Nähe, ohne an einem Schuss in den Winkel etwas ändern zu können. "Er muss den Spieler nach außen abdrängen", kritisierte damals Karl-Heinz Rummenigge als Bayerns Vorstandschef.

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Wenn die Bayern an diesem Sonntag wieder gegen Frankfurt spielen, ist vieles anders. Younes kann nicht mehr treffen, weil er nicht mehr für die Eintracht aufläuft. Rummenigge ist kein Vorstandschef mehr. Und Süle, 26, spielt bislang eine Saison, die nicht mehr viel mit der für ihn oft problematischen vergangenen gemein hat. In den Szenen, in denen er auffällt, ist er meist selbst der Protagonist. Er streichelt den Ball manchmal fast wie ein kleiner und flinker Spieler in einem großen und wuchtigen Körper. Er steht eher dafür, dass einem gerade kaum Probleme auffallen, die ein Gegner wie Frankfurt aufdecken könnte.

Im Sommer schien Süles Rolle in der Bayern-Abwehr noch auf eine als Nebendarsteller hinauszulaufen

Über Frankfurt, seine Heimat, hat der Verteidiger unter der Woche schon gesprochen, jedenfalls hat ihn Trainer Julian Nagelsmann so zitiert. "Niki hat gesagt, das war alles Familie aus Frankfurt", erzählte der Trainer in der Pressekonferenz nach dem 5:0 in der Champions League gegen Dynamo Kiew am Mittwoch, als er auf die Szenen im Stadion nach Schlusspfiff angesprochen wurde, die dem Verteidiger wohl fast ein bisschen peinlich waren. "Süüüle! Süüüle", hatte da ein vernehmbarer Teil der Fans gerufen, als die Mannschaft ihre Ehrenrunde drehte. Nachdem die Anhänger schon während der Partie den vor einem Monat noch ausgepfiffenen, seit Wochen starken Leroy Sané angefeuert hatten, bewiesen sie damit ein zweites Mal Sensibilität.

Im Sommer schien Süles Rolle in der Bayern-Abwehr noch auf eine als Nebendarsteller hinauszulaufen. Er hatte nicht nur eine Saison nach einem Kreuzbandriss mit Formschwankungen, sondern auch eine EM als Ersatzspieler hinter sich. Andererseits war Lucas Hernández verletzt. Und Süle traf durch den Wechsel des Trainerteams in München gleich zwei seiner ehemaligen Förderer bei der TSG Hoffenheim, von der er 2017 nach München gewechselt war: Nagelsmann und dessen Assistenzcoach Xaver Zembrod, die Süle einst in der B-Jugend vom "Zehner" zum Abwehrspieler umschulten. Seit Saisonbeginn stand er in neun von zehn Pflichtspielen in der Startelf.

Warum nicht auch mal selbst aufs Tor schießen? Niklas Süle ist unter Julian Nagelsmann selbstsicherer geworden. (Foto: Andreas Gebert/Reuters)

Nagelsmanns Einfluss auf Bayerns Saisonstart mit neun Pflichtspielsiegen in Serie ist in vielerlei Hinsicht zu sehen. Besonders zeigt er sich aber in der Abwehr, die in der Vorsaison noch zahlreiche Tore nach Kontern kassierte. In den vergangenen sieben Partien kassierten die Bayern nur zwei Gegentore. Süle sorgte dabei meist als Innenverteidiger für Stabilität. Schon in der Vorsaison unter Hansi Flick spielte er manchmal als Rechtsverteidiger und sorgte mit seinen Dribblings für Erstaunen. Als er nun gegen Kiew wieder rechts spielte, stand er damit auch für die von Nagelsmann so oft betonte Variabilität.

Süles Vertrag läuft im Sommer aus, immer wieder gab es Spekulationen über eine Trennung

Für den linken Flügel haben die Münchner in Alphonso Davies einen offensivstarken Außenverteidiger, ein Pendant auf rechts gibt es im Kader im Grunde nicht. Doch so, wie die Bayern am Mittwoch ihr Spiel aufbauten, fiel das kaum auf - und betonte im Gegenteil viele Stärken. Während links Davies wie so oft in Flügelstürmerhöhe zu finden war (was Sané die Möglichkeit gibt, in die Mitte zu rücken), besetzte Süle auf der rechten Seite nicht den Flügel, sondern lief diagonal Richtung Strafraum nach innen und öffnete so den Passweg auf den rechten Flügelangreifer Serge Gnabry. Zweimal schoss Süle selbst aufs Tor. Und das 2:0 leitete er mit einem Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte ein, als er als eine Art dritter "Sechser" die Mitte dichtmachte. Auch das, die bessere Positionierung im eigenen Ballbesitz für den Fall eines Ballverlusts, will Nagelsmann sehen.

"Er hat immer noch unglaublich viele Schritte, damit man, wenn alles normal läuft, den Niki in drei, vier Monaten nicht mehr erkennt, wie er vor einem halben Jahr war", hat Nagelsmann neulich über Süle gesagt. Der Verteidiger war zuletzt auch im Gespräch, weil im Zuge eines Beraterstreits Chatnachrichten von ihm publik wurden, die nahelegten, dass er den Klub 2019 genervt verlassen wollte. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, immer wieder gab es Spekulationen über eine Trennung. Doch gerade ist wieder mehr von seiner möglichen Zukunft im Verein die Rede. Er gehört zum Nationalspielerjahrgang 1995, wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die ihre Verträge schon verlängert haben. Und wie Serge Gnabry, der zeitnah angeblich auch einen neuen Kontrakt unterschreiben soll.

Und Süle? Zu den Sprechchören am Mittwoch sagte Torwart Manuel Neuer, die Fans hätten gezeigt, "dass sie wollen, dass er Spieler des FC Bayern bleibt".

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