FC Bayern nach Schweinsteiger:Schwexit löst sportlich einige Probleme

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Sein Verein, seine Arena, seine Trophäe: Bastian Schweinsteiger nach dem letzten Spieltag der vergangenen Saison - es war sein letzter Auftritt hier. (Foto: Peter Schatz)
  • Erst seit Donnerstag wissen die FC-Bayern-Macher, dass sich Bastian Schweinsteiger für einen Weggang entscheidet.
  • Emotional fällt dem FC Bayern der Abschied von der Identifikationsfigur Bastian Schweinsteiger schwer.
  • Für Trainer Pep Guardiola aber einiges leichter. Im Mittelfeld hätte er sonst ein Überangebot moderieren müssen.

Von Christof Kneer

Es war am Anfang der vergangenen Woche, als die führenden Menschen beim FC Bayern erstmals dieses Gefühl beschlich: Der Schweinsteiger, der meint das wirklich ernst. Natürlich hatten sie die Vibrations schon Wochen vorher gespürt, Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef, Matthias Sammer, der Sportvorstand oder Michael Reschke, der technische Direktor; sie wussten, dass Bastian Schweinsteiger vor Wochen schon in sich gegangen war, um ganz tief drinnen zu prüfen, ob er seine Lebens- und Lieblingsmannschaft vielleicht noch mal verlassen soll. Aber die hohen Herren sind lange davon ausgegangen, dass der ewige Münchner nach abgeschlossener Recherche in seinem Innenleben der ewige Münchner bleiben würde. Dass er wirklich gehen würde, haben sie nicht zu glauben gewagt. Oder soll man sagen: zu hoffen gewagt?

Schweinsteiger hat es jetzt geschafft. Er hat für ein paar Stunden die Griechen und den Grexit von der Spitzenposition der Nachrichtensendungen verdrängt, er hat seinen persönlichen Schwexit vollzogen. Er verlässt die bayerische Währungsunion und wird künftig in Pfund Sterling bezahlt.

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Nun äußert sich erstmals Bastian Schweinsteiger zu seinem Abschied vom FC Bayern: In einer Videobotschaft an die Fans bedankt er sich für 17 gemeinsame Jahre - und bittet um Verständnis.

Erst am vorigen Donnerstag, zwei Tage vor der Kaderpräsentation in der Arena, hat sich die Ahnung der Vereinsoberen zur Gewissheit verdichtet. Erst seit Donnerstag wissen sie, dass Schweinsteiger sich wirklich traut. Dass er zu Manchester United wechselt, zu seinem schrägen, alten Förderer Louis van Gaal, der sich eine Menge darauf einbildet, dass er es war, der den einstigen Flügelspieler Schweinsteiger als zentralen Mittelfeldspieler erfunden hat. Von van Gaal weiß man, dass er sich auch auf ein paar weitere Kleinigkeiten etwas einbildet, etwa darauf, dass der ganze Fußball von ihm erschaffen wurde; und vielleicht freut sich der Spötter gerade auch diebisch, weil er diesem undankbaren FC Bayern, der ihn einst entließ, den Fußballgott Schweinsteiger entwendet hat.

Es könnte aber sein, dass Louis van Gaal sich da, natürlich nur ausnahmsweise, verrechnet hat.

Zwar wissen die Münchner, was für einen Verlust sie da erlitten haben, den Klubchef Rummenigge haben die Pfiffe kaum überrascht, die er am Samstag in der Arena zu hören bekam. Rummenigge war der Überbringer der schlechten Nachricht, es fiel ihm nicht leicht, der festlich gestimmten Gemeinde zuzurufen, dass der Fußballgott jetzt nicht mehr kommt. Rummenigge hat getan, was er konnte, er hat der Gemeinde versprochen, dass sie dem Fußballgott ein Abschiedsspiel ausrichten werden und dass er nach der Karriere jederzeit willkommen sei. Es gab dann sogar Applaus.

Schweinsteiger hat sich inzwischen abgekoppelt von dem Sport, den er betreibt. Die Leute sehen in ihm nicht mehr nur den passsicheren, robusten, kopfballstarken Mittelfeldspieler, sie sehen in ihm eine Identifikations- und Symbolfigur, sie sehen seine Aura. Die Sportstrategen im Klub sind aber ausdrücklich der Meinung, dass eine Aura noch nicht zwingend in eine Stammelf gehört, sie sehen den nackten Sport. Und deshalb sind sie bereit, sogar van Gaal mal etwas zu gönnen.

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"Dieser Transfer hat eben zwei Seiten, eine emotionale und eine rationale", sagt der Sportchef Sammer, "emotional wird unser Respekt für Bastian immer riesengroß sein, aber rational ist es eben auch so, dass er zuletzt oft verletzt war und deshalb in den vergangenen zwei Jahren leider keine berechenbare Größe sein konnte."

Und es ist auch so, dass sie für einen Sportler, der bald 31 wird und dessen Vertrag nur noch ein Jahr läuft, etwa 15 Millionen Euro überwiesen bekommen. Das ist einerseits ein berechtigtes Schmerzensgeld, weil es wehtut, einen Stadtheiligen zu verlieren. Andererseits bekommen die Bayern aber sogar Geld dafür, dass sich nun vielleicht ein Problem von selbst gelöst hat. Ein Problem, das sich in voller Schärfe offenbart hätte, wenn nach einer langen Sommerpause plötzlich alle Spieler mit gesunden Knochen und gesunden Egos in die Startelf gedrängt hätten.

Wen hätte Pep Guardiola dann ins Mittelfeldzentrum stellen sollen, Xabi Alonso, Schweinsteiger, Lahm, Martinez, Alaba oder gar einen der Jungen, Hojbjerg oder Kimmich? Und was hätten die Leute gesagt und hätte Schweinsteiger gesagt, wenn die Wahl nicht auf den Fußballgott gefallen wäre? Bekannt sei ja, dass Schweinsteiger "am liebsten auf der Sechs spielt", sagt Sammer, und in Manchester, bei van Gaal, da dürfe er das auch. "Das ist sicher eines der Argumente, die Bastian angesprochen haben." Guardiola sieht Schweinsteiger nicht in dieser Rolle, er sieht ihn weiter vorne, wo sich wiederum Schweinsteiger nicht so gerne sieht. "Natürlich konnte Pep ihm keine Garantie für seine Lieblingsposition geben", sagt Sammer, "aber das kann Pep bei Philipp Lahm ja auch nicht."

Am Ende hat Schweinsteiger gespürt, dass sie dem Sportler in ihm nicht mehr vollständig vertrauen. Zuletzt hat er ein paar mal demonstrativ die Jahreszahl "2018" in den öffentlichen Raum hineingerufen, so lange wolle er noch "auf Top-Niveau spielen", was im Subtext nichts anderes war als der Wunsch nach einer entsprechenden Verlängerung seines Vertrages. Und natürlich hat Schweinsteiger das Echo des FC Bayern auf seinen kleinen Ausruf genau registriert: Es kam keines. Sammer sagt, auch wegen der körperlicher Vorgeschichten sei es dem Verein "schwer gefallen, über 2016 hinaus zu denken".

So schwer den Münchnern der Abschied grundsätzlich fällt, so sehr wissen sie doch auch, dass anderes dafür nun leichter fällt. Das Mittelfeld auszubalancieren, dürfte für den Trainer nun einfacher werden, sportlich und atmosphärisch. Von den zwei konkurrierenden zentralen Lenkern Alonso und Schweinsteiger, die nur schwer in eine gemeinsame Aufstellung passen, ist jetzt nur noch einer übrig. Der 33-jährige Spanier soll in seinem letzten Vertragsjahr noch mal der defensive Fixpunkt werden, und um ihn herum wird Guardiola situations- und gegnerbedingt seine anderen Mittelfeldasse gruppieren.

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Auf dem Transfermarkt sei man "im Moment eher in der Beobachtungsphase", sagt Sammer, durch Schweinsteigers Abschied fühle man sich "nicht unter Druck gesetzt". Der Stau am Mittleren Ring hat sich ja immer noch nicht aufgelöst, im Spielfeldzentrum herrscht weiterhin hohes Verkehrsaufkommen. Im Moment suchen die Bayern nicht zwingend positionsbezogen, sie sind bereit zu investieren, warten aber noch ab, wie sich der Markt entwickelt. Auch die Personalie des in der Öffentlichkeit dauerdiskutierten argentinischen Promis Angel Di Maria verfolgen die Bayern laut Sammer zurzeit "eher passiv".

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© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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