FC Bayern nach dem 2:0 gegen Hannover 96:"Wir müssen raus aus der Komfortzone"

Matthias Sammer

Forderte mehr "Emotionalität und Leidenschaft": FC Bayerns Sportdirektor, Matthias Sammer.

(Foto: dpa)

Philipp Lahm sagt, der FC Bayern sei beim Sieg gegen Hannover 96 in der zweiten Halbzeit "munter aufgetreten". Auch Manuel Neuer war zufrieden und Trainer Pep Guardiola befand, man habe "ein bisschen gut" gespielt. Doch dann kam Matthias Sammer.

Von Johannes Knuth

Manuel Neuer war durchaus zufrieden mit der müden Vorstellung der Bayern am Samstag gegen Hannover 96. Wenn man schon über Müdigkeit diskutiere, sagte Neuer, "dann haben wir sie in der ersten Halbzeit gut rausgelaufen." Philipp Lahm fand, man sei in Hälfte zwei doch munter aufgetreten, "da hatten wir den Gegner im Griff." Und Trainer Pep Guardiola resümierte: "Es ist immer schwierig nach Länderspielen, in den Rhythmus zu kommen." Aber nach dem Führungstor durch Mario Mandzukic habe man besser gespielt, "ein bisschen gut", fand Guardiola. Was man halt so sagt als Triple-Sieger, wenn man gerade ein Heimspiel gegen Hannover 2:0 gewonnen hat, dank einer lauwarmen Darbietung.

Dann kam Matthias Sammer.

Der Sportdirektor hatte die Spieler bereits vor der Partie ermahnt, öffentlich. Nun beschlich Sammer anscheinend das Gefühl, die Mannschaft habe die von ihm und Uli Hoeneß verbreitete Botschaft ("Müssen sofort Vollgas geben") nicht ganz verinnerlicht. "Wir spielen zum Teil lethargisch, wir spielen ohne Emotionen Fußball, wir machen Dienst nach Vorschrift", klagte er, "wir müssen raus aus einer gewissen Komfortzone."

So mancher, der diese Worte hörte, fühlte sich an den Start in die vergangene Saison erinnert. Der FC Bayern hatte am sechsten Spieltag in Bremen seine erste mäßige Leistung gezeigt und trotzdem 2:0 gewonnen. Sammer sah sich genötigt, seine Mannschaft als "lätschert" zu kritisieren und vor Selbstgefälligkeit zu warnen.

Den Trainerwechsel lässt Sammer nach der gestrigen Vorstellung gegen Hannover nicht als Ausrede gelten. Dass jeder über den neuen Trainer diskutiere, über neue und alte System, das sei Humbug: "Wir müssen erstmal wieder über ein paar Basiselemente reden", wütete Sammer, "die Emotionalität und die Leidenschaft, Fußball zu spielen." Sprich: Weil der FCB diese Komponenten derzeit auslässt, drosselt er freiwillig sein Leistungsvolumen. "Die letzten fünf Prozent fehlen", so Sammer. Ungünstige Hochrechnungen sind das vor den kommenden drei Wochen, die vollgepackt sind mit Aufgaben wie Schalke 04, Bayer Leverkusen, ZSKA Moskau und Manchester City. Wenn die Bayern die fehlenden Prozente nicht bald abrufen, dann straucheln sie an ihrer eigenen Fünf-Prozent-Hürde.

Die Lethargie, die Sammer beklagte, hatte den FCB vor allem in der ersten Hälfte erfasst. Thomas Müller traf nach sieben Minuten das Außennetz. Dann kreiste der FCB um den Hannoveraner Strafraum, minutenlang, und wenn ein Bayern-Spieler mal den Strafraum ansteuerte, blieb er hängen oder passte den Ball ins Aus. So dösten die Bayern vor sich hin. Didier Ya Konan unterbrach das Münchner Nachmittagsschläfchen, sein Schuss aus rund 20 Metern klatschte an den Innenpfosten. Zuvor war Artur Sobiechs Kopfball am rechten Pfosten vorbeigezischt. "Wir hatten Glück", würde Thomas Müller später sagen, "dass Hannover das Tor nicht macht".

Spielentscheidende Körpertäuschung

Der Münchner Anhang, der die Südkurve diesmal vollständig bevölkern durfte nach den zuletzt stimmungsarmen Heimspielen, musste sich damit begnügen, seine Mannschaft für gelungene Defensivaktionen zu loben: Kurz vor der Pause übersprang Jérome Boateng Hannovers Leonardo Bittencourt wie ein Turner das Seitpferd, Boateng eroberte den Ball, drosch ihn ziellos in Hannovers Hälfte.

Was sich dann während der Halbzeit in der Münchner Kabine abspielte, beschrieb Sammer so: "Unser Trainer muss jedes Mal eine Brandrede halten, dass wir in die Gänge kommen. So geht das nicht." Der Hype um den Trainer, dass Guardiola den FCB selbstverständlich wieder ins gelobte Triple-Land führen wird, diese Annahme hypnotisiere wohl phasenweise auch die Mannschaft, glaubt Sammer, er sagte: "Wir verstecken uns alle hinter dem Trainer."

Nach der Pause wagte sich der FCB aus der Deckung. Wobei es im Grunde eine Körpertäuschung war, die das Spiel entschied. Arjen Robben dribbelte an der Strafraumkante, er trieb alle vor sich her, den Ball, zwei, drei Hannoveraner, gleich würde Robben schießen, Robben schießt immer aus dieser Position. Aber Robben schoss nicht, er bediente Toni Kroos, den hatten die 96er vergessen bei aller Fürsorge um Robben. Kroos hatte viel Zeit, den ebenfalls unbewachten Mario Mandzukic zu erspähen, Kroos passte, Bayern führte.

"Zum Zungeschnalzen", sagte Hannovers Trainer Mirko Slomka, der dem Tor auch etwas Negatives abgewann: "Dann läuft man halt hinterher." Die Bayern spielten jetzt nicht mit 95, sondern mindestens mit 98 Prozent Leidenschaft, van Buyten schoss knapp übers Tor, Müller knapp daneben, Ribéry besorgte das 2:0 in der 64. Minute. Dann war der Impuls des Trainers wieder verpufft, mehr oder weniger.

Während Slomka über mangelnde Chancenverwertung sinnierte, wurde Philipp Lahm noch zum Start der Champions-League-Gruppenphase befragt, am Dienstag kommt ZSKA Moskau. "Eine gefährliche Mannschaft, die ordentliche Einzelspieler hat", sagte Lahm. Kein schlechter Anlass, um die letzten zwei bis fünf Prozent abzurufen.

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