FC Bayern München:Bayern ist zu einer Momente-Mannschaft geworden

ALABA David Team FC Bayern Muenchen schiesst das 2 0 Fussball Bundesliga DFL Saison 2016 2017 Spie

Warum Mauern manchmal sinnlos sind: David Alaba überlupft alle Bremer bei seinem wunderbaren Freistoß zum 2:0 für die Bayern.

(Foto: imago/Laci Perenyi)
  • Das holprige 2:1 gegen Bremen zeigt: Carlo Ancelotti setzt auf einen Rhythmus von Entspannung und Anspannung.
  • Überzeugt scheinen von dieser Strategie nicht alle zu sein.

Von Christof Kneer, Bremen

Bei Fußballübertragungen gibt es immer wieder Bilder, die ein paar Sekunden langsamer sind als die Wirklichkeit. Im Fernsehen sieht man dann zum Beispiel einen Stürmer auf ein Tor zurennen, während die Leute im Stadion schon jubeln. Solche Effekte kennt der geübte Zuschauer längst, aber das hier war dann doch etwas irritierend: Da lief der Bremer Stürmer Serge Gnabry kurz nach der Pause auf Bayerns Torwart Manuel Neuer zu, und während er so sauste, warfen die Menschen im Stadion die Arme nach oben und stießen entzückte Schreie aus. Konnte das sein? War es möglich, dass es auch im Bremer Weserstadion zwei Geschwindigkeiten gibt und dass manche Zuschauer - vielleicht die Besserverdienenden in den Logen - mehr wissen als die anderen?

Neuer hat Gnabrys Schuss dann übrigens locker gehalten, aber die Leute brüllten noch immer. Der Grund stand auf der Anzeigentafel: Ingolstadt - HSV 3:0.

Man kann also offiziell festhalten, dass die zweite Halbzeit exzellent begonnen hat für Werder Bremen, unabhängig davon, dass der FC Ingolstadt als Rivale im Abstiegskampf eigentlich eher nicht gewinnen sollte. Aber auf solche Spitzfindigkeiten kann die Bremer Seele keine Rücksicht nehmen, Hauptsache, der HSV leidet, und in so einem Fall lässt sich dann auch ausdrücklich in Kauf nehmen, dass das eigene Spiel längst verloren ist. Sekunden vor der Halbzeit hatte Bayerns David Alaba einen Freistoß im Zeit-lu-pen-tem-po ins Bremer Netz gelupft, es war das 0:2, und schon das 0:1 war ja auf gewisse Weise einer Standardsituation entsprungen: Franck Ribéry hatte in die Mitte gepasst, Arjen Robben hatte ins Tor getroffen, eine Kombination, die seit fast einem Jahrzehnt zu den Liga-Standards gehört.

Ein 0:2 pünktlich zum Pausenpfiff: So ein Tor ist der altbewährte, zynische Bayern-Move, der dem Gegner klar macht, dass er seine Punkte gerne nächste Woche wieder holen kann, nur halt nicht hier und heute, gegen den großen, einschüchternden FC Bayern. Eigentlich.

"Du gehst hier 2:0 in Führung, und dann muss es eigentlich vorbei sein", sagte dann allerdings Arjen Robben nach dem Spiel und machte auf seiner beachtlichen Stirn Platz für ein paar imponierende Falten. Man müsse diesen Vorsprung "viel besser ausspielen", fügte er an, "wir müssen besser organisiert spielen und das Spiel viel besser kontrollieren". Und in der ersten Halbzeit habe man "zu viele Konter zugelassen", es müsse also - Fazit Arjen Robben - "vieles besser werden".

Ancelotti präsentiert bedenkliche Diagnosen

Es war ja tatsächlich eine gute zweite Halbzeit geworden für Werder Bremen, kurz nach dem dritten Gegentreffer für den HSV folgte der erste Gegentreffer für den FC Bayern, Max Kruse schoss das 1:2 (53.). Und plötzlich war der FC Bayern überhaupt nicht mehr zynisch, recht menschenfreundlich ließ er die Bremer zurück ins Spiel, und nicht mal das klassischste aller Bayern-Ergebnisse gab den Münchnern am Ende ihr Selbstverständnis zurück. "Viel Luft nach oben" sei da noch, "das hat jeder gesehen", meinte Kapitän Philipp Lahm, der erhebliche Anstrengungen aufwenden musste, um seine schlechte Laune zu verbergen. "Uns ist allen bewusst, dass wir besser spielen müssen als in der zweiten Hälfte", ergänzte David Alaba, Manuel Neuer meinte, "dass wir nicht gut spielen, das müssen wir uns ankreiden lassen".

Frühere Bayern-Mannschaften haben sich nie geschämt für solche Siege, sie haben sie genüsslich ausgekostet und provozierend die nächste Kerbe in ihre Fußballschuhe geritzt. Diese Bayern-Mannschaft aber war erkennbar irritiert von sich selbst. Diese von Pep Guardiola programmierte Elf begreift immer noch nicht richtig, wo die ganzen Automatismen plötzlich hin sind. Haben sie sich vorige Saison nicht ständig für ihre Dominanz und ihre Kontrolle entschuldigen müssen, war es manchmal nicht fast ein bisschen über-souverän, wie sie hin und her und wieder hin passten und den Gegner entnervten? Und nun sind sie zumindest vorübergehend zu einer Momente-Mannschaft geworden, die in Freiburg die Geistesblitze von Robert Lewandowski und in Bremen die von Ribéry und Robben braucht.

Carlo Ancelotti hat den FC Bayern einstweilen auf tiefentspannte Weise banalisiert. Der lässige Trainer hat hinterher schon auch eingeräumt, dass sein Team "ängstlich gewesen" sei und nach 60 Minuten "die Spielidee" verloren habe, aber dieses im Grunde bedenklichen Gutachten hat er mit diesem unbesorgten Ancelotti-Gesichtsausdruck präsentiert, der so viel heißen sollte wie: Passt scho'.

Aufs Behaglichste vertraut dieser Trainer der Kraft seiner Vita, er hat das ja schon so oft erlebt, dass aus Lätschernheit Leidenschaft wird, wie Matthias Sammer vermutlich sagen würde. Das 3:0 gegen Leipzig vor der Winterpause dient dem Trainer als Beleg, dass er auch dieser Bayern-Elf seinen Rhythmus aus Spannung und Entspannung vermitteln kann.

Und so hatte dieses an sich belanglose Bayern-Spiel am Ende doch seine Geschichte gefunden: Im Moment geht es vor allem darum, dass auch die Mannschaft an die Logik ihres Vorgesetzten glauben muss. Sehr überzeugt sahen die Gesichter von Lahm, Robben und Neuer noch nicht aus, die Spieler wirken im Moment beunruhigter als ihr Trainer. In gut zwei Wochen werden die Spieler ein bisschen mehr wissen: Dann kommt der FC Arsenal in die heimische Arena.

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