Transfermarkt:Beim FC Bayern herrscht ein Ausverkauf

  • Von der groß angekündigten Transferoffensive der Münchner ist bislang nichts zu sehen.
  • Im Gegenteil: Spätestens mit dem Weggang von Mats Hummels herrscht ein Ausverkauf beim Deutschen Meister.
  • Unterdessen zeigt Borussia Dortmund, wie eine in sich stimmige Wechselpolitik aussieht.

Von Benedikt Warmbrunn

Den einen Satz, der Hasan Salihamidzic wohl noch den ganzen langen Sommer über verfolgen wird, hatte sein Vorgesetzter Karl-Heinz Rummenigge bereits im Dezember gesagt. Der FC Bayern war zwar noch weit entfernt von der Meisterschaft, er war Tabellenzweiter hinter Dortmund, aber er hatte das herbstliche Tief hinter sich gelassen, außerdem waren es nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Also sprach Rummenigge, der Vorstandsboss des FC Bayern, einen wohlwollenden Satz über seinen Sportdirektor Salihamidzic: Der Hasan, sagte er, sei "on fire". Es klang wie eine Drohung.

Eine der wesentlichen Aufgaben des Sportdirektors ist das Transfergeschäft. In seiner ersten großen Wechselperiode als oberster Münchner Transferleiter, dem langen Sommer 2018, hatte Salihamidzic exakt null Euro für neue Spieler ausgegeben. Aber im Sommer 2019, kündigte Rummenigge bereits kurz vor Weihnachten an, werde einiges passieren. Diese Prognose haben die Bayern immer wieder mit neuen wuchtigen Sätzen bekräftigt, die wuchtigsten kamen von Uli Hoeneß. Im Februar sagte der Präsident: "Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben für die kommende Saison ..." Im März sagte er: "Wir sind gerade dabei, unsere Mannschaft zu verjüngen. Das ist das größte Investitionsprogramm, das der FC Bayern je hatte." Die Minimalgrenze an Transferausgabe, sie lag auf einmal bei 200 Millionen Euro. Dann begann die Sommerpause.

Anfang der Woche war Salihamidzic auf Sardinien bei einem Charity-Golfturnier, er fand dabei Zeit für ein Gespräch mit der Agentur Omnisport. Doch was er dabei sagte, klang nicht mehr so, als ob er sonderlich on fire sei: "Wir wollen einiges machen auf dem Transfermarkt", sagte der Sportchef zwar, er relativierte aber sofort: "Wir haben jetzt einige Monate Zeit, um daran zu arbeiten. Wir müssen entspannt und geduldig bleiben, um dann zu sehen, was möglich ist." Es waren Sätze, wie sie Salihamidzic' Vorgänger Matthias Sammer, der Meister des Antizyklischen, nicht besser hätte formulieren können.

Spätestens am Mittwoch ist aus der groß angekündigten Transferoffensive der Münchner für den Moment erst einmal das Gegenteil geworden. Beim FC Bayern herrscht, zumindest zweieinhalb Wochen vor dem Trainingsauftakt am 8. Juli, erst einmal ein Ausverkauf. Wen der Klub alles so sicher haben könnte für die nächste Saison, weiß derzeit keiner, und seit dem Mittwoch, seit dem Tag, an dem der Klub den Innenverteidiger Mats Hummels nach Dortmund verkauft hat, ist nicht einmal mehr sicher, wen der FC Bayern zurzeit überhaupt noch fest im Kader hat.

Der 30 Jahre alte Hummels, der zu seinem früheren Klub zurückkehrt und beim BVB einen Vertrag über drei Jahre unterschrieben hat, ist bereits der fünfte Weggang der Münchner, nach Franck Ribéry, Arjen Robben, Rafinha und James Rodríguez. Hinzu kommt ziemlich sicher noch der zweite routinierte Innenverteidiger, Jérôme Boateng, dem Hoeneß bei der Meisterfeier empfohlen hatte, sich einen neuen Klub zu suchen (was Boateng übrigens auch ohne Hoeneß' Rat getan hätte).

Noch fehlen die Transfers, die die Bundesliga in Furcht und Bangen versetzen

Für Mats Hummels kassieren die Bayern etwas mehr Ablöse als erwartet, die kolportierten 38 Millionen Euro allerdings nur durch Bonuszahlungen bei maximalem BVB-Erfolg mit Hummels, wie dem Gewinn der Champions League. Der fixe Sockelbetrag des Transfers, der angeblich von Rummenigge und BVB-Boss Watzke auf der Nordseeinsel Sylt zu Ende verhandelt wurde, liegt dem Vernehmen nach ein Stück unterhalb von 30 Millionen Euro. Salihamidzic äußerte sich am Donnerstag dann auch noch zu dieser Sache: "Ich möchte mich im Namen des FC Bayern sehr bei Mats bedanken. Er hat zu unseren Erfolgen einen großen Beitrag geleistet."

Den Weggängen gegenüber stehen bei den Bayern bisher drei Zugänge: Vom Hamburger SV kommt für drei Millionen Euro der 19 Jahre alte Angreifer Jann-Fiete Arp (mit der Empfehlung von einem Treffer in 17 Zweitligapartien). Und für die Abwehr wurden zwei französische Weltmeister verpflichtet: Benjamin Pavard, soeben mit dem VfB Stuttgart abgestiegen, kommt für 35 Millionen Euro, Lucas Hernández kostet nach einer Saison, in der er sich bei Atlético Madrid zweimal am Knie verletzt hat, die deutsche Rekordsumme von 80 Millionen Euro. Vermutlich wird er genau rechtzeitig zum Ligastart wieder fit sein. Es sind Transfers, die perspektivisch richtig sein mögen. Doch noch fehlen jene Transfers, die die Bundesliga oder gar die Konkurrenz in der Champions-League-Elite in Furcht und Bangen versetzen.

Wie eine in sich stimmige Wechselpolitik aussieht, zeigt Borussia Dortmund

Der englische Flügelstürmer Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea, über den Salihamidzic im Winter noch sagte, dass der Klub ihn "unbedingt" wolle und der im April dann einen Achillessehnenriss erlitt? Wird laut Sport Bild gerade vom Münchner Vereinsarzt Müller-Wohlfahrt begutachtet. Der deutsche Flügelstürmer Leroy Sané von Manchester City? Wäre sehr teuer und macht lieber erst mal Urlaub. Leipzigs Timo Werner? Zögert, angeblich verunsichert durch das Bayern-Interesse an Sané. Mittelfeldspieler Rodrigo von Atlético Madrid? Hat sich dem Vernehmen nach für einen Wechsel zu Manchester City und Trainer Pep Guardiola entschieden. Bisher ist von historischen Münchner Transferaktivitäten also wenig zu sehen.

Wie eine in sich stimmige Wechselpolitik aussieht, zeigt ausgerechnet die Mannschaft, die den Bayern künftig noch hartnäckiger Konkurrenz machen will: Dortmund hat bereits Julian Brandt aus Leverkusen geholt, aus Gladbach Thorgan Hazard, aus Hoffenheim Nico Schulz. Drei Spieler, die den flinken BVB-Fußball weiter beschleunigen sollen. Und jetzt also auch noch Hummels, einen der besten Spieler der Rückrunde; einen Routinier für die Abwehrmitte, der die jungen Flitzer anleiten soll. Der 30-Jährige schließt damit eine markante Schwachstelle des BVB-Kaders.

Bei den Bayern dagegen ist bisher nur die Transferstrategie erkennbar: dass sie ihren Trainer Niko Kovac stärken wollen, indem sie all jene Spieler verkaufen, die in Zukunft für Unruhe hätten sorgen können. Sei es, weil sie als Banksitzer gemurrt hätten - oder weil sie sich gerne eigene und gelegentlich sogar kritische Gedanken gemacht haben. Wie Mats Hummels.

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