FC Bayern München:Pep Guardiola und die fünf Zwerge

FC Bayern München: Probleme im Kopfballspiel: Joshua Kimmich (links) und Juan Bernat.

Probleme im Kopfballspiel: Joshua Kimmich (links) und Juan Bernat.

(Foto: Matthias Schrader/AP)
  • Nach den Verletzungen von Jérôme Boateng, Javi Martínez und Holger Badstuber hat Bayern-Trainer Pep Guardiola nur noch ein improvisierte Innenverteidigung.
  • Vor allem die Körpergröße von Alaba, Bernat, Kimmich und Lahm könnte ein Problem werden.
  • Sportdirektor Matthias Sammer verweist jedoch auf historische Beispiele von kleinen Weltklasse-Verteidigern.

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Vom Fußballtrainer Pep Guardiola ist hinlänglich bekannt, dass er den Weltfußball so akribisch beobachtet wie wenige seiner Kollegen. Es wäre nicht überraschend, würde Guardiola über die taktischen Trends in der China Super League Bescheid wissen, das Angriffsverhalten aller isländischen Europapokalanwärter erklären können oder den Linksaußen von Qarabag Agdam kennen, dem Tabellenführer der ersten aserbaidschanischen Liga.

Am Sonntag hat Guardiola sein Wissen erneut kundgetan: Er hat wohl alle Verteidigungsreihen der großen, weiten Fußballwelt von Baku bis Peking beobachten lassen. Wie war es sonst zu erklären, was der Trainer nach dem 3:1-Sieg in Augsburg über die Abwehr seines FC Bayern preisgab? Guardiola hob die Augenbrauen, legte die Stirn in Falten und sagte: "Alle Mannschaften der Welt sind kopfballstärker als wir."

Nun neigt Guardiola zu Übertreibungen (er nannte den FC Ingolstadt mal die weltweit beste Gegenpressing-Mannschaft), doch wies seine These auf eine empfindliche Wahrheit hin: In der Champions League, wo sich die Beurteilung dieser, seiner letzten Saison in München entscheidet, wird der FC Bayern kaum ein Kopfballduell in der Defensive gewinnen können.

Die Abwehr vom Sonntag könnte so auch gegen Turin spielen

Nach der Sprunggelenksfraktur von Holger Badstuber war der FCB mit einer Abwehr angetreten, die so in Kürze auch im Achtelfinale gegen Juventus Turin auflaufen könnte -, in der aber kein Profi ein gelernter Innenverteidiger ist, oder wenigstens so groß wie ein Rammbock aus der Standardklasse. Die Bayern spielten hinten mit: Juan Bernat (1,70 m), David Alaba (1,80 m), Joshua Kimmich (1,76 m), Philipp Lahm (1,70 m) - und "dann haben wir noch einen Zwerg", sagte Sportvorstand Matthias Sammer. Er meinte den eingewechselten Rafinha (1,71 m).

Gegen Augsburg hatte das nur in den ersten Minuten etwas ungeübt ausgesehen, als der am Ende wegen Schwindels ausgewechselte Mittelfeldspieler Arturo Vidal in der Abwehr auftauchte und sich der Schwerpunkt des Münchner Spiels nach hinten verlagerte. Als die Offensive um den Doppeltorschützen Robert Lewandowski die Defensive entlastete, verteidigten die Münchner souverän.

badstuber

Die Leiden des jungen Innenverteidigers: Unter Pep Guardiola war Holger Badstuber kaum einsatzfähig.

(Foto: sz/dpa)

Guardiola schwärmt von Kimmich: "Fast unmöglich, besser zu spielen"

Der zum Abwehrspieler umgeschulte Kimmich ist einer von Guardiolas Lieblingen: Es sei fast unmöglich, besser zu spielen, als der 21-Jährige in den letzten drei Spielen, sagte der Trainer. Und Kimmichs eher schmächtiger Nebenmann Alaba, eigentlich ein Linksverteidiger, gab in den Duellen mit Augsburgs eher korpulentem Mittelstürmer Raúl Bobadilla überzeugend den rustikalen Zweikämpfer. Nach einem Duell mit Jan Moravek saß er kurz angeschlagen auf dem Boden, zunächst hieß es, er habe seine Kontaktlinsen verloren. Doch später bewiesen die Bilder, dass sich Alaba ein Stück eines Zahns in die Hand gespuckt hatte - so wie es Abwehr-Raubeine tun. "Die Jungs sind zweikampfstark, engagiert, schnell, die haben alles, was man braucht als Innenverteidiger", sagte Thomas Müller. Nun ja, außer der Standard-Körperlänge ...

Turin, wusste Guardiola von seinen globalen Analysen zu berichten, habe "viel bessere" Kopfballspieler. Er zählte lächelnd auf: "Pogba, Barzagli, Bonucci, Khedira, Mandzukic, Morata" - und zog seine Augenbrauen höher: "Wenn wir tief verteidigen, wird der Gegner stark." Das gelte nicht nur gegen Turin. "Das erste Mal in meinem Leben spiele ich ohne Innenverteidiger", sagte er: "Es ist nicht die Idealsituation. Ich würde lieber mit allen spielen", mit den verletzten Jérôme Boateng, Javi Martínez, Badstuber. "Wir können lamentieren."

Guardiola wird fatalistisch: "Wir sind, was wir sind"

Doch ebenso wie Guardiola nach bald drei Jahren in München weiß, dass er weniger an der Perfektion einzelner Spiele, sondern mehr an Titeln gemessen wird, ist ihm klar, dass einem Bayern-Trainer das Lamentieren kaum gestattet wird. Allenfalls an diesem bitteren Wochenende, an dem er mit einem Badstuber gewidmeten T-Shirt (Aufschrift: "Wir sind bei dir. Du schaffst es wieder.") in der Pressekonferenz saß. Also sagte Guardiola fatalistisch: "Wir sind, was wir sind." Eine Mannschaft ohne eingespielte Innenverteidigung. Aber deshalb ja längst keine schlechte.

Zumal dann, wenn die Offensive funktioniert. Denn dann ist die Defensive automatisch weniger gefordert. Thiago spielte vor dem 2:0 einen Pass, der Augsburgs Trainer Markus Weinzierl von "individueller Weltklasse" schwärmen ließ. Ähnliches galt für die unwiderstehlichen Dribblings von Douglas Costa und für die Torgefahr des Robert Lewandowski. Der Stürmer trug zum Sieg in Augsburg seine Tore Nummer fünf und sechs in der Rückrunde bei, insgesamt haben die Münchner sieben Treffer erzielt. "Es ist eine Ehre für mich, sein Trainer zu sein", sagte Guardiola.

Auch Cannavaro und Ayala waren keine langen Innenverteidiger

Der Trainer hat zudem die Möglichkeit, in Serdar Tasci und Medhi Benatia bald auf zwei gelernte Innenverteidiger zurückgreifen zu können. Oder er lässt seine Elf einfach weit vor dem Tor verteidigen. Das ist risikoreich, doch es verhindert lange, hohe Pässe, die Kimmich und Alaba in Kopfballduelle zwingen könnten. Andererseits: Legendäre Verteidiger wie der Italiener Fabio Cannavaro (1,76 m) oder der Argentinier Roberto Ayala (1,77 m), erzählte der legendäre Libero Sammer (1,80 m), seien ja auch eher klein gewesen. Und für den Fall, dass doch mal hohe Bälle angeflogen kommen, hat er für Bernat, Alaba, Kimmich, Lahm noch einen guten Tipp: "Dann müssen sie halt höher springen."

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