FC Bayern München:Oliver Kahn über Golf

Im SZ-Interview spricht der Bayern-Keeper über die wichtigsten Tugenden beim Golfspielen, warum die lebende Legende Tiger Woods ihn inspiriert und was er mit dem Kaiser auf dem Platz erlebt hat.

Gerald Kleffmann

SZ: Herr Kahn, haben Sie Ihrem Opa verziehen?

FC Bayern München: Mit Handicap 9 kann sich Bayern-Keeper Oliver Kahn jederzeit auf den Grüns sehen lassen.

Mit Handicap 9 kann sich Bayern-Keeper Oliver Kahn jederzeit auf den Grüns sehen lassen.

(Foto: Foto: imago)

Kahn: Weil er mir das Trikot geschenkt hat?

SZ: Und angeblich Torwarthandschuhe.

Kahn: Das stimmt. Als ich sechs Jahre alt war, hat er mir eine Torwartausrüstung von Sepp Maier geschenkt. Deshalb habe ich mich ins Tor gestellt. Ich war ein guter Feldspieler, aber ich wollte meinem Großvater einen Gefallen tun. Jetzt, mit 30 Jahren Abstand, wäre es vielleicht nicht so schlecht gewesen, wenn er mir einen Golfschläger geschenkt hätte.

SZ: Sie haben den Gedanken durchgespielt?

Kahn: Ich wäre für Golf prädestiniert gewesen.

SZ: Weil Sie im Herzen doch ein Individualsportler sind?

Kahn: Man ist als Torwart ein Individualsportler in einer Mannschaft. Das macht den Job so außergewöhnlich. Aber trotzdem haben mich Einzelsportarten ja immer interessiert. Und da die Psyche im Golf eine große Rolle spielt, ist das ein Sport, der eine große Herausforderung gewesen wäre. Aber wenn mir einer in meiner Jugend mit Golf gekommen wäre, ich hätte damals gar nicht gewusst, was das ist!

SZ: Sie hatten wohl wie so viele: Vorurteile.

Kahn: Das nicht. Aber damals gab's für uns Jugendliche nichts außer Fußball und Tennis. Die Zeiten waren halt anders. Heute weißt du vor lauter Möglichkeiten ja gar nicht, was du tun sollst.

SZ: Hätten Sie sich eine Karriere als Golfprofi zugetraut?

Kahn: Ich denke schon. Die Voraussetzungen sind gegeben. Die mentale Seite im Sport hat mich immer fasziniert. Ich bin stets einer gewesen, der nicht nur an seinem Körper gearbeitet, sondern der sich auch viel mit seinem Inneren auseinandergesetzt hat. Und Golf ist eine Sportart, bei der der mentale Aspekt eine große Rolle spielt.

SZ: War es Liebe auf den ersten Blick?

Kahn: Nein, mit Verzögerung. Es war 1998, nein, '97. Sepp Maier hat sehr viel Golf gespielt, und irgendwann habe ich gesagt: "Komm', gib mal so 'n Schläger her!"

SZ: Die ersten Schläge?

Kahn: Katastrophal! Die Bälle sind da rechts und links durch die Gegend geflogen. Das war mir unverständlich, dass man, wenn man ein gewisses Talent als Sportler hat, trotzdem nicht einen Ball sauber treffen kann! Aber als dann die ersten Bälle flogen, hat mich das infiziert. Das will man dann immer wieder haben.

Auf der nächsten Seite: Ein Trainingsplan für die Runden und warum Golfspielen für Oliver Kahn ideal ist.

Oliver Kahn über Golf

SZ: Wie kam das beim FC Bayern an, als Sie zu spielen begannen?

Kahn: Wenn du zum Golfspielen gegangen bist, musstest du immer aufpassen, auf die Art: Ah, der macht wieder Urlaub. Dabei kann Golf sehr anstrengend sein. Ich habe es aber auch zur Entspannung gebraucht. Man darf es eben nicht übertreiben. 18 Loch zwei Tage vor dem Spiel, das kann ich keinem Fußballer empfehlen. Wenn wir samstags spielen, spiele ich zum letzten Mal am Mittwoch. Und dann auch nur noch neun Loch.

SZ: Das klingt sehr strukturiert. Machen Sie sich auch einen Trainingsplan?

Kahn: Nicht vor normalen Runden. Wenn ich es ernst nehme, vor einem Turnier etwa, dann ja. Ich spiele ungefähr zehn bis zwölf vorgabewirksame Turniere im Jahr. Und wenn ich den Kopf frei habe, um intensiv zu trainieren, dann arbeite ich an gewissen Facetten des Schwungs. Peter Karz vom Golfclub in Straßlach unterstützt mich dabei. Dieser Sport ist ja eine never-ending story.

SZ: So gesehen ist Golf ideal für Sie, den Erfinder des Immer-weiter-Prinzips.

Kahn: Wenn Sie davon ausgehen, dass ich meinen Job immer mit einer unheimlichen Leidenschaft und Trainingsintensität gemacht habe, und dass ich ein Mensch bin, der von der Arbeit herkommt, dann wissen Sie, dass ich das beim Golf genau- so mache. Nur habe ich geglaubt, dass die gleichen Mechanismen, die im Tor funktionieren, beim Golf auch funktionieren. Aber das ist nur bedingt richtig.

SZ: Warum?

Kahn: Beim Golf geht es vor allem darum, das Richtige zu trainieren. Wenn ich nicht qualitativ hochwertig trainiere, verfestige ich nur meine Fehler. Das war bei mir das große Problem, dass ich die ersten Jahre zu viel ohne Trainer gemacht habe. Danach war ich ständig damit beschäftigt, die falschen Bewegungsmuster aus meinem Kopf rauszubekommen.

SZ: Da war er noch, der Torwart in Ihnen. Sie dachten, Sie packen das alleine.

Kahn: Genau. Das war ein fataler Irrglaube.

SZ: Andererseits sind Sie inzwischen ein echt guter Golfer mit Handicap 9. Wie ist der Autodidakt Kahn vorgegangen?

Kahn: Ich habe viel gespielt, ich war viel auf der Driving Range, die zwei Minuten von meinem Haus entfernt ist. Sonst habe ich genau das gemacht, was ich als Kind gemacht habe, um den Torwartjob zu erlernen: Ich beobachte die Profis, jede Woche. Ich schaue viele Turniere auf Premiere. Und wenn ich die Möglichkeit habe, wie beim Profiturnier in Eichenried, gehe ich mit. Bernhard Langer habe ich mir intensiv angesehen. Durch Visualisieren lernt man unheimlich viel. Das habe ich schon früher gemacht, als ich in Karlsruhe den Torhütern beim Training zugeschaut habe.

SZ: Ihr wichtigster Lerneffekt?

Kahn: Im Vorfeld eines Golfschlags sollte ich durch geistiges Visualisieren schon wissen, wie der Ball fliegen wird und wo er landen soll. Das kenne ich vom Fußball. In der Vorbereitung auf gewisse Spiele etwa. Ich kann vorher gewisse Spielsequenzen im Kopf ablaufen lassen.

Auf der nächsten Seite: Was Oliver Kahn an Golflegende Tiger Woods bewundert - und was die beiden gemeinsam haben.

Oliver Kahn über Golf

SZ: Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen Golfschauen und Ihrem Beruf?

Kahn: Durchaus. Ich weiß noch, wie ich mal vor einem Länderspiel Tiger Woods bei einem Turnier zusah, zwei Stunden lang. Danach habe ich ein starkes Länderspiel gemacht, das war 2000 beim Sieg gegen Griechenland in Hamburg. Das war Inspiration. Die Perfektion von Tiger Woods, die hat mich einfach inspiriert.

SZ: Inspiration ist ein großes Wort.

Kahn: Ja, es gibt ja nicht viele Menschen, die einen inspirieren. Tiger aber ist einer. Diese Perfektion, Präzision, Kraft und innere Stärke, die er ausstrahlt, kann einen mitreißen. Das strahlt auf jeden Sportler ab.

SZ: Hm, Sie bewundern ihn sehr, oder?

Kahn: Tiger ist momentan auf der Welt für mich einer der größten Sportler. Die Konstanz und dieses Gewinnen, wenn er gewinnen muss - das sehe ich bei keinem anderen. Man muss seine Situation sehen, ich kenne das von mir selber. Von mir hat man stets erwartet, dass ich fünf Unhaltbare halte und am besten vorne noch drei Tore schieße. Das ist bei Tiger nicht anders. Die Konkurrenz im Golf ist enorm. Und immer wieder hält Tiger dem Druck des absoluten Favoriten stand. Er beherrscht die psychologischen Facetten des Wettkampfsports par excellence.

SZ: Na, Sie etwa nicht?

Kahn: Ich werde oft gefragt: Wie kann man in entscheidenden Momenten des Wettkampfes das Richtige tun? Wie kann man im entscheidenden Moment präsent sein? Es gibt nicht den besonderen Trick. Das sind viele Dinge, die man zusammenbringen muss, wenn es darauf ankommt. Es gibt ein tolles Beispiel von Tiger. Als er beim Masters 2005 ins Stechen musste, hat er am letzten Loch mit einem Holz drei abgeschlagen und hatte ein Eisen sechs ins Grün...

SZ: ... Sie wissen immer noch, welche Schläger er gewählt hat, nach zwei Jahren?

Kahn: . . . ja, und später hat er dann gesagt: "Das Holz drei und das Eisen sechs, das waren meine zwei besten Schläge in diesem Jahr." Diese zwei besten Schläge hat er genau zum wichtigsten Zeitpunkt gemacht. Tiger kann das, und die anderen wissen, dass er es kann. Das hemmt sie immer ein bisschen. Tiger nutzt diesen kleinen Vorsprung im Kopf perfekt!

SZ: Wie Woods werden Sie von Millionen in den Stadien und vor den Fernsehern beobachtet. Beim Golf stehen Sie da ganz alleine und hacken auf den Ball. Ist das nicht ein Sphärenwechsel?

Kahn: Auf der einen Seite ist da in meinem Leben das Fußballgeschäft mit seinen Anforderungen, mit der Öffentlichkeit, dieser Lautstärke - und was da sonst noch auf einen einprasselt. Aber es gibt nichts Schöneres, als im Wald zu stehen, allein, in Ruhe, und Bälle zu schlagen. Das ist der pure Gegensatz. Das gibt mir Kraft für den Job. Golf hat auch einen meditativen Aspekt. Man ist drei, vier Stunden nur mit sich und dem kleinen Ball beschäftigt. Und wenn man sich nur auf den Ball konzentriert, lässt man keine anderen Gedanken zu. Man reinigt sich innerlich über dieses Spiel.

Auf der nächsten Seite: Warum der Name Oliver Kahn beim Golfspielen keinen Bonus bedeutet - und was sein peinlichstes Erlebnis auf dem Course war.

Oliver Kahn über Golf

SZ: Haben Sie die Natur wiederentdeckt?

Kahn: Golf macht immer wieder klar, wie schön gerade die Natur ist. Ab und zu ist es auch egal, ob die Sonne scheint oder ob es regnet. Manchmal möchte man gewisse Momente festhalten. Man will, dass jetzt die Zeit stehenbleibt. Ich genieße besonders den Herbst, wenn dieses Licht scheint und sich die Blätter rot färben. Ich habe auch schon Anfang Dezember gespielt. Als der Regen in Schnee überging. Da war kein Mensch auf dem Platz.

SZ: Nur Oliver Kahn.

Kahn: Ja. Da blies ein eiskalter Wind . . . Und nur ich alleine.

SZ: Das ist ein starkes Golfersyndrom.

Kahn: Aber: das macht Spaß! Ein echtes Naturerlebnis.

SZ: Andere Begleiterscheinungen?

Kahn: Ich habe in der Wohnung immer einen Schläger irgendwo parat. Im Keller habe ich eine kleine Abschlagmatte und ein Netz, damit ich dort im Winter Schwünge machen kann. Ich kann das dort auch auf Kamera aufnehmen und meinen Schwung analysieren. Ich mache das aber auch mit einem zwinkernden Auge. Ich bin ja kein Verrückter.

SZ: Wie darf man Sie sich im Wald vorstellen?

Kahn: Ich gehöre nicht zu denjenigen, die besonderen Wert darauf legen, sogenannte Promiturniere zu spielen, um dann am neunten Loch ein Glas Champagner zu trinken, und am elften Loch ein Häppchen Kaviar zu essen. Für mich steht der Sport absolut im Vordergrund. Im Turnier kommt es schon mal vor, dass ich so mit meinem Spiel beschäftigt bin, dass ich nur vier Sätze mit meinen Partnern geredet habe. Bei Privatrunden sieht's anders aus. Da bin ich wesentlich lockerer.

SZ: Sie machen keine Affäre daraus, wenn Sie spielen. Haben Sie wenigstens einen kleinen Bonus als Oliver Kahn?

Kahn: Nein. Dem Golfspiel ist das wurscht.

SZ: Dann haben Sie sich sicherlich schon mal zum Idioten gemacht?

Kahn: Mittlerweile passieren mir diese ganz groben Dinger nicht mehr. Aber vor ein paar Jahren kam das schon mal vor. Ich stand einmal an der Eins, ein Haufen Leute und Kameras standen herum, und ich kam nicht über den Damenabschlag rüber. Und der war 30 Meter vor dem Männerabschlag. Das war sehr, sehr peinlich.

Auf der nächsten Seite: Welche Eigenschaft auf dem Platz besonders wichtig ist und wie Golf ein Fußballer-Leben beeinflusst.

Oliver Kahn über Golf

SZ: Kein Sport ist derart egalitär, oder?

Kahn: Was man schnell lernen sollte, denn dann kann man damit umgehen: Wenn ich ein guter Manager, guter Fußballspieler oder guter Turner bin, dann brauche ich nicht glauben, dass das gleichbedeutend damit ist, ein guter Golfspieler zu sein.

SZ: Noch eine Botschaft?

Kahn: Geduld! Man lernt, dass, auch wenn man fünf Stunden am Tag trainiert, die Fortschritte nur langsam kommen. Ich bin ja keiner, der mit dem Wort Demut etwas anfangen kann. Das Wort ist absolut überstrapaziert. Die große Herausforderung ist, relativ emotionslos zu akzeptieren, was auf dem Golfplatz so alles passiert.

SZ: Sie werden doch nicht zum Fatalisten?

Kahn: Ich weiß nicht, ob das fatalistisch ist. Es ist Erziehung. Es ist eine gute Erziehung, die innere Disziplin benötigt. Wenn ich spiele, sehe ich alles, was ich mache, positiv, und meine Gedanken sind immer nach vorne gerichtet. Und ich meide negative Körpersprache. Das sind so Dinge, die ich bei anderen Sportlern im Fernsehen sehe, bei denen ich denke, mit dieser Körpersprache ist es schwer, gut zu sein.

SZ: Dann hat Golf also Ihre Fußballkarriere beeinflusst.

Kahn: Golf hat mir eine große Ablenkung gegeben, und ich konnte nebenbei meine Konzentrationsfähigkeit trainieren. Aber ob es für meine Karriere direkt etwas gegeben hat, da bin ich mir nicht sicher.

SZ: Golf ist eben doch Sport. Spüren Sie noch Vorurteile?

Kahn: Ja, aber immer weniger. Die, die Golf probieren, ändern schnell ihre Meinung. Vier Stunden konzentriert zu bleiben, das ist anstrengend. Wenn ich mir überlege, ich müsste das vier Mal machen, von Donnerstag bis Sonntag, wie die Profis, na viel Spaß. Vier Runden auf dem Niveau, das ist eine enorme Leistung. Und dann auf den Plätzen. Man darf nicht vergessen: Wir Amateure spielen auf Plätzen, die kann man nicht annähernd mit einem Tour-Platz vergleichen. Ich war kürzlich in Amerika und habe in Pacific Palisades in Los Angeles gespielt, wo die Nissan Open der PGA Tour ausgetragen werden. Das sind schon wesentlich schwierigere Plätze als viele der Plätze hier in Deutschland im Bezug auf Längen, Roughs und das gesamte Lay-Out.

Auf der nächsten Seite: Golf als Spiegelbild des Charakters, schummelnde Spieler und warum Kahn auf dem Platz nicht über Fußball reden möchte.

Oliver Kahn über Golf

SZ: Sie sind tief drin in der Materie. Ist Golf ein Spiegelbild des Charakters?

Kahn: Man soll das nicht überbewerten, aber Golf kann schon etwas darüber aussagen, wie man gestrickt ist. Da gibt es die Typen, die alles in sich hineinfressen, die keine Miene verziehen, die sich bei Fehlschlägen in Ironie flüchten, die Schläger schmeißen. Da habe ich schon eine Menge erlebt.

SZ: Spieler, die betrügen?

Kahn: Das ist eines der fatalsten Dinge, die ich so auf den Golfplätzen mitbekomme. Wenn man Sportler ist, kennt man die Zufriedenheit, die sich einstellt, wenn man regulär gewonnen hat. Durch Betrug zu gewinnen, gibt einem nicht das Gefühl, das man haben möchte. Der Geist dieses Sports verlangt es, eine besondere Ehrlichkeit an den Tag zu legen.

SZ: Wenn einer schummelt - sagen Sie was?

Kahn: Ab einem gewissen Zeitpunkt frage ich nicht mehr: Was haben Sie gespielt? Sondern: Was darf ich Ihnen notieren?

SZ: Wenn Sie etwas falsch machen: Trauen sich die Leute, Oliver Kahn zu belehren, wenn er den Schläger unerlaubterweise im Sandbunker aufsetzt?

Kahn: Ich habe schon mit Leuten gespielt, die regeltechnisch sehr bewandert waren. Und das auch deutlich demonstriert haben. Das nehme ich hin und spiele weiter, wie es regeltechnisch verlangt wird. Mich bringt das nicht aus der Ruhe.

SZ: Unmöglich?

Kahn: Unmöglich. Ich bin viel zu konzentriert, als dass mich jemand stören könnte.

SZ: Und wenn sich Leute aufdrängen? Olli, damals in Barcelona, das lief ja blöd.

Kahn: Ich glaube, man merkt mir sehr schnell an, dass ich nicht an jedem Loch über Fußball reden möchte.

Auf der nächsten Seite: Nicht nur Oliver Kahn hat schon mal eine Runde abgebrochen - auch der Kaiser zeigte Nerven.

SZ: Auch schon mal eine Runde abgebrochen?

Kahn: Ich habe schon alles erlebt. Nur so weit wie der Franz bin ich nicht gegangen.

Kahn: Was hat der Franz getan?

SZ: Er soll mal seine komplette Golftasche in ein Wasserhindernis befördert und dann die Runde vorzeitig beendet haben. Weil er nicht gut gespielt hat. Rasten Sie nie aus?

Kahn: Ich bin auch schon ausgerastet. Dann fliegt mal ein Schläger. Wenn man auf die Runde geht, und man ist nervlich in schlechter Verfassung, dann wird es ohnehin problematisch. Golf ist sehr ehrlich. Beim Golf kann ich nur jedem empfehlen, seine Frustration - so gut es geht - zu beherrschen. Die negativen Gedanken, die ich mit dem Frust lostrete, die können so fatal sein, dass sie mir die ganze Runde zerstören.

SZ: Andersrum kann ein besonders guter Schlag eine tolle Runde auslösen.

Kahn: Da bin ich vorsichtig. Davon bin ich nicht so überzeugt. Ich habe schon erlebt, dass ich an der Eins mit einem perfekten Abschlag gestartet bin. Das hieß aber nicht, dass die Runde perfekt geworden ist. Irgendwo lauert immer irgendwas. Man darf nie innerlich nachlassen.

SZ: Also doch: Der Torwart und der Golfer sind nicht zu trennen.

Kahn: Beim Golf bin ich viel entspannter. Den Druck beim Fußball kann man mit dem beim Golf nicht vergleichen. Beim Golf mache nur ich den Druck. Und keine Fans, keine Medien oder sonst wer.

SZ: Warum gehen Sie dann nicht stattdessen wandern? Ganz ohne Druck.

Kahn: Ich brauche den Kitzel. Wie im letzten Jahr, als ich den Kaiser-Cup gespielt habe, auf dem Beckenbauer-Platz in Bad Griesbach. An jedem Loch hatten wir 1.000 Zuschauer, die mitmarschiert sind. An der Neun hatte ich ein Eisen acht ins Grün. Und der Schlag musste übers Wasser. Ich weiß noch genau, wie ich zu meinem Kumpel sagte: "Du, ich bin mir ja nicht ganz sicher mit dem Schläger..." Und er sagt: "Ich bin überzeugt: Du hast das richtige Eisen in der Hand." Er hat mich bestärkt, wie ein Caddy. Das war psychologisch klug. Und ich schlag' den Ball übers Wasser, drei Meter an die Fahne! Den Putt habe ich dann leider vorbei gesetzt. Doch genau solche Momente bringen den Kick. Alles andere? Mein Gott, ein jeder halt nach seiner Fasson.

Oliver Rolf Kahn, am 15. Juni 1969 in Karlsruhe geboren. In diesem Frühjahr beendet er eine beispiellose Torhüter-Karriere, die im Alter von sechs Jahren als Feldspieler beim Karlsruher SC begann. Schon bald wechselte er ins Tor. Dank seines sehr ausgeprägten Willens gelang es ihm, sich bis zum Angestellten des FC Bayern München hochzuarbeiten. Für die Rekordsumme für Bundesliga-Torhüter von damals 4,6 Millionen DM (cirka 2,3 Millionen Euro) wechselte er 1994 als Nachfolger von Raimond Aumann zum deutschen Rekordmeister. Mit den Bayern gewann er seitdem sechs Mal den Meisterschaftstitel in der Ersten Liga, zu den Höhepunkten seiner Karriere zählen der Champions-League-Sieg 2001 mit Bayern sowie der Vize-Titel mit der deutschen Nationalelf 2002 in Südkorea/Japan. Er wurde dreimal Welttorhüter des Jahres. Kahn lebt in München und hat zwei Kinder.

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