FC Bayern München:Mal ohne Rempler

Die Verletzungspause für Mark van Bommel könnte für die Bayern sogar eine Chance sein. Auch ohne den Niederländer haben die Münchner eine starke Führungskraft.

Andreas Burkert

Mark van Bommel wird nicht aufgeben, ganz im Gegenteil, er hat ja schon jetzt den Kampf wieder aufgenommen. Bitter sei diese Verletzung, sagte er, bevor er am Montagvormittag auf dem Operationstisch gehoben wurde. Aber er werde selbstredend zurückkehren "und dort weitermachen, wo ich aufgehört habe", ergänzte er.

FC Bayern München: Mark van Bommel fehlt in den nächsten Wochen, Anatolij Timoschtschuk soll ihn ersetzen.

Mark van Bommel fehlt in den nächsten Wochen, Anatolij Timoschtschuk soll ihn ersetzen.

(Foto: Foto: ddp)

Van Bommel, 32, wird damit sicher weniger sein bisweilen rabiates Einsteigen in der Auftaktpartie des FC Bayern in Sinsheim gegen Hoffenheim (1:1) gemeint haben. Sondern eher den Beginn des Spiels, als er auf dem Platz stand, sogar als Kapitän, der den Vereinswimpeltausch und die Platzwahl vornahm - er und nicht Anatolij Timoschtschuk, der Rivale um die Position sechs aus dem eigenen Kader.

Am Montag haben sie allerdings beide gefehlt beim Training des FC Bayern. Van Bommel wurde in einer Klinik im europäischen Ausland der Bruch des Grundgelenks im rechten Zeh sowie ein Sehnenriss gerichtet, schmerzhafte Andenken an den durchschnittlichen Saisonstart seines Teams. Und Timoschtschuk, 30, ist mit der ukrainischen Nationalelf unterwegs, sie trifft am Mittwoch in einem Freundschaftsspiel in Kiew auf die Türkei (mit Teamkollege Hamit Altintop).

Aber van Bommels Widersacher im internen Duell um die Mittelfeldposition vor der Abwehr wird eben, sofern ihm nicht ein ähnliches Malheur passiert, am Donnerstag zurückkehren nach München. Und dann wird er spielen am Samstag gegen Werder Bremen. Denn van Bommel fällt einen Monat aus. Das ist Timoschtschuks Chance.

"Es gibt solche Phasen, in denen man einen negativen Lauf hat", sagt Christian Nerlinger, der neue Sportdirektor. Er möchte aus der nächsten Verletzung nach Martin Demichelis' Bänderriss und den Blessuren aus der Vorbereitung von Franck Ribéry (plant beim WM-Qualifikationsspiel mit Frankreich am Mittwoch auf den Färöern einen Kurzeinsatz) und Luca Toni keine große Sache machen: "Wenn man so eine lange Saison vor sich hat, ist es eben wichtig, jede Position doppelt besetzt zu haben."

Weitere Neuverpflichtungen seien jedenfalls "ausgeschlossen", betont Nerlinger, 36. Und abgeben wolle man ebenfalls niemanden mehr bis zum Ende der Transferfrist Ende August. Lúcio und Borowski, das reiche, findet der Sportchef. "Es sei denn, einer der Spieler, die nicht zum Zuge kommen, kommt auf uns zu."

Neuling Timoschtschuk wird bleiben, und wie er dürften nun auch mal die Bayern überdenken, ob seine große Chance nicht auch eine Chance für den Klub ist. Nerlinger sagt das natürlich nicht, niemand in München würde den etablierten, beliebten Führungsspieler des neuen Trainers Louis van Gaal in Abwesenheit schwächen. Das kann nur Timoschtschuk, auf dem Platz. Nerlinger sagt über ihn, der ukrainische Nationalmannschaftskapitän habe zuletzt nach seiner Einordnung als Ersatzspieler "sehr professionell" reagiert. "Natürlich war er schwer enttäuscht, aber er hat sehr gute Trainingsleistungen gezeigt."

Die Tradition der Drecksäcke

Dass Timoschtschuks Einsatz dem Münchner Auftritt einen spielerischen Fortschritt brächte, gilt allenthalben als wahrscheinlich. Van Gaal hatte van Bommel ja vor allem vorzogen, weil sein Landsmann - der in den ersten Plänen für seine Startelf keine Rolle gespielt hatte - "die Mannschaft auf eine gute Weise beeinflussen" könne. Es ging ihm offenbar um Dinge wie Hierarchie, um Fingerzeige in Form von Ansagen und rustikalen Tritten - um die schlichten Dinge des Fußballs, die angeblich immer noch wertvoll sind. Gegen Hoffenheim haben van Bommels Fingerzeige, Tritte und Rempler insofern Wirkung gezeigt, als dass die Kollegen ihre anfängliche Lethargie ablegten. Doch ob der FC Bayern mit diesen Mitteln auf Dauer die Liga dominiert, wie er das ja von sich selbst erwartet? Und ob er so in Europa vorankommt?

Eine Hierarchie glaubt gerade der FC Bayern zu benötigen, Spieler wie Effenberg oder Kahn hat er ehedem geschätzt wegen ihrer steinzeitlichen Umgangsformen und sie deshalb liebevoll "Drecksäcke" genannt. Van Bommel sollte diese Tradition fortsetzen, wobei Nerlinger findet, dessen viel diskutierter Check gegen Hoffenheims Isaac Vorsah als Tätlichkeit zu bezeichnen, "das ist eine Frechheit! Ein Foul kann man pfeifen, okay, aber alles andere ist ein Witz".

Nun müssen jedoch andere einspringen, Philipp Lahm vielleicht, der zweite Kapitän, oder Miroslav Klose. Er ist mit van Bommel befreundet. Nerlinger sagt: "Auch Anatolij ist ein Anführer." Vier Wochen ohne den einzigen Drecksack, gegen Bremen, in Mainz, gegen Wolfsburg, vielleicht in Dortmund. Dann werden die Bayern mehr wissen, in jeder Beziehung. Auch, ob Timoschtschuk seine Chance genutzt hat und damit auch die Bayern. Denn eine starke Führungskraft haben sie ja eigentlich schon, im modernen Fußball sollte das reichen. Sie sitzt draußen, auf dem Trainerstuhl.

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