FC Bayern München:Lüftchen im Kartenhaus

Fussball Champions League/ FC Bayern Muenchen-PSV Eindhoven

Viel in Bewegung: Arjen Robben (links) und Robert Lewandowski bedrängen Eindhovens Torwart Jeroen Zoet.

(Foto: SvenSimon)

Das 4:1 gegen den Kontrahenten Eindhoven ist auch ein kleiner Erfolg von Trainer Carlo Ancelotti nach seinen ersten raueren Tagen in München. Er stärkt vor allem das Spiel von Arjen Robben.

Von Benedikt Warmbrunn

Das 33. Lebensjahr hat schon manchem Künstler dazu gedient, dem eigenen Werk eine neue Note zu geben. Joan Miró begann als 32-Jähriger mit seinen Arbeiten an den sogenannten Traumbildern mit dem ihnen eigenen undefinierbaren Schweben. Bob Dylan veröffentlichte das Western-Musik-Album "Pat Garrett & Billy the Kid", mit der Single "Knockin' on Heaven's Door". Und Arjen Robben entdeckte am 27. Tag des neunten Monats seines 33. Lebensjahres, dass selbst auf der ihm höchsten Bühne, der Champions League, das Fußballspiel nicht ausschließlich mit dem Fuß gespielt werden muss.

Es lief die 84. Minute in der Partie des FC Bayern gegen den PSV Eindhoven, da rannte Robben in den ihm eigenen Trippelschritten in den Strafraum hinein. Dann schwebte er, präzise definiert, dem Himmel entgegen. Als er kurz danach wieder landete, hatte er im 91. Champions-League-Spiel seiner Karriere das 27. Tor erzielt. Es war sein erstes mit dem Kopf.

Nicht nur dank dieser neuen Note in seinem Repertoire war Robben am späten Mittwochabend das beherrschende Thema. Phillip Cocu zum Beispiel, der Trainer des PSV Eindhoven, schwärmte: "Arjen Robben ist herausragend. Er ist ein Weltklassespieler. Solche Spieler haben die Klasse und die Vision, auf dem Platz den Unterschied auszumachen." Beim 4:1-Sieg des FC Bayern hatte Robben den Unterschied ausgemacht, indem er das 1:0 durch Thomas Müller mit einer visionär schnell und flach ausgeführten Ecke vorbereitet hatte, indem er das 3:1 durch Robert Lewandowski durch ein Trippelschrittsolo eingeleitet hatte, indem er den Endstand selbst erzielt hatte. Beim 2:0 durch Joshua Kimmich lief Robben zwar nur verwirrt unter dem durch die Luft flatternden Ball entlang, aber das reichte schon, um alle PSV-Verteidiger abzulenken. Der Champions-League-Abend gegen Eindhoven war also der Abend des Arjen Robben. Und somit war es wieder einmal ein Abend der Außenbahn.

Arjen Robbens Motto im Spiel: "Immer Vollgas, aber natürlich auch mit ein bisschen Gehirn."

In den Tagen vor der Partie ist viel darüber geredet und geschrieben worden, wo und wie sehr es teilweise noch unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti knarzt und knirscht; nach dem 2:2 am Samstag in Frankfurt, der dritten sieglosen Partie in Serie, hatten sich die Beteiligten darauf geeinigt, dass es an jenem Nachmittag die fehlende Einstellung war. Diese war gegen Eindhoven, urteilte nicht nur Mats Hummels, wieder "sehr gut". Doch in dieser Suche nach Schwächen ist untergangen, worauf Ancelotti eigentlich Wert legt, und was das ist, auch das war am Mittwoch besser zu erkennen: das Spiel über die Außen.

Ancelottis Vorgänger Pep Guardiola hatte rund um den Strafraum so viele Spieler positioniert, dass die Außenbahnspieler wie Robben oder Franck Ribéry fast an die Außenlinie gedrängt wurden, und beiden gefiel es nicht uneingeschränkt. Ancelotti fächert das Spiel weiter auf, die Außenspieler sollen auch den Platz haben, um in die Mitte zu stoßen; hinter ihnen preschen dann die Außenverteidiger nach vorne, was gegen Eindhoven vor allem David Alaba eindrucksvoll umgesetzt hat. Dass Ancelotti das Spiel mehr auf die seitlichen Korridore verlagert, und dass er dort seinen Künstlern mehr Freiheit lässt, in diese Rolle findet sich nun auch der zu Saisonbeginn verletzte Robben besser rein. "Vollgas" habe er gegeben, sagte er, "aber natürlich auch mit ein bisschen Gehirn".

Der Erfolg gegen Eindhoven war also auch ein Erfolg Ancelottis nach seinen ersten raueren Tagen in München. Er hat seine Ideen gestärkt, und er hat seine Macht demonstriert. Dadurch, dass er nach dem Spiel in Frankfurt so deutlich kritisierte wie nie zuvor. Dadurch, dass er auch nicht vor machtpolitischen Spielchen zurückschreckte; die Mannschaft durfte erstmals vor einer Partie nicht zu Hause übernachten, sondern musste gemeinsam ins Hotel. "Das Frankfurt-Spiel war eine gute Lektion für uns", sagte der Pädagoge Ancelotti. Dass ihn zu einem drastischeren Eingreifen auch Karl-Heinz Rummenigge, der erste Pädagoge des Klubs, sanft gedrängt hatte, verschwieg der Trainer dabei. Der Klubboss hatte seine Kritik vom Wochenende ("Das war nicht der FC Bayern") vor der Partie gegen Eindhoven erneut erklärt: "Der Trainer ist ein wunderbarer Mensch und ein guter und erfahrener Trainer, aber irgendwann muss man auch den Finger in die Wunde legen."

Dass dieser Finger nach dem 4:1 am Mittwoch nicht weggezogen werden kann, gehört allerdings auch zur aktuellen Form des FC Bayern. So stark das Spiel über die Seiten war, so anfällig blieb das Team im Zentrum. Ancelottis Gebilde wirkt teilweise wie ein Kartenhaus aus drei Karten. Das Dach und die Seite sieht stabil aus, aber wenn einmal ein Lüftchen durch die Mitte weht, fällt alles in sich zusammen. So war das auch vor dem Gegentor durch Luciano Narsingh (41.), als mehrere Spieler sich falsch positioniert hatten. "Dass der Gegner beim Umschalten das ganze Feld offen vor sich hat, das darf nicht passieren", sagte Robben. "Trotz einer 2:0-Führung standen wir sehr hoch, haben sehr riskant durchs Zentrum gespielt und den Ball verloren. Da hat's ein paar Mal gebrannt", kritisierte auch Hummels. "So wie zuletzt nicht alles schlecht war", sagte Philipp Lahm, "war heute auch nicht alles gut."

Aber Ancelotti hat seine Arbeit als Pädagoge ja auch erst so richtig aufgenommen.

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