FC Bayern München:Lieber mal die Schuhe binden

30.03.2019,  Fussball 1. Bundesliga: Freiburg - FC Bayern

Sein 199. Bundesliga-Tor war wirklich ein besonders schönes: Robert Lewandowski trifft per Seitfallzieher zum 1:1 gegen Freiburg.

(Foto: MIS)

Die Münchner sind uneinig, wie sie das 1:1 in Freiburg werten sollen: Die Spieler sind unaufgeregt, Trainer und Sportdirektor sehr verärgert.

Von Benedikt Warmbrunn, Freiburg

Ein ganzes Fußballspiel nur in einer einzigen Szene zusammenzufassen, kommt immer einer fiesen Ungerechtigkeit gleich, daher: eine Zusammenfassung in zwei Szenen. Eine aus der letzten Minute der zweiten Halbzeit, eine aus der letzten Minute der ersten Halbzeit.

Erst die Schlussszene: Es läuft die 93. Spielminute, auf der linken Seite legt sich Franck Ribéry den Ball auf den rechten Fuß, ein Blick in den Strafraum, eine präzise Flanke, und dann steigt in der Mitte Leon Goretzka nach oben, dreht den Oberkörper, und in der Drehung stupst er den Ball mit dem Kopf in Richtung des Freiburger Tores. Alles richtig gemacht, eigentlich. Der Ball springt vom Innenpfosten zurück ins Spielfeld. Der Abpfiff.

Dann die Szene aus der letzten Minute der ersten Halbzeit: Der Münchner Torwart Sven Ulreich hält den Ball in den Händen, er möchte sofort einen letzten gefährlichen Angriff starten. Also will er den Ball in den Lauf von Rafinha rollen - doch der Linksverteidiger kniet sich genau in dem Moment auf den Rasen, um seine Schnürsenkel zu binden. Vielleicht also kurz gerollt zu Mats Hummels? Der Innenverteidiger zeigt weiter nach rechts. Ulreich dreht und wendet sich, schließlich rollt er den Ball zu Thiago an die Strafraumkante. Und so wie die Szene angefangen hat, endet sie auch, ein uninspirierter Angriff, nichts passiert. Pfiff zur Halbzeitpause.

Es konnte sich nach diesem Nachmittag des FC Bayern in Freiburg jeder aussuchen, wie er das Spiel betrachtet, eine Woche vor dem vielleicht schon vorentscheidenden Duell um die Meisterschaft am kommenden Samstag zu Hause gegen Borussia Dortmund, den nun wieder um zwei Punkte enteilten Tabellenführer. Man konnte es so sehen wie Hummels, der sagte: "Wenn man 26 Torschüsse in Freiburg gehabt hat, darunter fünf, sechs hochkarätige Chancen, kann man nicht so viel falsch gemacht haben." Oder man konnte es so sehen wie Hasan Salihamidzic, der Sportdirektor des FC Bayern: "Das war kein gutes Spiel von uns, ich bin sehr enttäuscht."

Einerseits war das 1:1 (1:1) des FC Bayern in Freiburg ein unglückliches Unentschieden, weil die Münchner genug Chancen hatten, um noch zu gewinnen, und sei es auch dank einer Eigenschaft, die lange fest in der Bayern-DNA eingepflanzt zu sein schien: durch Dusel. Zum Beispiel dadurch, dass der Ball in der 93. Minute nicht vom Innenpfosten zurück ins Spielfeld springt, sondern eben ins Tor. Andererseits war das 1:1 für Freiburg kein glückliches Unentschieden, weil der Gastgeber sich ein paar Dinge vorgenommen hatte und diese auch überzeugend umsetzte. Die Gäste aus Bayern hatten sich zwar bestimmt auch etwas vorgenommen, sie setzten dies aber nicht immer ganz so überzeugend um; und sei es bei der letzten Möglichkeit in der ersten Halbzeit, noch einen strukturierten Angriff zu eröffnen.

Niko Kovac ärgerte sich daher nach dem Abpfiff so sehr wie nur selten in seinen nun neun Monaten in München. Der Trainer sagte: "Ich bin über das Ergebnis nicht nur enttäuscht, sondern verärgert."

Kovac, ein akribischer Arbeiter, hatte seine Mannschaft natürlich mit ein paar Informationen zu diesem Spiel versorgt, aber es dauerte keine 200 Sekunden, da sah er seine Vorarbeit zerstört. In der dritten Minute schlug von der linken Seite der Freiburger Christian Günter eine Flanke in den Strafraum, auf den Kopf von Lucas Höler, der ungestört zur Führung traf. "Darauf habe ich meine Mannschaft eingestellt beziehungsweise ich habe es ihnen gesagt: Die Flanken von Christian Günter von der linken Seite sind gefährlich."

Eine gefährliche Flanke von der linken Seite hatte Günter auch Anfang November im Hinspiel in München geschlagen, auch damals auf den Kopf von Höler; damals war es der Treffer zum 1:1-Endstand. "Wir haben in den ersten fünf Minuten gepennt. Wir haben das vorher 700 Mal in der Kabine angesprochen, das ist unerklärlich", gestand Goretzka zerknirscht.

Für Kovac war das Ärgerliche aber, dass er eine Erklärung gefunden hatte: die Einstellung. "Das Entscheidende war, dass wir nicht so ins Spiel gegangen sind, wie ich mir das vorgestellt habe. Jeder dachte: Das wird schon. Aber du musst hierherkommen und den Kampf annehmen." Ähnlich bewertete das Salihamidzic: "Es ist jetzt nicht so gewesen, dass man das Gefühl gehabt hat, dass wir das hier unbedingt gewinnen wollen. Dieser Funke ist nicht übergesprungen."

Lewandowski erzielte zwar mit einem technisch feinen Seitfallzieher den Ausgleich (22.), und gerade in der zweiten Halbzeit erspielten sich die Bayern zahlreiche gute Möglichkeiten. Aber immer wieder scheiterten sie am prächtig aufgelegten Freiburger Torwart Alexander Schwolow. Jérôme Boateng und James Rodríguez einmal innerhalb weniger Sekunden (66.), der eingewechselte und sehr belebende Serge Gnabry einmal nach einem Solo (71.).

Doch hinter den Chancen war keine verbindende Idee zu erkennen, es waren Chancen, die sich nun einmal ergeben, wenn eine individuell überlegene Mannschaft gegen einen Gegner spielt, der sich weit vor das eigene Tor zurückzieht und nur noch auf wenige Entlastungsangriffe lauert.

"In Teilen können wir es natürlich besser spielen", sagte daher auch Hummels. "Zwei Punkte verloren" habe der FC Bayern in Freiburg, das schon, doch der Innenverteidiger wollte den Nachmittag auch nicht zu sehr dramatisieren: "Das kommt ja häufig vor, dass man irgendwo Punkte liegen lässt. Das ist ein Dämpfer, aber nicht nachhaltig." So konnte man es sehen. Oder man sah es so wie Salihamidzic. Auf die Frage, was sich spielerisch verbessern müsse, antwortete er knapp: "Vieles."

Doch egal, aus welcher Perspektive man das Spiel gesehen hatte, für das Duell am Samstagabend gegen Dortmund bleibt nur eine Schlussfolgerung, um das Meisterschaftsrennen spannend zu halten, am siebtletzten Spieltag der Saison. Also sagte Hummels: "Wir müssen gewinnen."

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