FC Bayern:Zweieinhalb Tore fürs Betriebsklima

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FC Bayern, Zweieinhalb Tore fürs Betriebsklima (Video: SID)
  • Robert Lewandowski schießt beim 3:1 gegen Wolfsburg das erste und das zweite Tor, das dritte bereitet er vor.
  • In europäischen Spitzenspielen und auch bei der WM hatte Lewandowski 2018 eine durchwachsene Bilanz, was ein Grund dafür sein mag, dass er noch bei den Bayern stürmt und nicht zum Beispiel bei Real Madrid.
  • Wie groß die Abhängigkeit des FC Bayern von der Form des Polen ist, muss sich zeigen - Trainer Niko Kovac hat immer noch eine gute Auswahl zur Verfügung.

Von Peter Burghardt, Wolfsburg

Hinter dem VW-Werk ging sehr schön die Sonne unter, als Niko Kovac auf einem Podium der Volkswagenarena saß und seine Bayern lobte. Den Himmel wird angesichts des stets und derzeit wieder besonders weltbewegenden Themas FCB vielleicht nicht jeder im Blick gehabt haben, aber wer mochte, der sah durch die Fensterfront ein kitschig leuchtendes Rosa und Orange zwischen Schornsteinen und Wolkenfetzen. Eine friedliche Dämmerung, bei der letzten Pressekonferenz zwei Tage zuvor war die Münchner Gemütslage noch fiebrig gewesen, vor allem in der bereits legendären Verlängerung.

Am Freitag an der Säbener Straße hatte der Trainer Kovac nach seiner Wochenendvorschau bekanntlich Platz gemacht für die Bosse Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß (Hasan Salihamidzic war auch dabei). Deren Auftritt wurde ein praktisch globaler Renner, auf dem Rasen kaum mehr zu schlagen, da haben die Herren die Latte hoch gelegt. Sie schimpften auf Bayernberichterstatter, Rummenigge verwies auf Grundgesetz und Menschenwürde - eine rundum bizarre Veranstaltung und ernsthafte Konkurrenz für die ähnlich verwirrende Flasche-leer-habe-fertig-Rede aus dem Jahre 1998 von Giovanni Trapattoni, einem von Kovacs lustigsten Vorgängern.

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Nicht zuletzt Niko Kovac musste danach erst recht schwer hoffen, dass es nach zuletzt vier erfolglosen Partien nicht auch in Wolfsburg schiefgehen würde. Das Land hätte ein Fass Spott über dem Serienmeister mit seinen eigenwilligen Menschenrechtlern ausgegossen. "Man hat gesehen, dass viel Druck auf diesem Spiel lag", setzte Kovac an, als es überstanden war. Beim 3:1-Sieg ging ja fast alles glatt. Das hatte weniger mit den Gesetzeshütern Rummenigge/Hoeneß auf der Tribüne zu tun als damit, dass der nicht immer mit Liebe überschüttete Robert Lewandowski wie üblich gegen Wolfsburg zu Hochform auflief.

Der Stürmer schoss den Münchnern beim 3:1 das erste Tor und das zweite Tor und bereitete das dritte Tor durch James Rodriguez vor, clever und elegant. Es waren am achten Spieltag sein vierter und fünfter Saisontreffer, so gerät den Bayern Borussia Dortmund nicht außer Reichweite, und Lewandowski bleibt in der Schützenliste an den jungen Herausforderern Paco Alcácer und Luka Jovic dran. Fünfmal hatte der Frankfurter Jovic am Abend zuvor getroffen, Lewandowski waren 2015 gegen seinen Lieblingsgegner Wolfsburg genauso viele Tore gelungen. Diesmal genügten ihm zweieinhalb, und es wären noch mehr geworden, hätte nicht der Wolfsburger Torwart Koen Casteels ebenfalls einen ausgezeichneten Tag erwischt.

So ließ sich einmal mehr besichtigen, dass es den Bayern dann gut geht, wenn es ihrer wichtigsten Offensivkraft gut geht. Und umgekehrt. Der Autoklub war ein dankbarer Sparringspartner nach den unerfreulichen Wochen seit dem 22. September, an dem Kovacs Ensemble zuvor letztmals gewonnen hatte. Am Dienstag in der Champions League bei AEK Athen und am Samstag in der Bundesliga bei Mainz 05 könnte die Erholungsphase weitergehen, aber was ist, wenn die richtigen Rivalen kommen? In europäischen Spitzenspielen und auch bei der WM hatte der inzwischen 30-jährige Lewandowski 2018 eine durchwachsene Bilanz, was ein Grund dafür sein mag, dass er noch bei den Bayern stürmt und nicht zum Beispiel bei Real Madrid.

Es wird sich weisen, wie groß die Abhängigkeit von Lewandowskis Schaffenskraft bleibt, ansonsten hat Niko Kovac zumindest für nationale Verhältnisse immer noch sagenhafte Auswahl. Er erinnerte an Joachim Löw, denn Kovac stellte wie kürzlich der Bundestrainer Niklas Süle und Serge Gnabry statt der Weltmeister Jérôme Boateng und Thomas Müller auf. Angreifer Gnabry spielte anders als in der Nationalelf so mittel, Manndecker Süle neben Mats Hummels genauso robust und sicher wie beim DFB. "Ich hab' den Jogi unterstützt", antwortete Kovac auf Nachfrage, aber nein, ein Scherz, man habe rotiert, und wenn bei Bayern rotiert werde, dann säßen halt Nationalspieler auf der Bank.

Ein vormaliger Nationalspieler aus Frankreich war unter den Reservisten, Franck Ribéry sah unfroh aus. Ein vormaliger Nationalspieler aus Holland wiederum musste nach 57 Minuten vom Feld, Arjen Robben hatte mit einem theatralischen Strafraumsturz und einem mäßig dramatischen Foul zwei gelbe Karten gesammelt. Den 150. Sieg in seinem 196. Bundesligamatch feierte Robben mit einer roten Karte, was soll's. Selbst zu zehnt blieb der FC Bayern trotz kurzer Verwirrung stabil genug, um Bruno Labbadias Wolfsburger nicht mehr als das zwischenzeitliche 1:2 zu erlauben. Auch gefiel Kovac sicher die Regie von Thiago Alcântara, der obendrein zeigte, dass es auch genial sein kann, einfach mal nicht einzugreifen: Bei Hummels' langem Pass auf Lewandowski zu dessen 1:0 hob er den Fuß und ließ den Ball passieren, sehr klug. Joshua Kimmich dagegen wirkt leicht überspielt, kein Wunder.

Gern hätte man von Niko Kovac gewusst, wie er das mit der Menschenwürde und so fand. Er erwiderte: "Ich bin für den Sport zuständig, für den Fußball, für meine Mannschaft. Damit will ich's auch belassen." Das mit dem Druck sei sportlich gemeint gewesen. Kovac machte zu der Sache, über die alle reden, ein eher amüsiertes Gesicht, das kann jeder interpretieren, wie er will. Über dem Wolfsburger Stadion jedenfalls stand wunderbar der Mond.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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