FC Bayern München:Klinsmanns aktuelles Wortstudio

Vom Auditorium bis zum Zeitfenster: Wie sich Sprache und Kosmos des FC Bayern durch den neuen Trainer verändern. Zusammengestellt von Moritz Kielbassa und Markus Schäflein

27 Bilder

FC Bayern

Quelle: SZ

1 / 27

Vom Auditorium bis zum Zeitfenster: Wie sich Sprache und Kosmos des FC Bayern durch den neuen Trainer verändern. Zusammengestellt von Moritz Kielbassa und Markus Schäflein

Die Adresse ist die alte: Säbener Straße 51, 81547 München. Doch Jürgen Klinsmann, der neue Trainer (im folgenden K. genannt), hat dem FC Bayern einen neuen Kosmos geschaffen, der sich vom Rest der Fußballwelt in vielen Dingen unterscheidet. Einen Kosmos mit neuer Ideologie, mit einem Trainingsgelände voller Hightech und mit einer neuen, multinationalen Sprache mit vielen Anglizismen. Dieses Lexikon soll helfen, beim FC Bayern München weiterhin mitreden zu können.

Foto: Getty

Auditorium

Quelle: SZ

2 / 27

Acht-Stunden-Tag: Geregelte Arbeitszeit für die neue Fußballergeneration, die laut K. "ständig stimuliert und inspiriert werden will". Der A., der während der Saison verkürzt wird, setzt sich aus diversen -> Zeitfenstern zusammen.

Auditorium: Kinoartiger Hörsaal im neuen -> Leistungszentrum, mit 39 Stühlen und fünf Kabinen für Simultandolmetscher. K. hält im A. Besprechungen ab, die in die Landessprachen aller Spieler übersetzt werden (z.B.: "we must hit them through the wall"). Das A. kann auch für Grundsatzreden von -> Uli Hoeneß genutzt werden. Oder für Gastvorträge prominenter Referenten aus Sport, Politik, Kultur und Wirtschaft, die den Horizont der Spieler erweitern sollen.

Foto: FC Bayern München

Jürgen Klinsmann

Quelle: SZ

3 / 27

Ballkontaktzeit: Im modernen Fußball Bezeichnung für das -> Zeitfenster zwischen Ballannahme und Weitergabe durch den nächsten Pass. K. will die individuelle B. bei Bayern an den -> Hochgeschwindigkeitsfußball der Champions League anpassen und um rund 1,1 Sekunden im Schnitt reduzieren.

Blitzlicht-Allergie: Überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems auf bestimmte, normalerweise harmlose Umweltstoffe. Bei K.: Überempfindlichkeit gegenüber Fotoapparaten, im Speziellen gegenüber "Klickgeräuschen".

Bodhipakkhiyadhamma: 37 Regeln für Neueinsteiger in den Buddhismus. Betrifft auch Fußballer, enthält nämlich Regeln der Achtsamkeit (keine Fouls!), Glieder der Erleuchtung (Laufwege!), den edlen achtspurigen Pfad (Paradies für 400-PS-Audis!) und die vier Wege zum Erfolg. B. ist eine Art Kurzzusammenfassung der Lehre Buddhas, der im neuen -> Leistungszentrum als Goldfigur und Steinstatue allgegenwärtig ist.

Foto: ddp

Trainerbüro

Quelle: SZ

4 / 27

Carte blanche (franz.) = Blankoscheck. K. erhielt von den Klubchefs eine C., um das neue -> Leistungszentrum nach seinen Vorstellungen zu gestalten.

Coaches office: Trainerbüro im -> Leistungszentrum, mit Laptops und modernsten Analyse-Apparaten.

Cooldown-Phase: Beruhigung des beanspruchten Fußballerkörpers nach Trainingseinheiten (11.45 Uhr, Kraftraum).

Foto: FC Bayern München

Luca Toni

Quelle: SZ

5 / 27

Dominanz: Verhaltensweise, durch die Individuen gegenüber anderen Individuen einen höheren Status erreichen wollen. Form der Überlegenheit, die der FC Bayern ausstrahlen soll (-> we are we).

Bayern-Stürmer Luca Toni mit der "Pokalsammlung 2008".

Foto: Getty

Trainer

Quelle: SZ

6 / 27

E-learning-room: Fortbildungsraum im -> Leistungszentrum, wird in der Mittagspause für Sprachkurse genutzt. Angeboten werden: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch. Auch der polyglotte K. will seine Sprachkenntnisse verfeinern.

Empowerment (engl.) = Verantwortungsübergabe: Begriff aus der amerikanischen Gemeindepsychologie. Als E. werden Strategien und Maßnahmen bezeichnet, die die Autonomie im Leben der Menschen erhöhen und sie in die Lage versetzen sollen, ihre Belange eigenmächtig und selbstverantwortlich zu gestalten. Vom E. des K. profitiert ein Expertenteam aus fünf Nationen mit zwei Co-Trainern, Scout, Videoanalytiker, Teammanager, Torwarttrainer; vier Fitnesscoaches, Masseuren sowie einem Sportpsychologen und -> Kopftrainer.

Energiefluss: Bezeichnung für die Weitergabe physikalischer Energie. Im Sinne des -> Fengshui Bezeichnung für den Kreislauf des "Qi" (u.a. Atem). Das Qi sinkt im Regen auf die Erde und steigt im Wachsen der Ernte wieder empor. Qi kann guter oder schlechter Energiefluss sein. Fengshui versucht das Qi zu verstehen und zu beeinflussen, z.B. durch Buddha-Statuen. Ziel des Fengshui ist, Räume und die eigene Position so zu beeinflussen, dass der Energiefluss dem eigenen Schicksal zugute kommt.

Die Trainer Walter Junghans (hintere Reihe v.l.), Jürgen Klinsmann, Martin Vasquez (USA) und Nick Theslof (USA) sowie Marcelo Martins (vordere Reihe, v.l.), Thomas Wilhelmi und Darcy Norman sollen die Bayern-Spieler fit halten.

Foto: ddp

Family-room

Quelle: SZ

7 / 27

Family-room: Relax-Bereich der Spieler im -> Leistungszentrum, mit Polstersitzecken, Flachbildfernsehern, Spielkonsolen und DJ-Pult. Darf auch von Spielerfrauen und Kindern besucht werden

Fengshui (chin.) = "Wind und Wasser"; Teil der daoistischen Philosophie, Kunst der harmonischen Lebensraumgestaltung, die im neuen -> Leistungszentrum zur Anwendung kommt.

Foto: FC Bayern München

Spieler-Bibliothek

Quelle: SZ

8 / 27

Goethe, Johann Wolfgang von: Dt. Dichter (Weimarer Klassik), dessen Werke in der Spieler-Bibliothek des -> Leistungszentrums zu finden sind. Dort auch im Regal: Kafka, Hesse, Schumi-Biografie, Reisebildbände, Romane der SZ-Bibliothek, Tageszeitungen, Kicker, Gesellschaftsspiele (Monopoly, Siedler von Catan).

Foto: FC Bayern München

Uli Hoeneß

Quelle: SZ

9 / 27

Handy: Mobiltelefon, das während vieler -> Zeitfenster im Spind zu belassen ist, wobei gelegentliches SMS-Versenden in einigen -> Zeitfenstern erlaubt ist. In der Trainingsgestaltung Instrument der Fitnesskontrolle. Das Sondermodell, das K. in Funktiontionseinheit mit Brustgurt und Schuhsensoren verwendet (miCoach), misst Puls, Laufleistung, Herzschlag und Kalorienverbrennung.

Heimschläfer: Bezeichnung der Spieler, die künftig vor Spielen im eigenen Bett übernachten dürfen, weil der Freiheitsliebhaber K. Kasernierungen in Trainingslagern schon immer hasste.

Hochgeschwindgkeitsfußball (neudt.) = Highspeedsoccer (engl.), Dallidallicalcio (ital.), Zefixhallelujaschlaftsnedeispuitsschnellafuaßboi (ugs.): Temporeiche Spielweise, die K. bevorzugt.

Hortus conclusus (lat.) = geschlossener Garten. Räumliche Symbolik für das Lebensprinzip des K., sich und seinen Spielern Rückzugsgebiete zu schaffen, um ungestört von Unbefugten (Fans, Medien) der Arbeit nachzugehen.

Ob das Handy-Verbot wohl auch bald für Bayern-Manager Uli Hoeneß gilt?

Foto: AP

FC Bayern München

Quelle: SZ

10 / 27

Inputs: Nutzt K. permanent ("das Leben ist ein ständiges Lernen"). Ließ sich z.B. bei der Gestaltung des -> Leistungszentrums von den Players Lounges amerikanischer Baseball- und Football-Teams (Phoenix Suns, L.A. Lakers) inspirieren. K. besuchte auch Trainingseinrichtungen wie das hochwissenschaftliche Milan-Lab des AC Mailand und er hospitierte bei berühmten Trainern Südamerikas.

Auch die Ticket-Verkaufsstelle des FC Bayern wurde modernisiert - futuristisch.

Foto: Getty

Trainingsplan

Quelle: SZ

11 / 27

Jedenspielerjedentagbessermachen: Des K.s Mantra; Umschreibung für gezielte individuelle Trainingsarbeit nach ganzheitlichen, von Kopf bis Fuß motivierenden Trainingsplänen.

Jugendförderung: Selbstverpflichtung des K., der sich anders als seine Vorgänger auch eifrig um Amateure und Junioren des FC Bayern kümmern will.

Foto: Getty

Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski

Quelle: SZ

12 / 27

Kommunikation: Gemeinschaftliches Handeln, in dem Gedanken, Ideen, Wissen, Erkenntnisse, Erlebnisse (mit-)geteilt werden. Basiert auf der Verwendung von Zeichen in Sprache, Gestik, Mimik, Schrift, Bild oder Musik. Auch Schweigen ist Kommunikation (siehe Philosoph P. Watzlawick, Trainer F. Magath). Bei K. wird Kommunikation vornehmlich im positiven Sinne gebraucht, z.B. bei -> Poldi und -> Schweini.

Kopftrainer: Umschreibung für den vielfältigen Arbeitsbereich des neuen Bayern-Psychologen P. Laux: Schließt neben mentaler Betreuung der Spieler auch das Koordinieren aller Fortbildungsangebote ein; z.B. Fremdsprachenunterricht, Gastvorträge im -> Auditorium oder Kochkurse für Spielerfrauen.

Auch eine Art "gemeinschaftliches Handeln": Die Vorab-Meisterfeier von Bastian Schweinsteiger (links) und Lukas Podolski (rechts).

Foto: ddp

Leistungszentrum

Quelle: SZ

13 / 27

Leistungszentrum: . Ca. 2000 Quadratmeter großer Nutzbau auf den Klubgelände mit Leistungsdiagnostik-Zentrum, Fitnessräumen, Weiterbildungseinrichtungen sowie Chill-out-area mit fernöstlichem Ambiente. "Supergeile Location" (Zitat Spieler Lell), wie man sie "sonst nur in Hotels in Dubai findet" (Zitat Spieler Bommel). Auch als Lockmittel für neue Spieler geeignet, die "sich, wenn sie da mal durchgehen, gut überlegen, ob sie noch woanders hin wollen" (Zitat K.).

Foto: Getty

FC Bayern München

Quelle: SZ

14 / 27

Messageboard: Elektronischer Monitor im Kabinenspind jedes Spieler. Zeigt den individuellen Zeitplan im Rahmen des -> Acht-Stunden-Tags an.

Foto: FC Bayern München

Jürgen Klinsmann

Quelle: SZ

15 / 27

Natürliche Autorität: Umflort K., den lächelnden Strengen. K. will kein steifer Chef mit Kontrollwahn sein, er delegiert gerne Verantwortung (-> Empowerment), und er gilt als Spielerversteher, der viel lobt und vertrauensvoll -> kommuniziert (auch mit allen Mitarbeitern). K. baut jedoch genug Distanz auf, um kein Kumpeltrainer zu sein. Die N.A. des K. resultiert aus dem Wissen seiner Umwelt, dass K. konsequent seine "Ideen umsetzt, auch wenn sie manchen missfallen"(Zitat K.) oder zuweilen Arbeitsplätze kosten. Alle Bayern-Angestellten geben sich daher große Mühe, bei K. einen guten Eindruck zu machen.

Foto: Getty

-

Quelle: SZ

16 / 27

Oase: Von Vorstandschef Rummenigge und zahlreichen Medien verwendete Bezeichnung für das -> Leistungszentrum.

Im Spieler-Café des FC Bayern lässt es sich aushalten.

Foto: FC Bayern München

Lukas Podolski

Quelle: SZ

17 / 27

Poldi (ugs.): auch: Dä Prinz (kölsch). Bezeichnung für einen sympathischen Fußballer, der großes Potential besitzt, für sein Alter schon viele Höhen und Tiefen erlebt hat und im Falle eines Nichteinsatzes durch positive -> Kommunikation bei Laune gehalten werden muss.

Foto: AP

FC Bayern

Quelle: SZ

18 / 27

Qi: im -> Fengshui Energie, Atem oder Fluidum, wörtlich Luft, Dampf, Hauch, Äther, Temperament, Kraft oder Atmosphäre; außerdem: die Emotionen des Menschen (siehe K.: Feuerkopf).

Fernöstliche Einflüsse auf dem Trainingsgelände des FC Bayern München.

Foto: FC Bayern München

FC Bayern München

Quelle: SZ

19 / 27

Rot: Trikotfarbe der Bayern und bevorzugte Farbe des K.: signalisiert Mut, Aggressivität und Siegeswillen.

Foto: Getty

Bastian Schweinsteiger

Quelle: SZ

20 / 27

Schweini: Pendant zu -> Poldi. Leidet nicht an -> Blitzlicht-Allergie. Seit der EM durch Liason mit einem Blondmodel meistfotografierter dt. Fußballer.

Steinumdreher: auch: Allesumkrempler, Auf-den-Schlips-Treter oder (bösartig) manischer Reformer. Diverse Pressesynonyme für den Revolutionär K.

Foto: AP

Philipp Lahm

Quelle: SZ

21 / 27

Tischtennisplatte: Freizeitgerät im Freiluftbereich des -> Leistungszentrums.

Thujen- und Bambussträucher: Hohe Grünpflanzen; Sichtschutz für die Freiluftterrasse des -> Leistungszentrums.

Think big: Lebensmotto und Denkprinzip, das der Wahlkalifornier K. dem American way of life entlehnt hat: Denke in großen Dimensionen! 2006 wollte K. Weltmeister werden. Jetzt will er die Bayern zurück an Europas Spitze führen.

Philipp Lahm spielt neben Fußball auch gerne mal eine Partie Tischtennis.

Foto: dpa

Uli Hoeneß

Quelle: SZ

22 / 27

Uli, Hoeneß: Trotz der neuen K&K&K-Regentschaft von Kaiserkalleklinsi noch immer der Oberbuddha des FC Bayern. Lobt K. ("spiritus rector"), passt aber auf, dass beim -> Steinumdrehen des K. die Identität des Klubs nicht verloren geht.

Foto: AP

Jürgen Klinsmann

Quelle: SZ

23 / 27

Vier-vier-zwo: Taktisches System, das K. bei den Bayern praktizieren will - gegen den salonfähigen EM-Trend, mit nur einer echten Spitze zu spielen.

Foto: Getty

FC Bayern München

Quelle: SZ

24 / 27

We are we (engl.) = Mia san Mia (ugs.): selbstbewusste Mentalität des FC Bayern zu Lasten der Gegner, aus der K. unter Berücksichtung der "kulturellen Hintergründe" von Stadt und Verein eine "Spielphilosophie" entwickeln will. Die We-are-we-Spielweise soll "agierend, federführend und dominant" sein.

Wohlfühlbereich: Teilzone des -> Leistungszentrums, die der Entspannung dient. Inklusive Dachterasse für Grillabende oder morgendliche Begrüßung beim Espresso; möbliert mit wetterfesten Sitzmöbeln, Sonnensegel u.v.m.

Foto: FC Bayern München

Jürgen Klinsmann, Uli Hoeneß

Quelle: SZ

25 / 27

X: Bevorzugte Verfügungssumme des K. beim Umsetzen seiner Reformen.

Manchmal sind wohl auch Überredungskünste notwendig, um seinen Boss von möglichen Neuzugängen zu überzeugen: Jürgen Klinsmann (2. v. l.) und Bayern-Manager Uli Hoeneß (rechts).

Foto: Getty

Jürgen Klinsmann

Quelle: SZ

26 / 27

Yoga: Angebot im -> Leistungszentrum: indische Lehre, die geistige und körperliche Übungen umfasst. Der Begriff Yoga - Sanskrit, von yuga (Joch), yuj für: "anjochen, zusammenbinden" - kann als Vereinigung oder Integration oder im Sinne von Anschirren und Anspannen des Körpers an die Seele zur Sammlung und Konzentration verstanden werden.

Gleichgewicht ist Jürgen Klinsmann (links) beim Training wichtig - vor allem das Innere.

Foto: AP

FC Bayern

Quelle: SZ

27 / 27

Zeitfenster: Zur Verfügung stehendes Zeitkontingent, z.B. "Medien-Dreiviertelstunde" für Gespräche mit Journalisten (13.15 - 14 Uhr). Wird der Puffer überschritten, spricht man vom"zeitkritischen Ereignis", z.B.: überzogenes Zeitfenster für nächtliche P-1-Besuche.

Foto: AP

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: