Polizeieinsatz bei Türkgücü - Bayern II:Ein skandalträchtiges Spiel mit Folgen

Polizeieinsatz bei Türkgücü - Bayern II: Szenen des Abbruch-Spiels: Bayern-Spieler vor dem Fanblock in Heimstetten.

Szenen des Abbruch-Spiels: Bayern-Spieler vor dem Fanblock in Heimstetten.

(Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Türkgücü München und der FC Bayern II müssen Geldstrafen zahlen, nachdem ihr Duell wegen eines Polizeieinsatzes abgebrochen werden musste. FCB-Vertreter kritisieren die "Schärfe und Intensität" des Eingriffs.

Von Christian Bernhard

Neuansetzung der Partie in Form eines Geisterspiels und Geldstrafen für beide Vereine: Zu diesem Urteil ist das Verbandssportgericht des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) im Fall des am 19. November abgebrochenen Regionalliga-Derbys zwischen Türkgücü München und dem FC Bayern München II gelangt. "Natürlich geht es nicht an, was hier passiert ist", betonte Emanuel Beierlein, der Vorsitzende des BFV-Verbandssportgerichts, bei seiner Urteilsverkündung am Freitagabend. Der FC Bayern wurde wegen des Verstoßes gegen die Platzdisziplin zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt, Türkgücü zu 1500 Euro.

Ausgelöst hatte den Vorfall ein "FC Bayern Fanclub Kurdistan"-Banner, welches im FCB-Block ausgerollt wurde und einen Polizeieinsatz zur Folge hatte. Der Schiedsrichter brach die Partie deshalb bereits nach eineinhalb Minuten ab und pfiff sie nicht mehr an. BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher, der vor Ort war und am Freitag als Zeuge angehört wurde, sprach von einer "extrem emotional aufgeheizten" Situation.

Die Frage, die am Freitag im Mittelpunkt der mündlichen Verhandlung in der Sportschule Oberhaching stand, lautete: Aus welchem Grund war die Partie abgebrochen worden? Nach Argumentation der Türkgücü-Seite, die von Präsident Taskin Akkay und zwei Anwälten vertreten war, das Verhalten der Bayern-Fans durch das Entrollen des Banners, das aufgrund seiner politischen Brisanz Türkgücü-Anhänger provoziert habe. Die Vertreter des FC Bayern, Chefjustiziar Michael Gerlinger und Nachwuchskoordinator Sebastian Dremmler, waren der Auffassung, der Schiedsrichter brach das Spiel unter dem Eindruck des Polizeieinsatzes ab.

Der Schiedsrichter der Partie, Simon Schreiner, der per Video zugeschaltet war, erklärte, ein Gespräch zwischen dem Einsatzleiter der Polizei und dem Schiedsrichterbeobachter Josef Maier habe ihn dazu bewogen, abzubrechen, weil aus diesem hervorgegangen sei, dass die Partie nicht fortgesetzt werden könne. Die Polizeibeamten, die am und teilweise im Spielfeld gestanden seien, machten aus Sicht von Maier eine Fortsetzung des Spieles unmöglich. Er bezeichnete es als "mission impossible".

Vereinsvertreter des FC Bayern gefiel der Polizeieinsatz nicht

Auch zum Banner selbst gab es unterschiedliche Auffassungen. Türkgücü beharrte darauf, dass es nicht genehmigt gewesen sei. Als Akkay erklärte, er könne nur die Reaktion auf das für zahlreiche Türkgücü-Fans provozierende Banner beurteilen, sagte Gerlinger: "Ich verstehe sie total, meist sind wir in dieser Position." Der FCB-Chefjustiziar betonte allerdings, dass es sich nach Rücksprache mit der Polizei nicht um ein rechtswidriges Banner handele. Dremmler fügte an, eine professionelle Fanszene wie die des FC Bayern sei nicht immer zu regulieren, "und wir können schon gar nicht regulieren, was mitgebracht und reingebracht (ins Stadion, Anm. der Red.) wird". Türkgücü wurde auch deshalb mit einer Geldstrafe belegt, da das brisante Banner trotz Leibesvisitationen bei allen Zuschauern ins Stadion in Heimstetten gelangen konnte.

Wie schwer sich alle Beteiligten taten, zu einem Resultat zu kommen, war auch an der Länge der Verhandlung abzulesen. Drei Stunden dauerte die mündliche Verhandlung, bei der neben den Vereinsvertretern auch mehrere Zeugen angehört wurden. Das darauffolgende Rechtsgespräch der Verfahrensbeteiligten, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, zog sich mehr als 90 Minuten hin. Keine Seite wollte in der Öffentlichkeit als Verlierer da stehen und einen Gesichtsverlust unbedingt vermeiden.

Beierlein verwies explizit darauf, dass es dem Sportgericht nicht zustehe, das Polizeiverhalten zu beurteilen. Gerlinger und Dremmler gaben aber zu verstehen, dass ihnen das Auftreten der Polizei nicht gefiel. Er habe so ein Vorgehen in 20 Jahren nicht gesehen, sagte Gerlinger. Dremmler hob die "Schärfe und Intensität" des Polizeieinsatzes hervor. Bei diesem kamen auch Pfefferspray und Schlagstöcke zum Einsatz, er endete mit 19 Verletzten, darunter laut mehreren Zeugen auch ein etwa zwölfjähriges Mädchen. Dass kein Polizeivertreter bei der Verhandlung am Freitag dabei war, stößt bei den Fans des FC Bayern auf Kritik.

Laut des Verbandssportgerichtes ermittelt die Kriminalpolizei weiterhin wegen Körperverletzung, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung. Die Aufarbeitung des skandalträchtigen Spiels ist also noch nicht beendet - anscheinend könnte es kommende Woche auch Thema im bayerischen Landtag werden.

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