FC Bayern München:Gegen den Bratwurst-Plan

Hamburger SV v Bayern Muenchen - Friendly Match

Thomas Müller und Franck Ribery müssen nach vorne mehr zeigen beim FC Bayern.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem mühsamen Pokalspiel gegen Drochtersen muss sich Bayern-Trainer Kovac etwas einfallen lassen für den Bundesliga-Start gegen Hoffenheim.
  • Die Offensive der Münchner scheint noch Probleme zu haben.
  • Außer Lewandowski ist derzeit noch keiner so richtig torgefährlich.

Von Sebastian Fischer

Man tritt dem Trainer Lars Uder nicht zu nahe, wenn man behauptet, dass sein Wirken bislang nicht prägend war für die Entwicklung des deutschen Fußballs. Das Wort "bislang" könnte allerdings in diesem Zusammenhang noch eine entscheidende Bedeutung bekommen.

Bislang war Uder einfach nur ein sympathischer von vielen Fußballtrainern des Landes. Uder, 36, ist ein Realschullehrer, dem seine Schüler zum Geburtstag einen Kuchen backten, der Mountainbiken und Windsurfen mag, alles nachzulesen auf der Webseite des Viertligisten SV Drochtersen/Assel, den er seit dieser Saison trainiert. Seit Samstag ist er jedoch ein Trainer, der auf simple Art und Weise Schwächen im Team des als uneinholbar geltenden deutschen Meisters gefunden hat.

Es war im Gesicht von Niko Kovac abzulesen, dass er sich als Trainer ertappt und ein wenig peinlich berührt fühlte, als Uder am Samstagabend im kleinen Pressekonferenzraum in Drochtersen zwischen engen Backsteinwänden an einem provisorisch platzierten Tisch seinen Plan referierte. Drochtersen/Assel ist ein für seine hervorragende Bratwurst bekannter Verein, weil die schon 2016 das Thema war, als der Klub gegen Borussia Mönchengladbach in der ersten Pokalrunde nur 0:1 verlor. Und nun, nach dem 0:1 gegen den FC Bayern, sprach Uder über eine Taktik, die nach einer Spielklasse klang, in der man die Bratwurst noch wertschätzt.

Niko Kovac war anzusehen, dass er sich als Trainer ertappt fühlte

Nach einer halben Stunde hatte der Viertligafußballer Florian Nagel die große Chance zum Führungstor gehabt, er war allein vor Manuel Neuer aufgetaucht, nach einem Einwurf, den Javier Martinez unglücklich verlängerte und Rafinha unterschätzte. "Einwurf, pressen, zustellen, draufgehen, querspielen, vorm Tor das Ding reinhauen", das sei der Plan gewesen. Und er habe auf Recherche basiert, sagte Uder. "Ich meine, gegen Hamburg habt ihr auch so eins kassiert", sagte er fragend in Richtung Kovac und kannte natürlich die Antwort. "Stimmt", sagte der Bayern-Trainer.

Kovac arbeitet nun seit bald rund zwei Monaten für die Münchner, am kommenden Freitag wird es am ersten Spieltag gegen Hoffenheim zum ersten Mal so richtig ernst. Und sein erstes richtig schwaches Spiel mit glücklichem Ende, aber ein paar durchaus interessanten Erkenntnissen hat er nun auch hinter sich gebracht.

Da war zunächst mal die Defensive, über deren Zusammensetzung in dieser Saison noch gesprochen werden wird. Von seinen drei Innenverteidigern Mats Hummels, Niklas Süle und Jérôme Boateng, die Kovac laut offiziellen Aussagen alle gleich "Weltklasse" findet, spielten Hummels und Boateng. Letzterer könnte den Verein noch verlassen, Präsident Uli Hoeneß wiederholte am Sonntag seine Bereitschaft, den Nationalspieler für eine standesgemäße Summe nach Paris verkaufen zu wollen. Ob der Einsatz ein Zeichen in Richtung des Vorstands gewesen sei, Boateng behalten zu wollen - diese Frage ließ Kovac ausweichend im Raum stehen.

Interessante Auswechslungen

Ersatz im Fall eines Wechsels hat er bereits gefordert. Ein interessantes Zeichen war womöglich auch seine Auswechslung in der zweiten Halbzeit, als es dann langsam zeitlich knapp wurde mit einem Tor gegen elf kämpfende und mit einer Fünferkette verteidigende Regionalligakicker: Kovac wechselte Hummels aus und Leon Goretzka ein, Martinez ging zurück in die Innenverteidigung. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass sich ein paar Hierarchien in der Abwehr unter dem neuen Trainer verschieben. Martinez allerdings sieht er wie Jupp Heynckes am liebsten im Mittelfeld.

Das größere Thema war die Offensive, der es 81 Minuten lang nicht gelungen war ein Tor zu schießen - bis Robert Lewandowski seinen Fuß in einen verunglückten Schuss von Goretzka hielt. Natürlich ist es schwierig, gefühlt gegen ein ganzes Dorf zu spielen, das die Begegnung auf dem Cover der Stadionzeitschrift zum "Jahrhundertspiel" ausrief; sogar der Stadionsprecher hatte sich Verstärkung vom örtlichen Radiosender geholt, die Spieler sprachen hinterher vom "Wahnsinn", der im Vereinshaus noch in 30 Jahren ein Thema sein werde.

Doch gerade die von Kovac gelobten Arjen Robben und Franck Ribéry sowie Thomas Müller, den Kovac auf dessen Lieblingsposition im undefinierbaren offensiven Zwischenraum aufbot, enttäuschten. Man habe es nicht so richtig gemerkt, ob der Wille da gewesen sei, ein Tor zu erzielen, gab der Verteidiger Joshua Kimmich zu.

Und Kovac erfand das Wort "handlungslangsam", um die Leistung seiner Angriffsspieler zu beschreiben: Sie hätten immer erst dann agiert, wenn der Ball ihre Füße erreicht habe - und nicht schon vorher, wie das notwendig ist, um eine eng verteidigende Abwehr zu bezwingen. Beim 5:0 im Supercup gegen Frankfurt hatte das noch anders ausgesehen. Sollten es also mehr Vereine mit dem Plan von Lars Uder versuchen? Fünferkette, Einwurf, drauf?

Kovac stellte immerhin die Hierarchie unter den Trainern wieder her. Als Uder gefragt wurde, ob die knappe Niederlage gegen den Rekordmeister ein Wunder sei, da schritt er fast väterlich ein und empfahl ihm, nicht zu antworten. "Lass dir nichts in den Mund legen, das ist eine Suggestivfrage," sagte Kovac. Und Uder beantwortete die Frage nicht.

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