Basketball:Erste Ernüchterung

Basketball: Ein Blick, der Bände spricht: Andreas Obst wird sich der eigenen Chancenlosigkeit gegen Istanbul bewusst.

Ein Blick, der Bände spricht: Andreas Obst wird sich der eigenen Chancenlosigkeit gegen Istanbul bewusst.

(Foto: Eduard Martin/Jan Huebner/Imago)

Bei der deutlichen Niederlage der Bayern-Basketballer gegen Istanbul zeigt sich, wie sehr dem noch nicht eingespielten Kader der Rhythmus fehlt. Andererseits gehört es zum neuen System der Münchner, international unerfahrene Spieler an die Euroleague heranzuführen - um nicht wieder kraftlos ins Frühjahr zu kommen.

Von Sebastian Winter

Als sich am späten Donnerstagabend die zuvor ausverkaufte Halle schon komplett geleert und jeder der 6500 Zuschauer den Heimweg durch die milde Nacht angetreten hatte - von denen bestimmt ein Viertel Anhänger von Fenerbahce Istanbul waren -, fuhr sich Andreas Obst am Spielfeldrand mit den Fingern durchs noch verschwitzte Haar. Obst, seit einem Jahr bei den FC-Bayern-Basketballern unter Vertrag und kürzlich als Teil der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-EM mit Bronze dekoriert, versuchte eine Deutung des aus Münchner Sicht ziemlich ernüchternd mit 62:74 verlorenen Euroleague-Auftakts gegen Istanbul. Der 26-Jährige fand klare Worte: "Wir waren heute keine Sekunde bereit, das Spiel auf dem Level zu spielen, wie wir es hätten spielen müssen. Sowohl in der Offensive als auch in der Defensive."

Die fehlende Bereitschaft zeigte sich gleich zu Beginn, beim 0:7-Fehlstart aus Bayernsicht. Kurze Zeit schien es, als würden die Münchner ihren Rhythmus finden, als sie auf 19:21 herankamen, doch bis zur 15. Spielminute gerieten sie zunehmend unter die Räder des Istanbuler Starensembles um Scottie Wilbekin und Nick Calathes (23:36). Sie kamen danach nur deshalb erneut wieder näher an Fenerbahce heran, weil die Türken selbst nicht besonders gut trafen. Und weil der mit Abstand beste Münchner an diesem Abend, Othello Hunter - mit 18 Punkten Topcsorer des Spiels -, der ebenfalls nicht enttäuschende Nick Weiler-Babb und der ansonsten überforderte Spielmacher Cassius Winston punkteten. Nach einem 9:0-Lauf Istanbuls, die ihre Führung auf 59:46 ausbauten, war die Partie entschieden. Das Schlimmste: die vielen Ballverluste. 19 Turnovers hatten die Münchner im Spiel, Istanbul gerade einmal acht, "das sagt schon viel aus", sagte Trinchieri nach dem Spiel.

Obst fand: "Wir hatten keinen Rhythmus, es war alles sehr statisch, dann die Ballverluste. Man merkt halt doch, dass wir uns als Mannschaft noch finden müssen, das spüre auch ich extrem." Der Dreierspezialist, der am Ende auf zehn Punkte kam, war selbst kaum eingebunden gewesen, vor allem zu Beginn der Partie hatte der Nationalspieler sehr wenig Ballkontakte. Bei der Europameisterschaft war das noch ganz anders gewesen.

"Ich wusste, dass heute einige unserer Spieler zu kämpfen haben würden - am Ende haben sie mächtig zu kämpfen gehabt."

Trinchieri hatte im Trainingslager im Trentino noch betont, dass es nun Zeit sei für "eine neue Philosophie", mit in der Euroleague noch wenig erfahrenen Spielern die Saison zu bestreiten, den Kader dadurch aber auch stabiler zu machen. Sodass eben nicht mehr eine Situation entsteht wie in der vergangenen Saison, als die Bayern in der Euroleague glänzten und in die Playoffs einzogen, dann aber im Bundesliga-Finale Corona- , verletzungs- und belastungsgeplagt keine Energie mehr hatten gegen Alba Berlin.

Dass die Einbindung solcher Spieler ins System Risiken birgt, hatte Trinchieri schon im Trainingslager betont: "Für ein Euroleague-Team ist es sehr schwierig, Rookies wichtige Spielminuten zu geben. In der Euroleague spielen immer dieselben Spieler. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mal gegen die Wand fahren, ist sehr groß." Nun sind sie gleich am Anfang ziemlich gegen die Wand gefahren. Der US-Amerikaner Winston, der zuvor in den ersten beiden Bundesliga-Spielern Topscorer war, und sein Landsmann Freddie Gillespie, dem mit seinen Krakenarmen immerhin vier Defensiv-Rebounds gegen Fenerbahce gelangen, wirkten streckenweise überfordert, ihnen unterliefen alleine fünf Turnovers.

Aber auch andere, erfahrene Euroleague-Spieler wie Kapitän Vladimir Lucic oder Ognjen Jaramaz enttäuschten. Es gab Missverständnisse zuhauf, der Rhythmus und das Zusammenspiel passten nicht. "Im Grunde sind wir als Team nicht dagewesen. Ehrlicherweise habe ich so etwas erwartet, aber nicht derart schlecht", sagte Trinchieri nach der Schlusssirene noch: "Ich wusste, dass heute einige unserer Spieler zu kämpfen haben würden - am Ende haben sie mächtig zu kämpfen gehabt."

Zwei gute Nachrichten gab es aber doch vor dem Bundesliga-Spiel gegen Ulm am Sonntag (18 Uhr) und den kommenden schweren internationalen Aufgaben in Bologna, gegen Barcelona und Mailand: 33 Euroleague-Vorrundenpartien stehen noch aus für die Bayern, und, wie Andreas Obst nach dem gebrauchten Abend schloss: "Wir wissen jetzt immerhin, wie wir nicht spielen sollten."

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