FC Bayern und die Schickeria:Neue Frontlinie zwischen Kurve und Klub

FC Bayern: Pyrotechnik im Bayern-Block beim Spiel gegen 1899 Hoffenheim

Die Münchner Kurve ist stark politisiert.

(Foto: Peter Hartenfelser/imago images)
  • Bis Samstag konnte man das Verhältnis zwischen der Vereinsspitze und der Schickeria, der größten Ultra-Gruppierung der Münchner Südkurve, durchaus als gut bezeichnen. Das hat sich nun geändert.
  • In München verläuft nun auch eine Frontlinie zwischen Kurve und Klub - ein Umstand, den man bei der Schickeria bedauert.
  • Die stärkste Waffe des Vereins ist das Kartenkontingent für Fangruppen: Erhält die Schickeria weniger Tickets, würde wohl auch der Einfluss in der Kurve sinken.

Von Christoph Leischwitz

Es hätte so eine schöne Woche werden können, sagte Karl-Heinz Rummenigge am Samstagabend, er hörte sich dabei an wie ein Vater, der seinen Kindern zugesteht, auch mal Mist zu bauen. Sie hatten sich doch ausgetobt. Fast 1500 Fans aus der Südkurve hatten am Donnerstag ein rauschendes Fest im Münchner Löwenbräukeller gefeiert. Uli Hoeneß und ehemalige Spieler wie Giovane Elber oder Lothar Matthäus waren zum 120. Geburtstag des Vereins gekommen. Laut ging es zu, feuchtfröhlich, und doch benahm sich niemand daneben. Zum Beispiel wurden die Anhänger erfolgreich darauf aufmerksam gemacht, die Toilettenräume des Gasthauses nicht mit Aufklebern zu versehen.

Am Freitagabend feierten rund 1000 Bayern-Anhänger in Unterhaching, beim Drittliga-Derby ihrer U 23, den Geburtstag mit verbotenen Geburtstagskerzen nach, es kam reichlich Pyrotechnik zum Einsatz. Deren Einsatz hätte Rummenigge in Hoffenheim am Samstag wohl noch verschmerzen können, es hätte eine Geldstrafe gegeben, dann wäre es vergessen gewesen. Was aber danach passierte, das wollte Rummenigge nicht mehr als üblen Jungenstreich durchgehen lassen. Und so denkt der Vorstandschef des FC Bayern zurzeit auch nicht über Hausarrest nach. Sondern schon eher über einen Rauswurf.

Das Verhältnis zwischen der Vereinsspitze und der Schickeria, der größten Ultra-Gruppierung der Münchner Südkurve, konnte man bis Samstag durchaus als gut bezeichnen. Sogar die Tatsache, dass sich ein beachtlicher Teil der oft linksorientierten Anhänger aus dem Ultra-Umfeld gegen die Kooperation des Vereins mit dem Emirat Katar stellt, konnte dieses Verhältnis nicht nachhaltig trüben.

Dass sich nun aber Ultras mit jenen von Borussia Dortmund solidarisiert haben, indem sie Dietmar Hopp beleidigten, der während des Bundesligaspiels neben Rummenigge saß, dafür hatte der FCB-Vorstandsboss kein Verständnis mehr. "Mit dem heutigen Tag muss ein Umdenken stattfinden", sagte er.

Der Club Nummer 12 distanzierte sich von den Spruchbändern

Für die Ultras dürfte wichtig gewesen sein, dass Rummenigge keine Kollektivstrafe forderte, sondern die Bestrafung Einzelner: jener, die die Schmähbanner hochgehalten hatten. Aber insgesamt seien Rummenigges Bemerkungen doch ungewöhnlich scharf formuliert gewesen, sagt ein Beobachter der Fanszene: "Ich sehe da großes Konfliktpotenzial. Das gibt ein Nachspiel."

Am härtesten wird es wohl die Schickeria treffen, jene Gruppe, die spätestens seit dem Umzug vom Olympiastadion in die Arena sehr mächtig geworden ist. Für eine Weile galt deren Verhältnis zum Fan-Dachverband Club Nummer 12 als gestört, viele Aktionen oder Ansichten werden immer noch kontrovers diskutiert. Aber seitdem grundsätzliche Differenzen beigelegt wurden, gilt die Schickeria als Meinungsführer und akzeptiert. Auch weil sie sich selbst zuschreiben darf, die Stimmung in der Arena verbessert zu haben. Darüber hinaus setzt sie sich für politische Belange und für das Bewusstsein der eigenen, jüdisch geprägten Vereinsgeschichte ein: Mitglieder der Schickeria bekamen 2014 den Julius-Hirsch-Preis des DFB verliehen, für ihren Einsatz gegen Diskriminierung und Rassismus im Stadion. Es war ein Tag, an dem Rummenigge stolz war auf die Fans.

Büßt die Schickeria nun an Bedeutung ein?

Die Münchner Kurve ist also stark politisiert, und so sieht man bei der Schickeria auch die aktuellen Schmähungen in erster Linie als ein politisches Statement, weniger als persönliche Beleidigung: Der Wortlaut, erklärte ein Mitglied der Schickeria der SZ, sei ja nur deshalb gewählt worden, weil Dortmunder Ultras für eben diesen bestraft worden seien. Führe man mit dem DFB sachliche Diskussionen, dann "verhungert man am ausgestreckten Arm", so das Argument.

Dass eine Erklärung zu den Vorfällen auf suedkurve-muenchen.org gepostet wurde (auch wenn die Seite am Sonntag nicht mehr aufrufbar war), spricht dafür, dass mehrere Fangruppen hinter den Bannern standen. Der Club Nummer 12 distanzierte sich von den Spruchbändern. Die drei Bänder, die zur ersten Unterbrechung führten, stammten von der Schickeria, die zweite Aktion ging von der Gruppe "Red Fanatic" aus. Die Schickeria wartete am Sonntag auf die Reaktion des Vereins.

Außenpolitisch gesehen ist nun in der Debatte um Fan-Bestrafungen eine neue Frontlinie hinzugekommen. Die ursprüngliche verläuft zwischen dem DFB und den Ultras verschiedener Vereine. In München verläuft sie jetzt auch zwischen Kurve und Klub - ein Umstand, den man bei der Schickeria bedauert. Innenpolitisch könnte das dazu führen, dass die Schickeria an Bedeutung einbüßt, wenn Rummenigge seine Drohungen umsetzt.

Die stärkste Waffe, neben der juristischen, ist das Kartenkontingent für Fangruppen. Erhält die Schickeria weniger Tickets, würde wohl auch der Einfluss in der Kurve sinken. So oder so wird der Hoffenheimer Samstag in München noch lange auf die Stimmung drücken.

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