Basketball-Euroleague: FC Bayern besiegt Berlin:Der Stille und das Biest

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„Als Point Guard kann ich die Dinge kontrollieren, das liegt mir, ich kann das Tempo bestimmen, wo die Bälle hingehen sollen. Ich mag es, den Ball zu passen.“ - Münchens Spielmacher Nick Weiler-Babb. (Foto: Christian Kolbert/Imago)

Mit der Demontage der stark ersatzgeschwächten Berliner belegt der FC Bayern, dass er zu einem europäischen Topteam gereift ist. Schlüsse für den Meisterschaftskampf gegen den ewigen Rivalen wollen die Münchner so früh in der Saison aber keine ziehen.

Von Ralf Tögel

Es dauerte ein Weilchen, bis Nick Weiler-Babb zu sprechen war. Der Münchner Basketballprofi hatte sich in die Hände des Physiotherapeuten begeben, gab aber Entwarnung, reine Prophylaxe: „Das Wichtigste ist, gesund zu bleiben“, ließ der 28-Jährige lächelnd wissen, die Saison sei noch lange, die Anforderungen enorm. Genau das hatten die Berliner ein Stündchen vorher auf äußerst schmerzhafte Weise erfahren müssen: Ihr Euroleague-Gastspiel im erneut ausverkauften SAP Garden verlor Alba vor 11 200 begeisterten Zuschauern mit 86:115 Punkten. Es war eine in dieser Höhe nie dagewesene Demütigung, die das stark ersatzgeschwächte Team über sich ergehen lassen musste.

Auch das gehört zur Wahrheit: Alba musste sieben Stammkräfte ersetzen; um überhaupt eine Rotation mit elf Spielern aufs Parkett zu bringen. Trainer Israel González bot erneut drei völlig unerfahrene Nachwuchskräfte auf. Wie stark die Berliner selbst mit dieser Zweitbesetzung spielen können, hatten sie mit den Siegen gegen Bundesliga-Spitzenreiter Ulm sowie am Dienstag gegen das italienische Euroleague-Topteam aus Mailand bewiesen, diese Referenz verpuffte im Olympiapark allerdings nach dem ersten Viertel.

Nur zehn Minuten lang konnte der Gast in einem abwechslungsreichen Schlagabtausch, in dem sich die Abwehrbemühungen beider Kontrahenten im schmerzlosen Bereich bewegten, mithalten (27:28). Danach steigerte der Double-Sieger die Intensität in der Abwehr und entschied die Partie bereits zur Halbzeit (62:42).

Während den Berlinern sukzessiv die Kräfte schwanden, gelang den Bayern nun nahezu alles. Dunkings von Devin Booker schepperten nach Alley-oop-Anspielen in den Korb, die Dreier fielen aus allen Lagen, Oscar da Silva versenkte mit der Sirene einen Wurf aus der eigenen Hälfte im gegnerischen Korb. Und natürlich war es Carsen Edwards, mit 24 Punkten erneut bester Schütze, der mit drei schwierigen Dreiern in kurzer Folge das Publikum endgültig auf Temperatur brachte.

Edwards ist das Zirkuspferd im Münchner Team, er ist für das Spektakel zuständig und bester Korbschütze der Euroleague

Edwards ist das Zirkuspferd im Team, er bringt Spektakel ins Münchner Spiel, wenn er unter dem Korb hindurchfliegt, den Ball von einer in die andere Hand legt und dann in der Drehung in den Korb. Dann marschiert er schon mal Richtung Publikum und interagiert mit den Fans. Und wenn er heiß läuft, kann er das Team in der Offensive tragen, dann wird er zum Biest.

Nick Weiler-Babb ist dieses Showmoment fremd, der 28-Jährige ist ein stiller Vertreter seiner Zunft, zurückhaltend, wirkt introvertiert. Aber nie war er wertvoller: Gegen Alba bot er eine fehlerlose Leistung, zwölf Punkte ohne Fehlversuch, dazu zwölf Vorlagen, eine herausragende Abwehrleistung zählt ohnehin zum Paket des Spielgestalters. Gemäß seinem Naturell wollte er weder seine Leistung noch den Sieg überbewerten. Geschweige denn angesichts des Schwächelns des ewigen Rivalen Rückschlüsse auf die Bundesliga ziehen: „Sie hatten viele Verletzte, und es ist früh in der Saison. Wenn sie einen vollen Kader haben, sind es ganz andere Spiele.“

Wenn er heiß läuft, kann Carsen Edwards die Münchner Offensive tragen, wie hier gegen Berlin. (Foto: Mladen Lackovic/Imago)

Im Sommer hat der Familienvater seinen Vertrag in München vorzeitig um zwei Jahre verlängert, er spielt seine fünfte Saison im Bayern-Dress, dass er sich wohlfühlt, ist auch seinem Spiel anzusehen. Und hat viel mit Gordon Herbert zu tun: „Der Trainer macht einen guten Job, er gibt uns Selbstvertrauen, das ist der Schlüssel. Wenn wir mit diesem Selbstvertrauen spielen, sind wir eine sehr gute Mannschaft.“ Zudem hat Herbert die Rolle von Weiler-Babb neu definiert, der wegen seiner Vielseitigkeit in der Vergangenheit oft auf verschiedenen Positionen zum Einsatz kam: „In diesem Jahr spiele ich zum ersten Mal ausschließlich als Point Guard, ich kann die Dinge kontrollieren, das liegt mir, ich kann das Tempo bestimmen, wo die Bälle hingehen sollen. Ich mag es, den Ball zu passen.“

Dann gab Weiler-Babb sogar zu, dass er sich an keinen besseren Auftritt von ihm erinnern könne: „Das tut gut nach Dienstag, da spielten wir statisch, mit zu wenig Tempo.“ Was bei Fenerbahce Istanbul zu einer 76:87-Niederlage geführt hatte. Nach dem Triumph gegen Berlin stehen die Bayern nun auf Rang vier in der europäischen Königsklasse. Und mit dem Duo Weiler-Babb und Edwards in dieser Form sollte das anvisierte Erreichen der Playoffs kein Problem werden.

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