FC Bayern München:Es wird eng für Ancelotti

  • Unter Carlo Ancelotti fehlt dem Spiel des FC Bayern Struktur, viele Angriffe erfolgen halbherzig.
  • Die Spieler greifen nach der 0:3-Niederlage in Paris den Trainer nicht direkt an, aber Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge fordert "Konsequenzen".

Von Saskia Aleythe, Paris

Arjen Robben floh in ein Mantra, das er an diesem fatalen Mittwochabend oft wiederholte. Er klammerte sich geradezu fest an diesem einen Satz. "Wir müssen zusammenhalten", antwortete Robben auf alle Fragen, die sich um Carlo Ancelottis Taktik drehten bei diesem 0:3 gegen Paris Saint-Germain. Im ersten Eifer hatte Robben "keine Worte" darüber verlieren wollen, 20 Minuten durfte er nur spielen, doch er tobte nicht. "Wir müssen zusammenhalten", sagte der Niederländer.

Ein paar Räume und verwinkelte Gänge weiter saß sein Trainer. "Rotation ist gut", sagte Ancelotti ungerührt, "ich habe Vertrauen in alle." Doch das hat zur Folge, dass Bayern seine beste Elf noch nicht gefunden hat und sich der Eindruck erhärtet: Unter Ancelottis Händen zerbröselt gerade eine Mannschaft, die vor seinem Amtsantritt den Status der Unbezwingbarkeit trug. Am Donnerstag nach der Landung am Münchner Flughafen brummte Ancelotti auf Fragen zu seiner Zukunft nur: "Kein Kommentar". Angeblich soll es noch am Nachmittag eine Krisensitzung geben, berichtet die Sport Bild.

Will er Mats Hummels für das Hertha-Spiel schonen?

Es sind ein paar interessante Anekdoten, die man nach dieser "bitteren Niederlage" (Zitat Karl-Heinz Rummenigge) aufzählen kann und sie führen direkt zum Rotationsprinzip von Ancelotti. Das Durchwechseln im Fußballbetrieb kann diversen Philosophien zugrunde liegen und bei Ancelotti, seit dem 1. Juli 2016 an der Säbener Straße, hatte man das auch schon positiv interpretiert: Als kräfteschonender Ablöser des immer trainingsharten Pep Guardiola wurde der Italiener zwischenzeitlich gerne präsentiert. Vor allem zum Saisonstart im vergangenen Jahr gewährte man ihm die Chance, sich durchzutesten mit den neuen Spielern, die er sich im Sommer hat dazukaufen lassen.

Das Problem ist nur: Rotation soll in der Regel dazu führen, für die härtesten Spiele die beste Elf zusammen zu haben. Doch Ancelotti rotierte im bislang härtesten Spiel der Saison einfach weiter. Wozu, ist nicht ganz ersichtlich: Will er Mats Hummels und Jérôme Boateng für Bundesliga-Spiele wie gegen Hertha BSC schonen? In einem Champions-League-Spiel gegen Paris? Dass er Franck Ribéry gegen Anderlecht nach 77 Minuten vom Platz holte, bezeichnete er später als Fehler. Nun ließ er ihn gleich ganz auf der Bank verharren, obwohl er ihn noch am Vortag als fit und einsatzfähig beschrieben hatte: "Ich bin zufrieden mit seiner Leistung".

Dass den Münchnern im eigenen Spiel Struktur fehlt, ist eine Tendenz, die sich erst unter Ancelotti entwickelt hat. Wo unter Guardiolas Ballbesitzfußball der Gegner durch Überlegenheit erdrückt wurde, kommt die Mannschaft unter Ancelotti selbst mit hoher Ballbesitzquote kaum zu Angriffen, die das Attribut "durchdacht" verdienen. So fühlte sich schon das 3:0 gegen lange in Unterzahl spielende Anderlechter erstaunlich nüchtern an, so ging eine 2:0-Führung gegen den VfL Wolfsburg noch flöten. Und so bekam der FC Bayern den Ball auch gegen Paris nicht ins Tor, trotz diverser Strafraumaktivitäten.

Wen betreffen Rummenigges "Konsequenzen"?

"Wir haben einen Kader mit sehr viel Qualität, aber es kommt noch nicht so viel raus, wie wir wollen", sagte Robben noch, "es könnte auch anders laufen, aber wir müssten dafür gewisse Dinge anders machen." Derlei Zwischentöne gab es viele am Mittwochabend, auch wenn keiner Ancelotti damit direkt ansprechen wollte. Zusammenhalten, klar!

"Ich vertrete die Mannschaft und der Trainer trifft die Entscheidungen", sagte Thomas Müller etwa und ergänzte: "Wir müssen auf dem Platz dann alles in die Wagschale werfen, um das Ganze positiv zu gestalten." Oder Joshua Kimmich: "Es ist nicht zu übersehen, dass sich was ändern muss und daran müssen wir arbeiten." Dass Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge beim Bankett "Konsequenzen" forderte, war mit Sicherheit nicht hauptsächlich an die Spieler gerichtet.

Mit Philipp Lahm und Xabi Alonso haben im Sommer zwei prägende Figuren den FC Bayern verlassen. Mannschaften leiden unter solchen Weggängen, sie können dazu führen, dass man plötzlich nicht mehr Bundesliga-Krösus ist, dass man im Kampf um die Champions-League-Trophäe nicht mehr titelverdächtig ist. Ein Status, der nun auf den FC Bayern zutrifft, wenn auch nicht nur wegen Lahm und Alonso.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: