FC Bayern München: Einzelkritik:Räume, so groß wie ein Rathausbalkon

Veraltete Navigationssysteme, enttäuschte Verteidiger und vergeblich lauernde Streuner - der FC Bayern in der Einzelkritik.

Christof Kneer

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Champions League - FC Bayern München - Inter Mailand

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FC Bayern München: Einzelkritik:Jörg Butt

Manchmal heißt es ja, er sei ein eher farbloser Torhüter. Frechheit! Zur Widerlegung dieses üblen Vorurteils trug Butt ein Torwarttrikot in Textmarker-Orange. Durfte sich in der 18. Minute erstmals warmboxen, nach einem von Altintops Haupthaar abgefälschten Sneijder-Freistoß. Sah in realer Geschwindigkeit wie eine Spitzenparade aus, in Zeitlupe ließ sich erkennen, dass es gar nicht so schwer war. Cleverer Kerl, dieser Butt: In Textmarker-Orange sieht alles ein bisschen abenteuerlicher aus. Hatte aber eigentlich gar keinen Grund, sich zu inszenieren: Stellte sich Inters Kontern mit stoischer Ruhe entgegen, reagierte glänzend kurz nach der Pause. Kann hervorragend Elfmeter halten und auch schießen - aber ach, so weit kam es gar nicht. Der fehlerloseste Bayer.

Champions League: FC Bayern Muenchen - Inter Mailand

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Philipp Lahm: 

Verstellte sich anfangs geschickt, wollte Inter wahrscheinlich irritieren. Leistete sich in der ersten 50 Sekunden zwei unglückliche Aktionen, so, als sei er gar nicht Philipp Lahm. Als Inter Mailand ihn erkannt hatte, versuchte er dann, wie der echte Lahm zu spielen, was gegen diesen unverschämt zähen Gegner aber nicht so einfach war. Vermied anfangs beharrlich das Risiko, seinen Vordermann Robben zu hinterlaufen. Er wollte nicht in Mourinhos Falle tappen. Später, als der FC Bayern in Rückstand lag, stiefelte er fleißig nach vorne - um enttäuscht festzustellen, dass es da vorne gar keinen Platz gab.

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Martin Demichelis: 

Erlebte nach 25 Minuten die erste Enttäuschung: Nicht mal von hinten grätschen darf man! Sah Gelb für eine rückwärtige Attacke gegen Milito. Und ehrlich gesagt: zurecht. Und noch ehrlicher gesagt: Fürs Bayern-Spiel war das ziemlich fatal, denn derart vorbelastet, traute sich Demichelis zehn Minuten später nur einen arg, arg zaghaften Luftkampf zu. Brav ließ er Milito den Ball nach einem Torwartabschlag zu Sneijder weiterköpfeln, und derart pazifistisch eingestellt, ließ er Milito dann auch noch entkommen: Prompt stand's 1:0. Von dieser Aktion erholte er sich nur mühsam, bewegte sich manchmal eckig wie van Gaal auf dem Rathausbalkon (allerdings bei weitem nicht so lustig). Kämpfte sich aber tapfer ins Spiel zurück.

A propos: Hatte man nicht immer heimlich befürchtet, auf Höchstniveau könnte die Innenverteidigung der Bayern die Schwachstelle sein? Hm.

Bayern Muenchen v Inter Milan - UEFA Champions League Final

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Daniel Van Buyten: 

War anfangs der etwas solidere Innenverteidiger, was an diesem Abend aber nichts heißen musste. Gewann 103 Prozent aller Kopfballduelle, stand aber gelegentlich windschief im Raum. Rackerte leidenschaftlich, strahlte in den direkten Duellen gegen den unverschämt flinken Milito aber die Grazie eines Textmarkers aus. Hatte man nicht immer befürchtet, auf Höchstniveau könnte die Innenverteidigung der Bayern die Schwachstelle sein? Hm. Zumindest an diesem Abend war es so.

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Holger Badstuber:

War von der ersten Minute an froh, dass der Gegner Inter Mailand und nicht Barcelona hieß. Hätte sonst in seiner nicht sehr geliebten Rolle als Linksverteidiger gegen Messi spielen müssen, der etwa vier Köpfe und 40 km/h schneller ist. So ging's gegen Eto'o, auch ein Weltstar, aber kein klassischer Außenstürmer. Vom listigen Trainer Mourinho ist Eto'o sogar zu einem verkappten Außenverteidiger umfunktioniert worden, was Badstuber etwas ratlos machte, denn auf diese Weise war er immer irgendwie auf Jobsuche. Was sollte er denn dann spielen, wenn nicht Linksverteidiger?

Musste sich selten in direkte Duelle stürzen, war aber mit seinem Hang zum langen Ball auch im Aufbauspiel nicht wirklich eine Hilfe. Und wenn er in der Innenverteidigung gebraucht wurde, war er auch nicht immer da; kein Wunder, als Linksverteidiger. Als Hauptstilmittel blieb ihm oft nur der Rückpass zum Textmarker-Torwart

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Mark van Bommel:

Wenig Glanz, aber sehr, sehr viel Ordnung - so spielt der Kapitän normalerweise. Diesmal aber: wenig Glanz - und sehr viel weniger Ordnung als gewohnt. Tat sich vor allem systembedingt schwer: War mit seinem Partner Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld immer in der Unterzahl gegen die zentrale Inter-Troika Zanetti/Cambiasso/Sneijder. Die Lücken in seinem Arbeitsbereich waren manchmal so groß wie ein Rathausbalkon - wie bei Inters Führungstreffer stellvertretend zu erkennen war. Stand nach Cesars Torwartabschlag zu weit vorn, worauf ihm Sneijder locker entwischte. Konnte das Spiel diesmal nie auf seine Seite zwingen. Immerhin: Begann tadellos, souveräner Wimpeltausch mit dem Inter-Kollegen Zanetti.

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Bastian Schweinsteiger:

Siehe auch unter Mark van Bommel. Die zahlenmäßige Unterlegenheit in seinem Planquadrat tat seinem zuletzt so souveränen Spiel überhaupt nicht gut. Sein Spiel litt in beide Richtungen: Nach vorne traute er sich zu wenig, weil er stets die defensive Stabilität im Auge haben wollte; nach hinten konnte er dennoch die entscheidenden Lücken nicht schließen. Verfiel in der Not manchmal in alte Verhaltensmuster: Sohle auf den Ball, ein Hüftwackler rechts, einer links - und schon war es verschleppt, das Tempo. Vor dem zweiten Inter-Tor mit einem Fehlpass, der sehr untypisch für den Schweinsteiger dieser Saison war, aber sehr typisch für den Schweinsteiger dieses Finales. Darf sich dennoch auf die anstehende Weltmeisterschaft in Südafrika freuen, denn: Inter Mailand spielt da gar nicht mit.

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Arjen Robben: 

Nach drei Spielminuten war Bayerns erster Plan durchkreuzt. Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass es leider nicht gelungen war, Robbens Qualitäten geheim zu halten. Inter Mailand war so gut informiert, dass es Robben in Person von Samuel gleich mal foulte. Passierte kurz darauf in Gestalt von Chivu erneut. Nach einer halben Stunde foulte der durchaus berüchtigte Chivu schon wieder, was ihm eine verdiente gelbe Karte einbrachte. Chivu spielte übrigens mit einer Art Helm, ein schützendes Utensil, das aber eher seine Gegenspieler brauchen. Robben hatte meistens halb Inter gegen sich, es war so voll auf seinem Flügel, dass auch der nachstoßende Lahm keinen Platz fand.

Wobei: Sagt man nicht, dass andere Spieler frei sein müssen, wenn alle Robben decken? Ja, das sagt man. Allerdings: Bei Inter Mailand ist es so, dass alle Spieler Robben decken können und trotzdem niemand frei ist.

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Hamit Altintop: 

Franck Ribéry? Ach was, nach zwei Minuten spielte sein Vertreter Altintop gleich den ersten schicken Pass. Dafür, dass er diese Position (links offensiv) praktisch nie spielt, beherrschte er Laufwege und Räume erstaunlich gut. Als Passspieler insgesamt gut, zwang Inter Mailands Verteidiger aber zu selten in Eins-gegen-eins-Duelle. Zog mit zunehmender Spieldauer immer mehr nach innen, er spürte, dass Bastian Schweinsteiger und Mark van Bommel im Zentrum jedes hilfreiche Bein gut gebrauchen konnten. Bereitete Müllers Großchance (46.) mit geradezu ribéry-artigem Querpass vor. Viel Drang zum Tor, wurde dennoch ausgewechselt - für Klose, der zuletzt eher keinen Drang zum Tor hatte.

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Thomas Müller:

Wo war Müller? Der gefürchtete Nahtstellen-Schleicher hatte sein berühmtes Navigationssystem offenbar nicht mit der neuesten Inter-Software aufgeladen. Fand die Nahtstellen anfangs zu selten, anders als der Schleicher auf der anderen Seite, der Holländer Wesley Sneijder. Ließ seine Festplatte in der Halbzeit aber offenbar umprogrammieren. Kam in der 46. Minute aussichtsreich zum Schuss, in der 63. Minute erneut. Da war Müller! Allerdings: Wo Müller war, war Inter auch schon.

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Ivica Olic:

Der Streuner lauerte wie immer auf die Fehler in der gegnerischen Deckung. Dieses Spiel beherrscht er perfekt, und wenn das Lauern nicht reicht, dann hilft er mit seinen bissigen Attacken beim Fehlermachen eben ein bisschen nach. Guter Plan. Einziges Problem: Inter macht keine Fehler.

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Miroslav Klose:

Stürzte sich einmal mit dem Kopf voran ins Getümmel, erfolglos allerdings. Musste ebenfalls die Erfahrung machen, dass Inter Mailand keine Fehler macht. Am Ball? Ach ja, am Ball war er auch. Zwei-, dreimal ungefähr.

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Quelle: ap

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Mario Gomez

Wurde an dieser Stelle schon mal gesagt, dass Inter keine Fehler macht? Ja? Okay: Gomez musste das auch feststellen. Aber auch für ihn gilt wie, ebenso wie für Butt, Lahm, Badstuber, Müller, Schweinsteiger und Klose: Inter Mailand spielt nicht bei der WM. Was für ein Trost!

© sueddeutsche.de
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