FC Bayern München:Ein warmer Mantel für Louis van Gaal

Vergessen sind die stürmischen Herbst-Tage: Bayern-Chef Rummenigge räsoniert über eine Vertragsverlängerung mit Trainer van Gaal.

Johannes Aumüller

Es gibt wohl kaum eine andere Branche, für die Konrad Adenauers berühmter Satz "Was stört mich mein Geschwätz von gestern?" so zutreffend ist wie fürs Fußballgeschäft.

FC Bayern München: Bayern-Trainer Louis van Gaal.

Bayern-Trainer Louis van Gaal.

(Foto: Foto: Getty)

Was haben zwei, drei Niederlagen oder zwei, drei Siege in Serie nicht schon alles ausgelöst? An das Bonmot des ersten Kanzlers der Bundesrepublik muss daher auch erinnert werden, wenn einen Tag nach dem 2:1 der Bayern gegen Florenz Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge den folgenden verschwurbelten Satz ins Fernsehmikrofon sagt: "Wir sind an Kontinuität interessiert. Und wenn diese Kontinuität auch eine erfolgreiche Arbeit mit Louis van Gaal ist, steht dem sicherlich nichts im Wege, dass das Ende der Fahnenstange nicht der 30. Juni 2011 sein wird."

Angesichts solcher Worte lohnt ein kurzer Blick zurück in den stürmischen Herbst des Jahres 2009. Innerhalb von zwei Wochen verliert der FC Bayern zwei Mal gegen Girondins Bordeaux und steht in der Champions League vor dem Aus - und in der Liga bietet er teilweise uninspirierte Leistungen. Der erst im Sommer 2009 verpflichtete Trainer van Gaal wirkt angezählt. Bild schreibt: "van Gestern".

Den Bayern-Bossen missfällt sein Stil, Uli Hoeneß fordert ihn auf, "Vertrauen und Verantwortung zu delegieren" und will eine andere taktische Grundordnung verfügen. Van Gaal selbst kokettiert mit seinem Rücktritt. Manche Zeitung schreibt bereits vom Schicksalsspiel, die Tage des Niederländers auf der Bayern-Bank scheinen gezählt.

Bis, ja bis an einem irrwitzigen Dezember-Tag den Bayern ein irrwitziges Spiel gegen Juventus Turin (4:1) gelingt.

Sind diese Turbulenzen wirklich erst vor ein paar Wochen passiert - und nicht kurz nach der Krönung von Königin Beatrix? Ist jetzt alles wieder gut? So gut sogar, dass der Bayern-Boss öffentlich über eine Verlängerung des erst in 17 (!) Monaten auslaufenden Vertrages räsoniert?

Im Fußball ist Erfolg alles. Wer eine Mannschaft in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League mit teils furiosen Leistungen zu 13 Siegen in Serie führt, erhält zwangsläufig solch lobende Worte. Doch abseits der gängigen Branchenreaktion könnten es im Fall von Louis van Gaal durchaus ein paar spezielle Punkte sein, welche Rummenigges Äußerungen ausgelöst haben. Denn zur Überraschung mancher Beobachter ist van Gaal nach der herbstlichen Krise nicht mehr als der sture und autoritäre Alleinherrscher in Erscheinung getreten, als der zunächst wahrgenommen wurde.

Der Niederländer konstruierte ein System, das eigentlich nicht seiner Wunschvorstellung entsprach (vom 4-4-2 mit Raute oder 4-3-3 zu einem 4-4-2 mit flacher Vier). Er zwang sich nicht mehr dazu, die von ihm geholten, aber von vielen kritisch beäugten Spieler Pranjic und Braafheid in die Startaufstellung zu integrieren. Er hielt sich mit missverständlichen Äußerungen à la: "Ich bin wie Gott" zurück. Und er schuf dank der Abgabe einiger nörgelnder Reserve-Spieler und einer konsequenten pädagogischen Linie ein gutes Binnenklima.

Karl-Heinz Rummenigge spricht nun zu recht von dem "Fakt", dass sich Mannschaft und Trainer "jetzt verstehen und sich auch gegenseitig auf dieses Niveau gebracht haben". Auf seiner ersten Pressekonferenz hatte van Gaal davon gesprochen, er und der FC Bayern würden zusammenpassen "wie ein warmer Mantel" - derzeit trifft das zu.

Natürlich hatte van Gaal in den vergangenen Wochen auch viel Glück. Olic hatte zum richtigen Zeitpunkt einen guten Lauf, Robben blieb über Wochen unverletzt und in guter Form, Spieler wie Müller oder Badstuber zeigten eine für ihr jugendliches Alter überraschende Konstanz - und einmal, am Mittwochabend gegen Florenz, übersah der Schiedsrichter ein klares Abseitstor von Miroslav Klose, womit die Chancen auf die Viertelfinal-Qualifikation enorm anstiegen.

Van Gaal ist erfahren genug, um die Mechanismen des Geschäfts zu kennen. Von daher weiß er auch: Erst wenn der FCB in der Liga mal wieder zwei, drei Spiele am Stück nicht gewinnen oder im Rückspiel gegen Florenz doch aus der Champions League ausscheiden sollte, wird sich zeigen, was Rummenigges Vertragsverlängerungsgedanke war. Der übliche Branchenreflex, eine Reaktion auf van Gaals öffentlich geäußerten Gedanken, mal als Nationaltrainer arbeiten zu wollen - oder der tatsächliche Wunsch nach einer längerfristigen Zusammenarbeit mit dem Niederländer?

Im Video: Beim 2:1 der Münchner im Heimspiel gegen Florenz taten sich die München sehr schwer, so Franz Beckenbauer. Spieler und Management sprechen aber von einen guten Ausgangsposition für das Rückspiel.

Weitere Videos finden Sie hier

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: