FC Bayern München:Ancelotti lässt anarchische Elemente im Bayern-Spiel zu

Bayern München - Werder Bremen

Gewährt anarchische Elemente im Bayern-Spiel: Carlo Ancelotti.

(Foto: dpa)

Beim 6:0 gegen Bremen vereint der FC Bayern die Vorzüge der Arbeitsweisen von zwei gegensätzlichen Trainern - Carlo Ancelotti verändert an Pep Guardiolas Werk nur Feinheiten.

Von Benedikt Warmbrunn

Seine Individualität betont Franck Ribéry manchmal auch im Umgang mit dem Rasiermesser. Im Sommer 2014 trug der Franzose einen kühnen Rauschebart, es war ein ereignisloser Sommer für sein Rasiermesser, am Kinn stutzte Ribéry ein paar Wochen lang kein einziges Haar. Zwei Sommer später sind Ribérys Wangen glatt rasiert, rund um den Mund stehen ein paar Stoppel. Auch die Kopfseiten sind ziemlich kahl, mit einer Ausnahme. Über dem linken Ohr hat Ribéry eine "7" stehen lassen. Seine Rückennummer, sein Kopf, seine Freiheit, das war die Botschaft dieser Experimente mit dem Rasiermesser.

Zwei Sommer, zwei Kopfbehaarungen, aber die Bedeutung gleicht sich. Den Rauschebart-Ribéry empfingen sie beim FC Bayern sehnsüchtig, sie erwarteten sich einen ähnlichen Wuchs an Anarchie für ihr Spiel. Der Trainer lobte Ribérys Stärke im Eins-gegen-eins, er sagte, dass das Team diese dringend benötige. Der Trainer des FC Bayern, der auf den Freiheitsdrang des Franzosen setzte, hieß Pep Guardiola.

Am Freitag ist der FC Bayern nach drei Jahren erstmals in eine Bundesliga-Saison ohne Guardiola gestartet. Auf der Bank saß Carlo Ancelotti, Ribéry hatte eine feine "7" über sein linkes Ohr rasiert, die Mannschaft gewann gegen Werder Bremen 6:0. Miteinander zu tun hatte all das nicht wirklich, auch wenn es nach dem Spiel Diskussionen darüber gab, wie losgelöst der FC Bayern auf einmal aufgetreten sei. Die Freiheiten, die Ribéry und seine Mitspieler ausnutzten, gewährte ihnen nicht allein Carlo Ancelotti. Diese Freiheiten gewährte ihnen die Bremer Defensive.

Wie sehr Ancelotti einen eigenen Stil einbringen wird, konnte der erste Ligasieg nicht klären. Zu überfordert waren die Gäste, gegen die Guardiola seine Heimspiele in der Liga 5:2, 6:0 und 5:0 gewann (in Bremen siegte er einmal 7:0). In seinen ersten Wochen in München hat Ancelotti das Werk seines Vorgängers nicht nur öffentlich stets gewürdigt, er hat es auch auf dem Platz fortgeführt. Dass er durchaus die eine oder andere Feinheit verändern wird, deutete am Freitag zum Beispiel das Wirken des rasierten Ribéry an.

Unter Guardiola positionierte sich die Mannschaft oft nah am gegnerischen Tor, sie passte dann geduldig, bis sich eine Lücke auftat. Flügelspieler wie Ribéry sollten dabei durch gewonnene Dribblings bis an die Grundlinie laufen und von dort in den Strafraum spielen - oder sie dribbelten direkt in diesen hinein. Gegen Bremen stand die Mannschaft zumindest nicht durchgehend so weit vorne, Ancelotti erlaubt auch Phasen, in denen die Spieler weiter zurückgezogen lauern. Wodurch sich andere Räume für die Angriffe bieten.

Ribéry zum Beispiel musste nicht nur in direkte Duelle gehen, er hatte den Platz für längere Sololäufe, rückte oft von der linken Seite ins Zentrum. Thomas Müller zog es von rechts zeitweise in den Sturm. Robert Lewandowski verließ auch mal den Strafraum, zu sehen war dies vor dem zweiten Tor. Ribéry passte an der Mittellinie, Lewandowski dribbelte in den Strafraum hinein, traf aus spitzem Winkel; es war allerdings auch das Tor, bei dem der Sicherheitsabstand der Bremer besonders groß war.

Ancelotti hebt sich nur im Detail ab von Guardiola

"Wir versuchen jetzt immer offensiv zu spielen, den Ball schnell in die Tiefe zu passen, um so gefährliche Situationen zu kreieren", sagte Lewandowski, der noch zum 3:0 und zum Endstand traf. "Wir lassen den Gegner auch mal den ersten Ball spielen, gehen erst dann drauf, um mehr Raum nach vorne zu haben", erklärte Torwart Manuel Neuer. "Unsere Positionen sind anders aufgeteilt", sagte Philipp Lahm, der Torschütze zum 4:0.

Aber reicht all das für ein neues Freiheitsgefühl?

Auch Ancelotti gibt an der Seitenlinie Anweisungen, wenn auch nicht dauerwedelnd wie Guardiola. Wenn Ancelotti anzeigen will, wohin ein Pass gehen soll, streckt er den Zeigefinger aus. Wenn ihm gefallen hat, was seine Spieler gemacht haben, streckt er den Daumen nach oben. "Pep war ein Trainer, der immer versucht hat einzuwirken, der immer an der Seitenlinie stand und versucht hat zu helfen", sagte Neuer, "unser neuer Trainer versucht, mit einer ruhigen Art uns einfach sein Vertrauen zu geben, Entscheidungen selbst auf dem Platz zu treffen." Guardiola sah das Potenzial einer komplexen Taktik, Ancelotti sieht das kreative Potenzial des Einzelnen, ein Gegensatz muss das nicht sein. "Eigentlich habe ich nur wenig verändert", sagte Ancelotti; und so sind zumindest die Gedanken seiner Spieler nun frei.

Hummels spielte als einziger Zugang

Wenn sich Xabi Alonso, der Torschütze des 1:0, oder Arturo Vidal bei Ballbesitz zwischen die Innenverteidiger stellten, wenn die Spieler den Ball auf die andere Seite passten, dann war zu erkennen, dass Ancelotti die taktische DNA nicht auflösen wird. Das 3:0 durch Lewandowski oder das 5:0 durch Ribéry waren Tore eines Teams, in dem vieles aufeinander abgestimmt ist; beide Male bereitete Müller in guter Kenntnis der Laufwege seiner Mitspieler vor.

"Es stimmt, wir haben Freiheiten auf dem Platz und neben dem Platz", sagte Mats Hummels, der einzige Zugang, der gegen Bremen spielte. "Man kann es mit dieser Mannschaft machen, weil die Eigenmotivation extrem ausgeprägt ist, immer Leistung zu bringen." Man kann es mit dieser Mannschaft machen, weil sie im Übergang von Guardiola zu Ancelotti das Beste aus zwei Trainerwelten in sich vereint.

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