Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Champions League:Das erste Triple ist schon da

Das 4:0 gegen Leverkusen mildert beim FC Bayern zwar die Krisenstimmung, doch Corona verschafft Trainer Nagelsmann die nächste Herausforderung: Wegen der Ausfälle von Müller und Kimmich muss er ein neues Team basteln.

Von Philipp Schneider

Ach ja, Corona, sagt Julian Nagelsmann. Seine Spieler seien doch durchaus sensibilisiert für das Thema. Aber sie hätten schon noch ein Leben außerhalb des Platzes. Wie er selbst übrigens auch. Manchmal beim Einkaufen beispielsweise, da würden sich die Menschen ja wundern, wenn sie ihn treffen. "Beim Rewe. Oder beim Edeka. Oder beim ...", sagt Nagelsmann, denkt nach, dann lacht er kurz auf. "Allnatura! Egal ... Ich sag jetzt einfach mal alles durch, damit es nicht heißt, ich würde Werbung machen." Die Menschen jedenfalls, sie würden überall fragen: Herr Nagelsmann, Sie kaufen selbst ein? Ja, tatsächlich, antwortet er dann gerne: Er esse ja auch!

Tatsächlich: Es plaudert sich wieder locker leicht beim FC Bayern, seit die Mannschaft am Freitagabend mit vier Toren gegen Bayer Leverkusen die düsteren Erinnerungen an ebenso viele sieglose Spiele in der Bundesliga erfolgreich weggeschossen hat.

Und obwohl schon an diesem Dienstag (18.45 Uhr) die nächste wichtige Partie in der Champions League ansteht, wenn auch nur gegen Viktoria Pilsen, so wird die gute Stimmung nicht einmal von einer Corona-Großlage getrübt, die im Vorjahr noch regelmäßig für wuchtige Schlagzeilen beim FC Bayern gesorgt hatte: Am Wochenende hatten Thomas Müller und Joshua Kimmich positive Tests öffentlich gemacht. Beide erfreuen sich eines asymptomatischen Verlaufs, wie es so schön heißt oder wie es Nagelmann am Montag auf den Punkt brachte: "Haben nix."

Der dreimal geimpfte und nunmehr dreimal infizierte Müller lud sogar ein Video im Internet hoch. "Hallo Leute", grüßt er darin gut gelaunt aus seiner Quarantäne. "Das Covid-Triple ist bei mir eingekehrt. Diesmal hatte ich es nicht auf dem Schirm, mir geht es so weit sehr gut."

Als Müller zum ersten Mal an Corona erkrankte, hatte das nahezu die gesamte Bundesrepublik auf dem Schirm - erst recht ob der spektakulären Bilder, die er im Februar 2021 produzierte: Müller wird in einen weißen Ganzkörper-Seuchenschutzanzug gehüllt, sieht aus wie der Marsianer, fliegt dann aber nicht in einer Rakete, sondern in einem Privatjet von der Klub-WM in Katar zurück nach München. 20 Monate später fahren dort frisch Infizierte fröhlich mit der U-Bahn aufs Oktoberfest. Von vielen wird die Pandemie nicht mehr als gesellschaftliche Bedrohung wahrgenommen. Für einen Trainer wie Nagelsmann ist sie allerdings noch immer eine personelle und taktische Herausforderung.

Zumal nun in Müller und Kimmich zwei Drittel der verbliebenen Bayern-Achse ausfallen. Früher, als der Wiener Abwehrmonolith David Alaba noch die Defensive strukturierte und vorne Robert Lewandowski im Akkord einnetzte, bestand diese Achse aus fünf Unersetzlichen. Am Dienstag gegen Pilsen wird davon nur noch Torwart Manuel Neuer übrig sein, der Rest ist im Fluss. So ein Team, das sich neu finden muss, bietet gleichwohl immer auch Chancen für jene, die ins Rampenlicht streben. Nagelsmann will gegen Pilsen rotieren, aber "nicht sieben Spieler wechseln".

Nicht einmal Corona trübt die Stimmung beim FC Bayern

Sommerzugang Ryan Gravenberch könnte im defensiven Mittelfeld von Beginn an spielen, stellte der Trainer in Aussicht. Der 20-jährige Niederländer hatte kürzlich mit einer prägnanten Verlautbarung die Mikrofone in Richtung Reservebank gelenkt: "Wenn ich ehrlich bin, habe ich mehr Spielminuten erwartet." Gravenberch dürfte sich nach seinem Wechsel von Ajax Amsterdam gewundert haben, dass sein Traumplatz an der Seite Kimmichs nicht nur von Leon Goretzka streitig gemacht wird, sondern auch noch von einem Mannschaftskollegen, der in der Vorsaison in den Planungen Nagelsmanns eine untergeordnete Rolle gespielt hat: Marcel Sabitzer. Vielleicht aber spielt Gravenberch nicht einmal gegen Pilsen von Beginn an, da der Trainer anmerkte, dass er die Position im defensiven Mittelfeld ähnlich offensiv interpretiere wie Goretzka. Und da in Kimmich und Müller "zwei Säulen" wegfielen, sei "Leon einer, der führen kann".

Eine Andeutung, was es mit der Formschwäche des seit Wochen unauffälligen Serge Gnabry auf sich haben könnte, machte Nagelsmann am Montag indirekt - indem er ihn lobte und laut über seinen Einsatz als Ersatz für Müller nachdachte. Er kenne Gnabry seit Ewigkeiten und schätze ihn sehr, referierte Nagelsmann, tatsächlich hat er ihn einst in Hoffenheim zum Stammspieler gemacht.

Deshalb müsse er auch "keine Angst haben vor mir, wenn seine Leistung nicht stimmt", sagte Nagelsmann, oder sich fürchten, "dass er rasiert wird". Gnabry solle vielmehr "volles Vertrauen haben und frei von der Seele weg Fußball spielen". In der Vorsaison war Gnabry der zweitbeste Torschütze der Bayern. Gut möglich, dass er sich nun mehr als alle anderen in der Verantwortung sieht, die Lewandowski-Lücke bestmöglich zu schließen.

Gegen die Mannschaft des tschechischen Meisters könnte sich ein gedanklich unbeschwerter Gnabry mit ein paar Toren vielleicht ähnlich aus der Krise schießen wie sein Offensivkollege Sadio Mané gegen Leverkusen. Die Gelegenheit für ihn und Gravenberch ist günstig, sie währt aber nicht lang. Schon am Samstag in der Bundesligapartie in Dortmund könnten Kimmich und Müller - negative Tests vorausgesetzt - wieder in die Startelf rücken. Sie haben ja zum Glück nix.

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