Süddeutsche Zeitung

FC Bayern München:Bis zum Heulen der Alarmanlage

Lesezeit: 5 min

Der erst 19-jährige Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger sorgt beim Tabellenzweiten für neue Reize - und ein paar Aufgeregtheiten.

Von Andreas Burkert

Noch ruht sein linker Oberarm lässig auf der Türverkleidung, doch als die Ampel Grün zeigt, kommt Bastian Schweinsteiger ziemlich gut weg mit seinem schwarzen Cabriolet, auch ohne eine Angebernummer mit quietschenden Reifen.

Beim FC Bayern werden sie das wohl ganz gerne lesen, denn Schweinsteiger und Autos, das ist mal ein heikles Thema gewesen, aber darüber redet er später noch.

Fast umgefallen

Seit November fährt er also einen wirklich schönen Wagen, in diesen ersten Frühlingstagen bevorzugt mit geöffnetem Verdeck und einer dunklen Sonnenbrille im Gesicht, und Bastian Schweinsteiger sagt, irgendwie könne er das alles noch nicht recht glauben, was mit ihm passiert ist. Beim FC Bayern und um ihn herum. "Wenn mir das einer vor zwei Jahren gesagt hätte", sagt er, "dann wäre ich umgefallen." Er ist ja erst 19.

Das ist kein Alter für einen Fußballer, schon gar nicht beim FC Bayern, doch Bastian Schweinsteiger hat es dort in den letzten Monaten recht weit gebracht. Als die Bayern in Frankfurt (1:1) in die Rückserie starteten, stand er in der ersten Elf; 23 Pflichtspiele hat er diese Saison schon hinter sich, und im zweiten Duell mit Real Madrid ist er auch dem breiten Publikum aufgefallen mit seiner forschen Art, Fußball zu spielen.

Vielleicht stach sie deshalb heraus, weil sich Michael Ballack in der zweiten Halbzeit besonders schwer durchs Mittelfeld geschleppt hatte. Auch Ottmar Hitzfeld sah das so, er hatte ihn nur eingewechselt, weil er ihm wohl den Auftritt im berühmtem Bernabeu noch nicht zutraute. Doch hinterher sagte der Coach, Schweinsteiger sei der "Gewinner des Abends" gewesen, "er hat auch international den Durchbruch geschafft".

Eine rasante Entwicklung für einen Teenager, der 2001 mit den Bayern die A-Jugendmeisterschaft gewann und diese Saison noch für das Amateurteam eingeplant war; trotz seines Profidebüts als 18-Jähriger in der Champions League gegen Lens, im November 2002. Hitzfeld nahm ihn damals hinzu wegen zahlreicher Verletzungen, "mein Glück", sagt Schweinsteiger, "aber Glück brauchst du."

Auch der FC Bayern ist inzwischen wohl glücklich, ihn ehedem in der C-Jugend des TSV 1860 Rosenheim entdeckt zu haben. Jetzt würde der Verein den bis 2005 gültigen Vertrag mit ihm gerne verlängern, doch Schweinsteiger und sein Berater Roland Grahammer haben es nicht eilig. Schweinsteiger sagt nur, er fühle sich zurzeit wohl, "doch wenn du fast zu den Stammspielern gehörst, musst du auch so behandelt werden". Vermutlich geht es um Geld.

Angefangen hat er beim FV Oberaudorf, seinem Heimatverein im Inntal. Mit 16 zog er ins Bayern-Internat ein, wie einst Owen Hargreaves, heute sein Freund im Team. Vielleicht wäre Schweinsteiger auch ein guter Skifahrer geworden, den aufstrebenden Rennläufer Felix Neureuther jedenfalls hat er früher öfters besiegt. Vom Skifahren hat Schweinsteiger seine kräftigen Oberschenkel, die den flüchtigen Beobachter glauben lassen, er sei zu langsam. Jetzt schaut sich angeblich sogar Teamchef Rudi Völler den jungen Mann genauer an.

"Er überlegt nicht viel"

Vielleicht ist das ein bisschen viel der Ehre für einen 19-Jährigen, die Verantwortlichen beim FC Bayern jedenfalls achten sehr darauf, Schweinsteiger nicht herauszuheben. AG-Chef Rummenigge hat sich letztens große Reden auf den Teenager verbeten, Schweinsteiger solle erst einmal konstant gut spielen.

Schweinsteiger versucht genau das, er ist der Aufsteiger in ihrem seltsam lethargischen Team, und vorigen Samstag, vor dem Spiel gegen Rostock, haben die Fans erst seinen Namen gerufen und dann "Fußball-Gott" angefügt. Schweinsteiger ist sowieso recht selbstbewusst, auch wenn er oft sehr leise spricht und dabei ein Lächeln zeigt, das schüchtern wirkt. Doch eigentlich ist das ein listiges Lächeln, er selbst nennt sich ja "ein Schlitzohr". Er sei schon immer so gewesen, "das sagen mir meine Eltern, ich hab' mir oft versteckte Dinge geleistet".

Auch auf dem Rasen wirkt er wie ein Lausbub. Wenn er den Ball haben will, verfolgt er seine Gegenspieler unerbittlich, und wenn er ihn am Fuß führt, behauptet er ihn, robust und mit erstaunlichem Geschick. Sein großes Plus ist wohl seine Unbekümmertheit, "er überlegt nicht viel, er ist ein Instinktfußballer", sagt Trainer Hitzfeld, "er drängt sich einfach auf."

Als er die ersten Male bei den Profis trainiert habe, erzählt Schweinsteiger, "da kriegst du als Junger sofort eins in die Beine, wenn du einen Übersteiger machst". Er hat es trotzdem wieder versucht, und irgendwann fiel ihm auf: "Cool, du hältst mit."

So kennt ihn auch Hermann Gerland, er ist Trainer der Bayern-Amateure und wohl auch ein heimlicher Verehrer. "Der Bastian ist auf einem guten Weg", sagt er, "er ist laufstark, ballsicher, kann's mit beiden Beinen, und vor allem ist er in Ordnung - er ist ein Typ." Denn im Internat schaue der Jungstar weiterhin vorbei, er liebt den FC Bayern und er ist besessen von seinem Sport.

Es gibt Wochenenden, an denen besucht Schweinsteiger die Spiele der A-Jugend oder der Amateure. Und notfalls auch eines der Löwen. Nur die extrem hoch gezogenen Stutzen, sagt Gerland, die missfallen ihm, "und das können Sie ihm sagen, dass er wie 'ne Frau aussieht".

Schweinsteigers Wadenstrümpfe

Bastian Schweinsteiger kennt Gerlands Meinung über seine Wadenstrümpfe, "ohne sie fühl' ich mich unwohl", sagt er und revanchiert sich grinsend mit der Replik, Gerland stehe in seiner Trainerliste "ganz unten". Er meint das vermutlich nicht so. Sein bester Nachwuchstrainer sei allerdings Stefan Beckenbauer gewesen, der Sohn des Präsidenten betreut die B-Jugend. Als sie einmal 0:3 verloren hatten, habe der sie nicht rund gemacht, "sondern der ist dann mit uns zu McDonald's gegangen". Das fand er "cool".

So unbefangen redet Schweinsteiger ausnahmslos, er wird erst noch erwachsen, er ahnt das selbst. Letztes Jahr ist das auch dem Verein bewusst geworden, als Schweinsteiger Auto gefahren ist. Denn zunächst fuhr er, obwohl ihm für den Führerschein noch die theoretische Prüfung fehlte, und später leider allzu flott, wie ein Radargerät bemerkte: Gut 150 Sachen statt erlaubter 80.

Das Bild vom ungezogenen Bengel rundeten nächtliche Besuche in der Disko (bis drei Uhr nachts) und, in Begleitung seiner Cousine, im Whirlpool des FC Bayern (bis zum Heulen der Alarmanlage) ab.

Der Reiz des schicken Dienstwagens vor der Tür sei "zu groß für mich gewesen", gesteht Schweinsteiger, "ich hab' gedacht, wenn sie mich erwischen, sag' ich einen anderen Namen". Dass er wohl eher gar nichts gedacht hat, weiß er inzwischen selbst, und die Leute vom Verein haben ihm das deutlich gesagt. Er versichert: "Solche Sachen mach' ich nicht mehr, aber jeder hat doch mal Mist gebaut".

Hitzfeld habe sich ihn zur Brust genommen, "aber das war gut von ihm, dass er mir noch eine Chance gegeben hat". Und die 15.000 Euro Strafe für den Diskoabend vorigen April sei im Nachhinein doch gut angelegt gewesen, "denn da hab' ich meine neue Freundin kennen gelernt, wegen ihr war ich doch so lange da". Die beiden wohnen jetzt zusammen.

Immer nach oben

Wie es weiter geht? Gerne weiter nach oben, wünscht sich Schweinsteiger, er ist frech genug daran zu glauben, auch dann zu spielen, wenn Deisler oder Scholl wieder gesund sind. Viel steiler nach oben geht es allerdings nicht mehr, zuletzt hat er sein erstes Spiel für die U21 gemacht.

Er schoss das Siegtor. Dass ihn manche sogar mit Völlers Elf in Verbindung bringen, erschreckt ihn nicht. "Ich bin bereit dafür", findet er, "aber viele sagen, das wäre noch zu früh, und vielleicht haben sie da recht". Doch bei der EM in Portugal dabei zu sein, "das wär' schon cool". Vielleicht darf er so etwas sagen, denn er ist noch sehr jung. Erst 19.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.927586
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ v. 19.3.2004
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.