FC Bayern München:Bayerische Patienten

Eine missratene Einkaufspolitik, Spieler ohne Selbstvertrauen, öffentliche Kritik am Trainer: Der FC Bayern erlebt eine selbstverschuldete Sinnkrise.

Thomas Hummel

Es kann einem im Sinne von Uli Hoeneß angst und bange werden beim Gedanken an die Jahreshauptversammlung des FC Bayern München am kommenden Freitagabend. Da soll jener Mann aus seinem Amt verabschiedet werden, dem der Klub seit 30 Jahren einen Großteil seiner sportlichen Erfolge, seines Ruhms und seiner wirtschaftlichen Kraft zu verdanken hat.

FC Bayern München: Zwei Protagonisten unter Druck: Manager Uli Hoeneß (l.) und Trainer Louis van Gaal.

Zwei Protagonisten unter Druck: Manager Uli Hoeneß (l.) und Trainer Louis van Gaal.

(Foto: Foto: ddp)

Uli Hoeneß tritt als Manager ab und wird Präsident des Klubs. Und nun droht angesichts des aktuellen Zustands der ersten Fußballmannschaft ein Aufruhr.

Wie konnte es nur dazu kommen, dass der FC Bayern bereits im zweiten Jahr auf der Suche nach seiner Identität ist? Nach seinem unerschütterlichen Glauben an die eigene Stärke, selbst noch nach einem Gegentor in der 90. Minute? Der finanziell der Liga längst enteilte Rekordmeister steht nach 13 Spieltagen auf Platz sieben. Hinter Aufsteiger FSV Mainz 05. Am Mittwoch droht das Aus in der Champions-League-Vorrunde.

Trainer Louis van Gaal analysierte nach dem trüben 1:1 gegen Bayer Leverkusen treffend: "Wir haben einen FC Bayern gesehen ohne Selbstvertrauen." Das traf den Kern der Sache, war aber noch glimpflich ausgedrückt: Die Münchner Spieler wirken derzeit verunsichert, wie man das selten erlebt hat in den vergangenen Jahrzehnten.

Trainer van Gaal sagte das so dahin in der Pressekonferenz nach dem Spiel. Der listige Mediendirektor des Vereins ließ kaum Nachfragen zu und beendete die Angelegenheit schnell. Dabei wäre es schon interessant gewesen, von diesem schlauen Fußballlehrer van Gaal zu erfahren, wie er sich das erklären kann, dass seine Spieler mit derart zitternden Knien umherlaufen. Dass ihnen bisweilen der einfachste Pass misslingt, die Flanken zur Eckfahne segeln, die Torschüsse im zweiten Rang landen.

Ribérys Ausfall wiegt schwer

Bei aller Taktik und Ordnung auf dem Platz - den Spielern Glauben in ihr eigenes Können zu vermitteln, sie mental vielleicht stärker zu machen als sie physisch sind, auch das ist eine zentrale Aufgabe des Trainers.

Die Brachial-Psycholgie des niederländischen Dozenten ist aber nur ein Grund für die Misere des Rekordmeisters. Schwerwiegend ist der Ausfall des Inspirators Franck Ribéry, ebenso fehlt seit Wochen der zweite überragende Einzelkönner Arjen Robben. Mit den beiden Wirbelstürmern auf den Flügeln wurde Juventus Turin wie eine Schülermannschaft vorgeführt, mit ihnen stünde Bayern sicher nicht auf Platz sieben. Doch durch ihre Ausfälle tritt die ansonsten missratene Einkaufspolitik der vergangenen Jahre zum Vorschein.

Vor allem im zentralen Mittelfeld tut sich seit Jahren ein erschreckendes Kreativloch auf. Derzeit werkeln da Mark van Bommel und Anatolij Timoschtschuk, zwei schwerfüßige Zweikämpfer ohne Talent für den entscheidenden Pass, die zudem noch das Spiel auf ein Tempo herunterdimmen, das ihren technischen Fähigkeiten entspricht. Ähnliches gilt bisweilen für Bastian Schweinsteiger.

Nahrung für Enttäuschte und Unzufriedene

Unruhestiftend wirkt seit dem Abgang des hochgeschätzten Ottmar Hitzfeld zudem, dass die Trainer mit öffentlichen Querschüssen von Spielern und sogar Vorstand leben müssen. Die Autorität von Jürgen Klinsmann wurde von den Profis bald per Interviews untergraben, gebilligt offenbar von der Chefetage.

Das Gleiche ergießt sich nun über van Gaal, zuletzt haben ihn sogar Hoeneß und Noch-Präsident Franz Beckenbauer selbst angegriffen. Das hätte es unter Hitzfeld niemals gegeben. Man erinnert sich an einen vergleichsweise zarten Protest von Martin Demichelis, er wolle nicht im defensiven Mittelfeld spielen, sondern in der Abwehr. Im nächsten Spiel in Cottbus saß er auf der Tribüne.

Wenn ein Klubvorstand seine Trainer derart beschädigt oder beschädigen lässt, darf er sich nicht wundern, wenn plötzlich all die Enttäuschten und Unzufriedenen ihrem Unmut freien Lauf lassen. Klinsmann war irgendwann sturmreif geschossen, van Gaal droht nun Ähnliches. Und so greifen die sogenannten Mechanismen des Geschäfts: Sollte der Van-Gaal-FC-Bayern am Mittwoch aus der Champions League fliegen, vielleicht sogar, weil er mit einer weiteren düsteren Vorstellung Maccabi Haifa nicht besiegen kann, dürfte es um den Trainer geschehen sein.

Doch auch ein solcher Schritt würde kaum dazu führen, dass die Jahreshauptversammlung am Freitag zu einem rauschenden Abschied für Uli Hoeneß wird.

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