Basketball:Das Ende der Illusionen

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Piräus-Topspieler Aleksandar Vezenkov (hier links im Duell mit Andreas Obst) schlug die Bayern mit 45 Punkten fast im Alleingang. (Foto: One Inch Productions/Imago)

Die Bayern sind nach ihrem furiosen Start in die Euroleague auf bestem Wege, ihre gute Ausgangslage zu verspielen: Nach dem 69:112 in Piräus sind sie nur noch Zehner, das reicht gerade so für die Play-Ins.  Trainer Herbert verschiebt jetzt den Fokus.

Von Sebastian Winter

Gordon Herbert kam am Mittwochmittag in kurzen Hosen zur Fragerunde im ziemlich kühlen BMW Park, es ging um die Euroleague-Partie bei Olympiakos Piräus zwei Tage darauf, um all die verletzten Spieler, um seine Gemütslage. Und Herbert, der 65-jährige Kanadier, zeigte sich da als Mann, der schon einiges durchgemacht hat in seiner Karriere. Sein rechtes Knie ist von Narben gezeichnet, Folgen seiner Operationen, die er noch als Spieler über sich ergehen ließ, Mitte der Neunzigerjahre beendete er wegen der Knieblessuren seine Karriere auf dem Feld. Als Trainer hatte er mit Depressionen zu kämpfen, wie er in einem Buch beschreibt.

Nun saß der Trainer der Bayern-Basketballer da in der Halle, seine Spieler trainierten hinter ihm, und er gab einen kleinen Einblick in seine gerade eher winterliche Gemütslage – wobei der Sportpsychologe Herbert auch gerne mal damit kokettiert. „Schlafen und arbeiten, das ist es, was ich tue“, sagte Herbert also: „Ich habe kein Leben. Mein Sohn sagt mir, dass ich eins brauche.“ Er schmunzelte dabei auch, weil er natürlich weiß, dass er einen gut dotierten Job in München hat, bei der besten Adresse im deutschen Basketball, und weil er sich dieses Leben auch ausgesucht hat und es schon viele Jahre lang so lebt.

Aber auch inhaltlich wirkte Herbert nachdenklich an jenem Mittwoch: „Ich habe mit einigen Spielern gesprochen, es gibt manche, mit deren Leistung ich nicht glücklich bin“, gab er beispielsweise zu Protokoll. Auch beim Blick auf die Euroleague, jenem Wettbewerb, in dem die Münchner unbedingt näher an die Spitze kommen wollen, wurde Herbert deutlich: „Es ist sehr wichtig, dass wir in der Euroleague wieder zurück auf Kurs kommen.“

Aber zwei Tage später wirkte es so, als hätten die Bayern nun komplett ihren Kompass verloren im höchsten europäischen Klubwettbewerb, eine 180-Grad-Wende inklusive. Beim Tabellenführer und Titelkandidaten Piräus erlebten sie vor 13 000 Zuschauern eine schwarze Nacht, die 69:112 (37:51)-Niederlage mündete am Ende in ein Debakel. Piräus-Topspieler Aleksandar Vezenkov schlug die Bayern mit 45 Punkten fast im Alleingang. Bayerns Weltmeister Johannes Voigtmann sprach im Anschluss von einer „Lehrstunde“. Ist das der Anspruch des FC Bayern? Wohl kaum.

In Heidelberg zeigen die Bayern am Sonntag dann Charakter und siegen 87:59

Herbert war vor dem Spiel der wenig Hoffnung machenden Historie noch fast ein wenig trotzig begegnet: „Mir wurde gesagt, die Bayern haben noch nie in Griechenland gewonnen. Aber es gibt immer ein erstes Mal.“ Danach musste er aber desillusioniert feststellen: „Mit 22 Ballverlusten und 17 abgegebenen Offensivrebounds kommst du hier nicht zum Erfolg.“ Monaco, Panathinaikos Athen, Real Madrid, nun Olympiakos Piräus: Vier der jüngsten fünf Euroleague-Spiele gingen verloren, die Auswärtsbilanz der Bayern dort ist ohnehin schlecht, kürzlich gab es die erste Heimspiel-Niederlage. Die Münchner sind nach ihrem furiosen Start auf bestem Wege, ihre gute Ausgangslage zu verspielen. Zehnter sind sie nur noch, das reicht gerade so für die Play-Ins. Und auch in der Bundesliga sind sie keine Überflieger mehr, was die Niederlage bei Alba Berlin vor einer Woche verdeutlichte.

Herbert musste auch in Piräus wieder auf seinen so wichtigen Abwehrspieler Nick Weiler-Babb (Daumenverletzung) und auf Vladimir Lucic (Aufbautraining nach Wadenverletzung) verzichten, auch Oscar da Silva (Sprunggelenk) fiel aus. Der unter der Woche erkrankte Ivan Kharchenkov stand wieder im Kader, er punktete in Piräus auch als erster Münchner – allerdings zum 1:9. Aus der zweiten Mannschaft debütierte Ivan Volf, wie Kharchenkov 18 Jahre alt. Daran sieht man schon, wie angespannt die Lage im Kader ist. Aber auch anderen Klubs, die international spielen, geht es so. Zugleich ist die Bank der Bayern nicht sonderlich tief, wenn man sie mit Europas Klubspitze vergleicht. Und Spieler wie Andreas Obst wirken nach dem anstrengenden Olympiasommer ein wenig ausgelaugt, große Formschwankungen bestimmen ihr Spiel.

Was außerdem auffällt: Sie haben in den allermeisten Partien 80 Punkte und mehr kassiert, was man durchaus als Dysbalance zwischen Offensive und Defensive werten kann, zumal wenn die eigene Trefferquote so schwankt wie zuletzt. Da kann sich auch ein Carsen Edwards mit seinen in dieser Saison so vielen Punkten nicht immer zum Retter aufschwingen.

Herbert machte am Mittwoch noch klar, dass sich sein Fokus in nächster Zeit verschieben wird – weg von der Bundesliga, zumindest bis zum Ende der Euroleague-Saison. Weil er inzwischen selbst sieht, dass es unmöglich ist, mit derselben Energie Spiel für Spiel in beiden Wettbewerben zu bestehen (das Pokal-Final-Four ist auch noch am 15./16. Februar). „Klar wäre es schön, Erster in der BBL zu werden, aber es ist auch nicht schlimm, wenn man Zweiter, Dritter oder Vierter wird. Wenn wir in die Euroleague-Playoffs wollen, dann sind das die großen Spiele für uns“, sagte Herbert.

Am Sonntag, nur 46 Stunden nach der Pleite von Piräus, absolvierten die Münchner dann eher wieder eine Pflichtaufgabe – allerdings war das Label „BBL-Topspiel“ gegen den Überraschungszweiten Heidelberg durchaus gerechtfertigt. Die Nordbadener waren für diese Partie extra in den Mannheimer SAP-Garden umgezogen, Bayern-Weltmeister Andreas Obst sagte vor der Partie: „Heidelberg ist eine gute Gelegenheit zu zeigen, dass wir Charakter haben.“ Und vor mehr als 14000 Zuschauern zeigten die Bayern dann Charakter. Nachdem sie selbst ihr Debakel gegen Piräus erlebt hatten, düpierten sie Heidelberg mit einem 87:59 (49:24)-Sieg. Gut für den Kopf war dieses Ergebnis, gerade vor den Euroleague-Heimspielen am Mittwoch und Freitag gegen Monaco und Bologna.

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